nen
vereinzelt  groe,  graue,  verschliebare   Kisten  in  den  Fensternischen
standen.
     Eiserne Tìren mit Riegelstangen und kleinen, vergitterten Ausschnitten,
ìber jedem eine  Gasflamme,  zogen  sich in  ununterbrochener Reihe die Wand
entlang.
     Ein  hìnenhafter, soldatisch  aussehender Gefangenw€rter  -  das  erste
ehrliche Gesicht  seit  Stunden - sperrte eine der Tìren auf, schob  mich in
eine dunkle, schrankartige, pestilenzialisch stinkende  ffnung  und  schlo
hinter mir ab.
     Ich stand in vollkommener Finsternis und tappte mich zurecht.
     Mein Knie stie an einen Blechkìbel.
     Endlich erwischte ich - der Raum war so eng, da ich mich kaum umdrehen
konnte - eine Klinke, und stand in - einer Zelle.
     Je zwei und zwei Pritschen mit Strohs€cken an den Mauern.
     Der Durchgang dazwischen nur einen Schritt breit.
     Ein  Quadratmeter Gitterfenster hoch  oben  in der  Querwand  lie  den
matten Schein des Nachthimmels herein.
     Unertr€gliche Hitze, vom Geruch alter Kleider verpestete  Luft erfìllte
den Raum.
     Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewæhnt hatten, sah ich, da auf
drei  der  Pritschen  -  die   vierte  war   leer  -  Menschen   in   grauen
Str€flingskleidern  saen; die  Arme auf die Knie gestìtzt und die Gesichter
in den H€nden vergraben.
     Keiner sprach ein Wort.
     Ich setzte mich auf das leere Bett und wartete. Wartete. Wartete.
     Eine Stunde.
     Zwei - drei Stunden!
     Wenn ich drauen einen Schritt zu hæren glaubte, fuhr ich auf:
     Jetzt,  jetzt kam  man mich  holen,  um  mich  dem Untersuchungsrichter
vorzufìhren.
     Jedesmal war es eine  T€uschung gewesen. Immer wieder verloren sich die
Schritte auf dem Gang.
     Ich ri mir den Kragen auf - glaubte, ersticken zu mìssen.
     Ich hærte, wie ein Gefangener nach dem andern sich €chzend ausstreckte.
     "Kann man denn das Fenster  da oben  nicht aufmachen?", fragte ich voll
Verzweiflung laut  in  die Dunkelheit hinein. Ich  erschrak fast  vor meiner
eigenen Stimme.
     "Es geht net", antwortete es mìrrisch von einem der Strohs€cke herìber.
     Ich tastete trotzdem mit der Hand an der Schmalwand entlang:  ein Brett
in  Brusthæhe  lief quer  hin  -  - - zwei  Wasserkrìge  -  -  -  Stìcke von
Brotrinden.
     Mìhsam kletterte ich hinauf, hielt mich  an den Gitterst€ben und prete
das Gesicht an die Fensterritzen, um wenigstens etwas frische Luft zu atmen.
      So stand ich,  bis  mir die  Knie zitterten. Eintæniger,  schwarzgrauer
Nachtnebel vor meinen Augen.
     Die kalten Eisenst€be schwitzten.
     Es mute bald Mitternacht sein.
     Hinter mir  hærte ich schnarchen. Nur einer  schien  nicht  schlafen zu
kænnen: er warf sich hin und her auf dem Stroh und stæhnte manchmal halblaut
auf.
     Wollte denn der Morgen nicht endlich kommen?! Da! Es schlug wieder.
     Ich z€hlte mit bebenden Lippen:
     Eins, zwei, drei! - Gott sei Dank, nur noch wenige Stunden,  dann mute
die D€mmerung kommen. Es schlug weiter:
     Vier? fìnf? - Der Schwei trat mir  auf die Stirn. - Sechs!! - Sieben -
- - es war elf Uhr.
     Erst eine Stunde war vergangen, seit ich das letzte  Mal hatte schlagen
hæren.
     So stand ich,  bis  mir die  Knie zitterten. Eintæniger,  schwarzgrauer
Nachtnebel vor meinen Augen.
     Die kalten Eisenst€be schwitzten.
     Es mute bald Mitternacht sein.
     Hinter mir  hærte ich schnarchen. Nur einer  schien  nicht  schlafen zu
kænnen: er warf sich hin und her auf dem Stroh und stæhnte manchmal halblaut
auf.
     Wollte denn der Morgen nicht endlich kommen?! Da! Es schlug wieder.
