ine Lehre? Hast du einen
Glauben, oder ein Wissen, dem du folgst, das dir leben und rechttun hilft?"
Sprach Siddhartha: "Du weiXt, Lieber, dass ich schon als junger Mann,
damals, als wir bei den BXern im Walde lebten, dazu kam, den Lehren und
Lehrern zu misstrauen und ihnen den RXcken zu wenden. Ich bin dabei
geblieben. Dennoch habe ich seither viele Lehrer gehabt. Eine schXne
Kurtisane ist lange Zeit meine Lehrerin gewesen, und ein reicher Kaufmann
war mein Lehrer, und einige WXrfeIspieler. Einmal ist auch ein wandernder
JXnger Buddhas mein Lehrer gewesen; er saX bei mir, als ich im Walde
eingeschlafen war, auf der Pilgerschaft. Auch von ihm habe ich gelernt, auch
ihm bin ich dankbar, sehr dankbar. Am meisten aber habe ich hier von diesem
Flusse gelernt, und von meinem VorgXnger, dem FXhrmann Vasudeva. Es war ein
sehr einfacher Mensch, Vasudeva, er war kein Denker, aber er wusste das
Notwendige so gut wie Gotama, er war ein Vollkommener, ein Heiliger."
Govinda sagte: "Noch immer, o Siddhartha, liebst du ein wenig den
Spott, wie mir scheint. Ich glaube dir und weiX es, dass du nicht einem
Lehrer gefolgt bist. Aber hast nicht du selbst, wenn auch nicht eine Lehre,
so doch gewisse Gedanken, gewisse Erkenntnisse gefunden, welche dein eigen
sind und die dir leben helfen? Wenn du mir von diesen etwas sagen mXchtest,
wXrdest du mir das Herz erfreuen."
Sprach Siddhartha: "Ich habe Gedanken gehabt, ja, und Erkenntnisse, je
und je. Ich habe manchmal, fXr eine Stunde oder fXr einen Tag, Wissen in mir
gefXhlt, so wie man Leben in seinem Herzen fXhlt. Manche Gedanken waren es,
aber schwer wXre es fXr mich, sie dir mitzuteilen. Sieh, mein Govinda, dies
ist einer meiner Gedanken, die ich gefunden habe: Weisheit ist nicht
mitteilbar. Weisheit, welche ein Weiser mitzuteilen versucht, klingt immer
wie Narrheit."
"Scherzest du?" fragte Govinda.
"Ich scherze nicht. Ich sage, was ich gefunden habe. Wissen kann man
mitteilen, Weisheit aber nicht. Man kann sie finden, man kann sie leben, man
kann von ihr getragen werden, man kann mit ihr Wunder tun, aber sagen und
lehren kann man sie nicht. Dies war es, was ich schon als JXngfing manchmal
ahnte, was mich von den Lehrern fortgetrieben hat. Ich habe einen Gedanken
gefunden, Govinda, den du wieder fXr Scherz oder fXr Narrheit halten wirst,
der aber mein, bester Gedanke ist. Er heiXt: Von jeder Wahrheit ist das
Gegenteil ebenso wahr! NXmlich so: eine Wahrheit lXsst sich immer nur
aussprechen und in Worte hXllen, wenn sie einseitig ist. Einseitig ist
alles, was mit Gedanken gedacht und mit Worten gesagt werden kann, alles
einseitig, alles halb, alles entbehrt der Ganzheit, des Runden, der Einheit.
Wenn der erhabene Gotama lehrend von der Welt sprach, so musste er sie
teilen in Sansara und Nirvana, in TXuschung und Wahrheit, in Leid und
ErlXsung. Man kann nicht anders, es gibt keinen andern Weg fXr den, der
lehren will. Die Welt selbst aber, das Seiende um uns her und in uns innen,
ist nie einseitig. Nie ist ein Mensch, oder eine Tat, ganz Sansara oder ganz
Nirvana, nie ist ein Mensch ganz heilig oder ganz sXndig. Es scheint ja so,
weil wir der TXuschung unterworfen sind, dass Zeit etwas Wirkliches sei.
Zeit ist nicht wirklich, Govinda, ich habe dies oft und oft erfahren. Und
wenn Zeit nicht wirklich ist, so ist die Spanne, die zwischen Welt und
Ewigkeit, zwischen Leid und Seligkeit, zwischen BXse und Gut zu liegen
scheint, auch eine TXuschung."
"Wie das?" fragte Govinda Xngstlich.
"HXre gut, Lieber, hXre gut! Der SXnder, der ich bin und der du bist,
der ist SXnder, aber er wird einst wieder Brahma sein, er wird einst Nirvana
erreichen, wird Buddha sein X und nun siehe: dies "Einst" ist TXuschung, ist
nur Gleichnis! Der SXnder ist nicht auf dem Weg zur Buddhaschaft unterwegs,
er ist nicht in einer Entwickelung begriffen, obwohl unser Denken sich die
Dinge nicht anders vorzustellen weiX. Nein, in dem SXnder ist, ist jetzt und
heute schon der kXnftige Buddha, seine Zukunft ist alle schon da, du hast in
ihm, in dir, in jedem den werdenden, den mXglichen, den verborgenen Buddha
zu verehren. Die Welt, Freund Govinda, ist nicht unvollkommen, oder auf
einem langsamen Wege zur Vollkommenheit begriffen: nein, sie ist in jedem
Augenblick vollkommen, alle SXnde trXgt schon die Gnade in sich, alle
kleinen Kinder haben schon den Greis in sich, alle SXuglinge den Tod, alle
Sterbenden das ewige Leben. Es ist keinem Menschen mXglich, vom anderen zu
sehen, wie weit er auf seinem Wege sei, im RXuber und WXrfelspieler wartet
Buddha, im Brahmanenwartet der RXuber. Es gibt, in der tiefen Meditation,
die MXglichkeit, die Zeit aufzuheben, alles gewesene, seiende und sein
werdende Leben als gleichzeitig zu sehen, und da ist alles gut, alles
vollkommen, alles ist Brahm an. Darum scheint mir das, was ist, gut, es
scheint mir Tod wie Leben, SXnde wie Heiligkeit, Klugheit wie Torheit, alles
muss so sein, alles bedarf nur meiner Zustimmung, nur meiner Willigkeit,
meines liebenden EinverstXndnisses, so ist es fXr mich gut, kann mich nur
fXrdern, kann mir nie schaden. Ich habe an meinem Leibe und an meiner Seele
erfahren, dass ich der SXnde sehr bedurfte, ich bedurfte der Wollust, des
Strebens nach GXtern, der Eitelkeit, und bedurfte der schmXhlichsten
Verzweiflung, um das Widerstreben aufgeben zu lernen, um die Welt lieben zu
lernen, um sie nicht mehr mit irgendeiner von mir gewXnschten, von mir
eingebildeten Welt zu vergleichen, einer von mir ausgedachten Art der
Vollkommenkeit, sondern sie zu lassen, wie sie ist, und sie zu lieben, und
ihr gerne anzugehXren. X Dies, o Govinda, sind einige,von den Gedanken, die
mir in den Sinn gekommen sind."
Siddhartha bXckte sich, hob einen Stein vom Erdbodene auf und wog ihn
in der Hand.
"Dies hier," sagte er spielend, "ist ein Stein, und er wird in einer
bestimmten Zeit vielleicht Erde sein, und wird aus Erde Pflanze werden, oder
Tier oder Mensch. FrXher nun hXtte ich gesagt: Dieser Stein ist bloX ein
Stein, er ist wertlos, er gehXrt der Welt der Maja an; aber weil er
vielleicht im Kreislauf der Verwandlungen auch Mensch und Geist werden kann,
darum schenke ich auch ihm Geltung. So hXtte ich frXher vielleicht gedacht.
Heute aber denke ich: dieser Stein ist Stein, er ist auch Tier, er ist auch
Gott, er ist auch Buddha, ich verehre und liebe ihn nicht, weil er einstmals
dies oder jenes werden kXnnte, sondern weil er alles lXngst und immer ist X
und gerade dies, dass er Stein ist, dass er mir jetzt und heute als Stein
erscheint, gerade darum liebe ich ihn, und sehe Wert und Sinn in jeder von
seinen Adern und HXhlungen, in dem Gelb, in dem Grau, in der HXrte, im
Klang, den er von sich gibt, wenn ich ihn beklopfe, in der Trockenheit oder
Feuchtigkeit seiner OberflXche. Es gibt Steine, die fXhlen sich wie Xl oder
wie Seife an, und andre wie BlXtter, andre wie Sand, und jeder ist besonders
und betet das Om auf seine Weise, jeder ist Brahman, zugleich aber und
ebensosehr ist er Stein, ist Xlig oder saftig, und gerade das gefXllt mir
und scheint mir wunderbar und der Anbetung wXrdig. X Aber mehr lass mich
davon nicht sagen. Die Worte tun dem geheimen Sifin nicht gut, es wird immer
alles gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht, ein wenig verfXlscht,
ein wenig nXrrisch X ja, und auch das ist sehr gut und gefXllt mir sehr,
auch damit bin ich sehr einverstanden, dass das, was eines Menschen Schatz
und Weisheit ist, dem andern immer wie Narrheit klingt."