     Ich z€hlte mit bebenden Lippen:
     Eins, zwei, drei! - Gott sei Dank, nur noch wenige Stunden,  dann mute
die D€mmerung kommen. Es schlug weiter:
     Vier? fìnf? - Der Schwei trat mir  auf die Stirn. - Sechs!! - Sieben -
- - es war elf Uhr.
     Erst eine Stunde war vergangen, seit ich das letzte  Mal hatte schlagen
hæren.
      Allm€hlich legten sich meine Gedanken zurecht:
     Wassertrum hat mir  die Uhr  des vermiten Zottmann zugespielt, um mich
in Verdacht zu bringen, einen Mord begangen zu haben. - Er mute also selbst
der  Mærder sein; wie h€tte er sonst  in den Besitz  der Uhr  kommen kænnen?
Wìrde er  die Leiche irgendwo gefunden und dann erst beraubt haben, h€tte er
sich bestimmt die  tausend Gulden Belohnung  geholt, die  fìr die Entdeckung
des Vermiten æffentlich ausgesetzt waren. - Das konnte aber nicht sein: die
Plakate klebten  noch immer an den Straenecken, wie ich deutlich auf meinem
Weg ins Gef€ngnis gesehen hatte. - - -
     Da der Trædler mich angezeigt haben mute, war klar.
     Ebenso:  da  er  mit  dem  Polizeirat, wenigstens was Angelina betraf,
unter einer Decke steckte. Wozu sonst das Verhær wegen Savioli?
     Andererseits ging daraus hervor,  da  Wassertrum Angelinas Briefe noch
nicht in H€nden hatte.
     Ich grìbelte nach - - -
     Mit einem Schlag stand  alles mit  entsetzlicher Deutlichkeit  vor mir,
als w€re ich selbst dabei gewesen.
     Ja; nur so konnte es sein: Wassertrum hatte meine eiserne  Kassette, in
der  er Beweise  vermutete, heimlich an sich  genommen,  als er  gerade  mit
seinen  Polizeikomplizen meine Wohnung  durchstæberte,  - konnte  sie  nicht
sogleich æffnen, da ich den Schlìssel bei mir trug, und war - - - vielleicht
gerade jetzt daran, sie in seiner Hæhle aufzubrechen.
     In  wahnsinniger  Verzweiflung  rìttelte  ich an den Gitterst€ben,  sah
Wassertrum im Geiste vor mir, wie er in Angelinas Briefen wìhlte -
     Wenn   ich  nur  Charousek  benachrichtigen  kænnte,  da   er  Savioli
wenigstens rechtzeitig warnen ging!
     Einen Augenblick klammerte ich mich  an die  Hoffnung, meine Verhaftung
mìsse bereits wie ein Lauffeuer in der Judenstadt bekannt geworden sein, und
ich  vertraute auf Charousek wie  auf  einen  rettenden Engel.  Gegen  seine
infernalische Schlauheit kam der Trædler nicht auf; "Ich werde ihn  genau in
der  Stunde  an der  Gurgel haben, in der er  Dr. Savioli an den Hals will",
hatte Charousek schon einmal gesagt.
     In der n€chsten Minute wieder verwarf  ich alles, und eine  wilde Angst
packte mich: Wie, wenn Charousek zu sp€t kam?
     Dann war Angelina verloren. - - -
     Ich  bi mir die  Lippen blutig und zerkrallte mir die  Brust aus Reue,
da ich die Briefe damals nicht sofort verbrannt hatte; -  - - ich schwor es
mir zu, Wassertrum noch in derselben Stunde aus der Welt zu schaffen, wo ich
wieder auf freiem Fu sein wìrde.
     Ob ich von eigener Hand starb oder am Galgen - was lag mir daran!
     Da  der Untersuchungsrichter meinen Worten glauben wìrde, wenn ich ihm
die Geschichte mit der Uhr  plausibel machte, ihm von Wassertrums  Drohungen
erz€hlte, - keinen Augenblick zweifelte ich daran.
     Bestimmt morgen  schon mute ich frei sein; zumindest wìrde das Gericht
auch Wassertrum wegen Mordverdachts verhaften lassen.
     Ich z€hlte die Stunden und betete, da  sie rascher  vergehen  mæchten;
starrte hinaus in den schw€rzlichen Dunst.
     Nach  uns€glich  langer  Zeit fing es endlich an, heller zu werden, und
zuerst  wie ein dunkler Fleck, dann immer deutlicher, tauchte ein kupfernes,
riesiges Gesicht  aus  dem Nebel: das Zifferblatt einer  alten Turmuhr. Doch
die Zeiger fehlten; - neuerliche Qual.