Schweigend lauschte Govinda.
"Warum hast du mir das von dem Steine gesagt?" fragte er nach einer
Pause zXgernd.
"Es geschah ohne Absicht. Oder vielleicht war es so gemeint, dass ich
eben den Stein, und den Fluss, und alle diese Dinge, die wir betrachten und
von denen wir lernen kXnnen, liebe. Einen Stein kann ich lieben, Govinda,
und auch einen Baum oder ein StXck Rinde. Das sind Dinge, und Dinge kann man
lieben. Worte aber kann ich nicht lieben. Darum sind Lehren nichts fXr mich,
sie haben keine HXrte, keine Weiche, keine Farben, keine Kanten, keinen
Geruch, keinen Geschmack, sie haben nichts als Worte. Vielleicht ist es
dies, was dich hindert, den Frieden zu finden, vielleicht sind es die vielen
Worte. Denn auch ErlXsung und Tugend, auch Sansara und Nirvana sind bloXe
Worte, Govinda. Es gibt kein Ding, das Nirvana wXre; es gibt nur das Wort
Nirvana."
Sprach Govinda: "Nicht nur ein Wort, Freund, ist Nirvana. Es ist ein
Gedanke."
Siddhartha fuhr fort: "Ein Gedanke, es mag so sein. Ich muss dir
gestehen, Lieber: ich unterscheide zwischen Gedanken und Worten nicht sehr.
Offen gesagt, halte ich auch von Gedanken nicht viel. Ich halte von Dingen
mehr. Hier auf diesem FXhrboot zum Beispiel war ein Mann mein VorgXnger und
Lehrer, ein heiliger Mann, der hat manche Jahre lang einfach an den Fluss
geglaubt, sonst an nichts. Er hatte gemerkt, dass des Flusses Stimme zu ihm
sprach, von ihr lernte er, sie erzog und lehrte ihn, der Fluss schien ihm
ein Gott, viele Jahre lang wusste er nicht, dass jeder Wind, jede Wolke,
jeder Vogel, jeder KXfer genau so gXttlich ist und ebensoviel weiX und
lehren kann wie der verehrte Fluss. Als dieser Heilige aber in die WXlder
ging, da wusste er alles, wusste mehr als du und ich, ohne Lehrer, ohne
BXcher, nur weil er an den Fluss geglaubt hatte."
Govinda sagte: "Aber ist das, was du `Dinge' nennst, denn etwas
Wirkliches, etwas Wesenhaftes? Ist das nicht nur Trug der Maja, nur Bild und
Schein? Dein Stein, dein Baum, dein Fluss X sind sie denn Wirklichkeiten?"
"Auch dies," sprach Siddhartha, "bekXmmert mich nicht sehr. MXgen die
Dinge Schein sein oder nicht, auch ich bin alsdann ja Schein, und so sind
sie stets meinesgleichen. Das ist es, was sie mir so lieb und verehrenswert
macht: sie sind meinesgleichen. Darum kann ich sie lieben. Und dies ist nun
eine Lehre, Xber welche du lachen wirst: die Liebe, o Govinda, scheint mir
von allem die Hauptsache zu sein. Die Welt zu durchschauen, sie zu erklXren,
sie zu verachten, mag groXer Denker Sache sein. Mir aber liegt einzig daran,
die Welt lieben zu kXnnen, sie nicht zu verachten, sie und mich nicht zu
hassen, sie und mich und alle Wesen mit Liebe und Bewunderung und Ehrfurcht
betrachten zu kXnnen."
"Dies verstehe ich," sprach Govinda. "Aber eben dies hat er, der
Erhabene, als Trug erkannt. Er gebietet Wohlwollen, Schonung, Mitleid,
Duldung, nicht aber Liebe; er verbot uns, unser Herz in Liebe an Irdisches
zu fesseln."
"Ich weiX es", sagte Siddhartha; sein LXcheln strahlte golden. "Ich
weiX es, Govinda. Und siehe, da sind wir mitten im Dickicht der Meinungen
drin, im Streit um Worte. Denn ich kann nicht leugnen, meine Worte von der
Liebe stehen im Widerspruch, im scheinbaren Widerspruch zu Gotamas Worten.