     Dann schlug es fìnf.
     Ich hærte, wie  die Gefangenen erwachten und  g€hnend eine Unterhaltung
in bæhmischer Sprache fìhrten.
     Eine Stimme kam  mir  bekannt  vor; ich  drehte mich um, stieg von  dem
Brett  herunter  und  -  sah  den blatternarbigen  Loisa auf  der  Pritsche,
gegenìber der meinigen, sitzen und mich verwundert anstarren.
     Die  beiden  anderen  waren  Gesellen  mit  verwegenen  Gesichtern  und
musterten mich geringsch€tzig.
     "Defraudant? Was?", fragte der eine halblaut seinen Kameraden und stie
ihn mit dem Ellenbogen an.
     Der  Gefragte  brummte  irgend  etwas  ver€chtlich,  kramte  in  seinem
Strohsack, holte ein schwarzes Papier hervor und legte es auf den Boden.
     Dann schìttete er aus dem Krug ein  wenig Wasser darauf, kniete nieder,
bespiegelte sich darin  und  k€mmte  sich  mit den Fingern das Haar  in  die
Stirn.
     Hierauf  trocknete  er  das  Papier  mit  z€rtlicher  Sorgfalt  ab  und
versteckte es wieder unter der Pritsche.
     "Pan  Pernath,  Pan   Pernath",  murmelte  Loisa  dabei  best€ndig  mit
aufgerissenen Augen vor sich hin, wie jemand, der ein Gespenst sieht.
     "Die  Herrschaften  kennen  einand,  wie  ich   bemerkæ",   sagte   der
Ungek€mmte,   dem   dies  auffiel,   in  dem   geschraubten  Dialekt   eines
tschechischen  Wieners  und machte  mir  spættisch  eine  halbe  Verbeugung:
"Erlaubens mich vorzustellen: Vãssatka ist mein Name. Der schwarze Vãssatka.
- Brandstiftung", setzte er eine Oktave tiefer stolz hinzu.
     Der Frisierte spuckte  zwischen den  Z€hnen durch,  blickte  mich  eine
Weile ver€chtlich an, deutete sich dann auf die Brust und sagte lakonisch:
     "Einbruch."
     Ich schwieg.
     "No, und zweng wos fìr einen Verdachtæ sin Sie hier, Herr Graf?" fragte
der Wiener nach einer Pause.
     Ich ìberlegte einen Moment, dann sagte ich ruhig: "Wegen Raubmord".
     Die beiden  fuhren verblìfft  auf, der  spættische  Ausdruck  auf ihren
Gesichtern machte einer Miene grenzenloser Hochachtung Platz, und sie riefen
fast wie aus einem Munde:
     "R€schp€kt, R€schp€kt."
     Als sie sahen, da ich keine Notiz  von ihnen nahm,  zogen sie sich  in
die Ecke zurìck und unterhielten sich flìsternd miteinander.
     Nur einmal stand  der Frisierte  auf, kam zu mir, prìfte schweigend die
Muskeln meines  Oberarms und  ging  dann  kopfschìttelnd  zu  seinem  Freund
zurìck.
     "Sie sind doch auch unter  dem Verdacht hier, den  Zottmann ermordet zu
haben?" fragte ich Loisa unauff€llig.
     Er nickte. "Ja, schon lang."
     Wieder vergingen einige Stunden.
     Ich schlo die Augen und stellte mich schlafend.
     "Herr  Pernath. Herr Pernath!" hærte  ich  plætzlich ganz  leise Loisas
Stimme.
     "Ja?" - - - Ich tat, als erwachte ich.
     "Herr  Pernath?, bitte entschuldigen Sie,  - bitte - bitte, wissen  Sie
nicht, was  die  Rosina macht?  -  Ist sie zu  Hause?", stotterte  der  arme
Bursche. Er tat  mir unendlich leid, wie er mit seinen entzìndeten  Augen an
meinen Lippen hing und vor Aufregung die H€nde verkrampfte.
     "Es geht ihr gut. Sie - sie ist jetzt Kellnerin beim - - alten Ungelt",
log ich.
     Ich sah, wie er erleichtert aufatmete.
     Allm€hlich legten sich meine Gedanken zurecht:
     Wassertrum hat mir  die Uhr  des vermiten Zottmann zugespielt, um mich
in Verdacht zu bringen, einen Mord begangen zu haben. - Er mute also selbst
der  Mærder sein; wie h€tte er sonst  in den Besitz  der Uhr  kommen kænnen?