Eben darum misstraue ich den Worten so sehr, denn ich weiX, dieser
Widerspruch ist TXuschung. Ich weiX, dass ich mit Gotama einig bin. Wie
sollte denn auch Er die Liebe nicht kennen, Er, der alles Menschensein in
seiner VergXnglichkeit, in seiner Nichtigkeit erkannt hat, und dennoch die
Menschen so sehr liebte, dass er ein langes, mXhevolles Leben einzig darauf
verwendet hat, ihnen zu helfen, sie zu lehren! Auch bei ihm, auch bei deinem
groXen Lehrer, ist mir das Ding lieber als die Worte, sein Tun und Leben
wichtiger als sein Reden, die GebXrde seiner Hand wichtiger als seine
Meinungen. Nicht im Reden, nicht im Denken sehe ich seine GrXe, nur im Tun,
im Leben."
Lange schwiegen die beiden alten MXnner. Dann sprach Govinda, indem er
sich zum Abschied verneigte: "Ich danke dir, Siddhartha, dass du mir etwas
von deinen Gedanken gesagt hast. Es sind zum Teil seltsame Gedanken, nicht
alle sind mir sofort verstXndlich geworden. Dies mXge sein, wie es wolle,
ich danke dir, und ich wXnsche dir ruhige Tage."
(Heimlich bei sich aber dachte er: Dieser Siddhartha ist ein
wunderlicher Mensch, wunderliche Gedanken spricht er aus, nXrrisch klingt
seine Lehre. Anders klingt des Erhabenen reine Lehre, klarer, reiner,
verstXndlicher, nichts Seltsames, NXrrisches oder LXcherliches ist in ihr
enthalten. Aber anders als seine Gedanken scheinen mir Siddharthas HXnde und
FXe, seine Augen, seine Stirn, sein Atmen, sein LXcheln, sein GruX, sein
Gang. Nie mehr, seit unser erhabener Gotama in Nirvana einging, nie mehr
habe ich einen Menschen angetroffen, von dem ich fXhlte: dies ist ein
Heiliger! Einzig ihn, diesen Siddhartha, habe ich so gefunden. Mag seine
Lehre seltsam sein, mXgen seine Worte nXrrisch klingen, sein Blick und seine
Hand, seine Haut und sein Haar, alles an ihm strahlt eine Reinheit, strahlt
eine Ruhe, strahlt eine Heiterkeit und Milde und Heiligkeit aus, welche ich
an keinem anderen Menschen seit dem letzten Tode unseres erhabenen Lehrers
gesehen habe.)
Indem Govinda also dachte, und ein Widerstreit in seinem Herzen war,
neigte er sich nochmals zu Siddhartha, von Liebe gezogen. Tief verneigte er
sich vor dem ruhig Sitzenden.
"Siddhartha, sprach er, "wir sind alte MXnner geworden. Schwerlich wird
einer von uns den andern in dieser Gestalt wiedersehen. Ich sehe, Geliebter,
dass du den Frieden gefunden hast. Ich bekenne, ihn nicht gefunden zu haben.
Sage mir, Verehrter, noch ein Wort, gib mir etwas mit, das ich fassen, das
ich verstehen kann! Gib mir etwas mit auf meinen Weg. Er ist oft
beschwerlich, mein Weg, oft finster, Siddhartha."
Siddhartha schwieg und blickte ihn mit dem immer gleichen, stillen
LXcheln an. Starr blickte ihm Govinda ins Gesicht, mit Angst, mit Sehnsucht,
Leid und ewiges Suchen stand in seinem Blick geschrieben, ewiges
Nichtfinden.
Siddhartha sah es, und lXchelte.
"Neige dich zu mir!" flXsterte er leise in Govindas Ohr. "Neige dich zu
mir her! So, noch nXher! Ganz nahe! KXsse mich auf die Stirn, Govindal"
WXhrend aber Govinda verwundert, und dennoch von groXer Liebe und
Ahnung gezogen, seinen Worten gehorchte, sich nahe zu ihm neigte und seine
Stirn mit den Lippen berXhrte, geschah ihm etwas Wunderbares. WXhrend seine
Gedanken noch bei Siddharthas wunderlichen Worten verweilten, wXhrend er
sich noch vergeblich und mit Widerstreben bemXhte, sich die Zeit
hinwegzudenken, sich Nirvana und Sansara als Eines vorzustellen, wXhrend
sogar eine gewisse Verachtung fXr die Worte des Freundes in ihm mit einer
ungeheuren Liebe und Ehrfurcht stritt, geschah ihm dieses:
Er sah seines Freundes Siddhartha Gesicht nicht mehr, er sah statt
dessen andre Gesichter, viele, eine lange Reihe, einen strXmenden Fluss von
Gesichtern, von hunderten, von tausenden, welche alle kamen und vergingen,
und doch alle zugleich dazusein schienen, welche alle sich bestXndig
verXnderten und erneuerten, und welche doch alle Siddhartha waren. Er sah
das Gesicht eines Fisches, eines Karpfens, mit unendlich schmerzvoll
geXffnetem Maule, eines sterbenden Fisches, mit brechenden Augen X er sah
das Gesicht eines neugeborenen Kindes, rot und voll Falten, zum Weinen
verzogen X er sah das Gesicht eines MXrders, sah ihn ein Messer in den Leib
eines Menschen stechen X er sah, zur selben Sekunde, diesen Verbrecher
gefesselt knien und sein Haupt vom Henker mit einem Schwertschlag
abgeschlagen werden X er sah die KXrper von MXnnern und Frauen nackt in
Stellungen und KXmpfen rasender Liebe X er sah Leichen ausgestreckt, still,
kalt, leer X er sah TierkXpfe, von Ebern, von Krokodilen, von Elefanten, von
Stieren, von VXgeln X er sah GXtter, sah Krischna, sah Agni X er sah alle
diese Gestalten und Gesichter in tausend Beziehungen zueinander, jede der
andern helfend, sie liebend, sie hassend, sie vernichtend, sie neu gebXrend,
jede war ein Sterbenwollen, ein leidenschaftlich schmerzliches Bekenntnis
der VergXnglichkeit, und keine starb doch, jede verwandelte sich nur, wurde
stets neu geboren, bekam stets ein neues Gesicht, ohne dass doch zwischen
einem und dem anderen Gesicht Zeit gelegen wXre X und alle diese Gestalten
und Gesichter ruhten, flossen, erzeugten sich, schwammen dahin und strXmten
ineinander, und Xber alle war bestXndig etwas DXnnes, Wesenloses, dennoch
Seiendes, wie ein dXnnes Glas oder Eis gezogen, wie eine durchsichtige Haut,
eine Schale oder Form oder Maske von Wasser, und diese Maske lXchelte, und
diese Maske war Siddharthas lXchelndes Gesicht, das er, Govinda, in eben
diesem selben Augenblick mit den Lippen berXhrte. Und, so sah Govinda, dies
LXcheln der Maske, dies LXcheln der Einheit Xber den strXmenden
Gestaltungen, dies LXcheln der Gleichzeitigkeit Xber den tausend Geburten
und Toten, dies LXcheln Siddharthas war genau dasselbe, war genau das
gleiche, stille, feine, undurchdringliche, vielleicht gXtige, vielleicht
spXttische, weise, tausendfXltige LXcheln Gotamas, des Buddha, wie er selbst
es hundertmal mit Ehrfurcht gesehen hatte. So, das wusste Govinda, lXchelten
die Vollendeten.
Nicht mehr wissend ob es Zeit gebe, ob diese Schauung eine Sekunde oder
hundert Jahre gewXhrt habe, nicht mehr wissend, ob es einen Siddhartha, ob
es einen Gotama, ob es Ich und Du gebe, im Innersten wie von einem
gXttlichen Pfeile verwundet, dessen Verwundung sX schmeckt, im Innersten
verzaubert und aufgelXst, stand Govinda noch eine kleine Weile, Xber
Siddharthas stilles Gesicht gebeugt, das er soeben gekXsst hatte, das soeben
Schauplatz aller Gestaltungen, alles Werdens, alles Seins gewesen war. Das
Antlitz war unverXndert, nachdem unter seiner OberflXche die Tiefe der
TausendfXltigkeit sich wieder geschlossen hatte, er lXchelte still, lXchelte
leise und sanft, vielleicht sehr gXtig, vielleicht sehr spXttisch, genau,
wie er gelXchelt hatte, der Erhabene.
Tief verneigte sich Govinda, TrXnen liefen, von welchen er nichts
wusste, Xber sein altes Gesicht, wie ein Feuer brannte das GefXhl der
innigsten Liebe, der demXtigsten Verehrung in seinem Herzen. Tief verneigte
er sich, bis zur Erde, vor dem regungslos Sitzenden, dessen LXcheln ihn an
alles erinnerte, was er in seinem Leben jemals geliebt hatte, was jemals in
seinem Leben ihm wert und heilig gewesen war.
’åêñò ïîäãîòîâèë è ñâåðèë ˆëüß ”ðàíê
’åêñòû â îðèãèíàëå íà àíãëèéñêîì, íåìåöêîì è äðóãèõ ßçûêàõ ñìîòðèòå â
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