Wìrde er  die Leiche irgendwo gefunden und dann erst beraubt haben, h€tte er
sich bestimmt die  tausend Gulden Belohnung  geholt, die  fìr die Entdeckung
des Vermiten æffentlich ausgesetzt waren. - Das konnte aber nicht sein: die
Plakate klebten  noch immer an den Straenecken, wie ich deutlich auf meinem
Weg ins Gef€ngnis gesehen hatte. - - -
     Da der Trædler mich angezeigt haben mute, war klar.
     Ebenso:  da  er  mit  dem  Polizeirat, wenigstens was Angelina betraf,
unter einer Decke steckte. Wozu sonst das Verhær wegen Savioli?
     Andererseits ging daraus hervor,  da  Wassertrum Angelinas Briefe noch
nicht in H€nden hatte.
     Ich grìbelte nach - - -
     Mit einem Schlag stand  alles mit  entsetzlicher Deutlichkeit  vor mir,
als w€re ich selbst dabei gewesen.
     Ja; nur so konnte es sein: Wassertrum hatte meine eiserne  Kassette, in
der  er Beweise  vermutete, heimlich an sich  genommen,  als er  gerade  mit
seinen  Polizeikomplizen meine Wohnung  durchstæberte,  - konnte  sie  nicht
sogleich æffnen, da ich den Schlìssel bei mir trug, und war - - - vielleicht
gerade jetzt daran, sie in seiner Hæhle aufzubrechen.
     In  wahnsinniger  Verzweiflung  rìttelte  ich an den Gitterst€ben,  sah
Wassertrum im Geiste vor mir, wie er in Angelinas Briefen wìhlte -
     Wenn   ich  nur  Charousek  benachrichtigen  kænnte,  da   er  Savioli
wenigstens rechtzeitig warnen ging!
     Einen Augenblick klammerte ich mich  an die  Hoffnung, meine Verhaftung
mìsse bereits wie ein Lauffeuer in der Judenstadt bekannt geworden sein, und
ich  vertraute auf Charousek wie  auf  einen  rettenden Engel.  Gegen  seine
infernalische Schlauheit kam der Trædler nicht auf; "Ich werde ihn  genau in
der  Stunde  an der  Gurgel haben, in der er  Dr. Savioli an den Hals will",
hatte Charousek schon einmal gesagt.
     In der n€chsten Minute wieder verwarf  ich alles, und eine  wilde Angst
packte mich: Wie, wenn Charousek zu sp€t kam?
     Dann war Angelina verloren. - - -
     Ich  bi mir die  Lippen blutig und zerkrallte mir die  Brust aus Reue,
da ich die Briefe damals nicht sofort verbrannt hatte; -  - - ich schwor es
mir zu, Wassertrum noch in derselben Stunde aus der Welt zu schaffen, wo ich
wieder auf freiem Fu sein wìrde.
     Ob ich von eigener Hand starb oder am Galgen - was lag mir daran!
     Da  der Untersuchungsrichter meinen Worten glauben wìrde, wenn ich ihm
die Geschichte mit der Uhr  plausibel machte, ihm von Wassertrums  Drohungen
erz€hlte, - keinen Augenblick zweifelte ich daran.
     Bestimmt morgen  schon mute ich frei sein; zumindest wìrde das Gericht
auch Wassertrum wegen Mordverdachts verhaften lassen.
     Ich z€hlte die Stunden und betete, da  sie rascher  vergehen  mæchten;
starrte hinaus in den schw€rzlichen Dunst.
     Nach  uns€glich  langer  Zeit fing es endlich an, heller zu werden, und
zuerst  wie ein dunkler Fleck, dann immer deutlicher, tauchte ein kupfernes,
riesiges Gesicht  aus  dem Nebel: das Zifferblatt einer  alten Turmuhr. Doch
die Zeiger fehlten; - neuerliche Qual.
     Dann schlug es fìnf.
     Ich hærte, wie  die Gefangenen erwachten und  g€hnend eine Unterhaltung
in bæhmischer Sprache fìhrten.
     Eine Stimme kam  mir  bekannt  vor; ich  drehte mich um, stieg von  dem
Brett  herunter  und  -  sah  den blatternarbigen  Loisa auf  der  Pritsche,
gegenìber der meinigen, sitzen und mich verwundert anstarren.
     Die  beiden  anderen  waren  Gesellen  mit  verwegenen  Gesichtern  und
musterten mich geringsch€tzig.
     "Defraudant? Was?", fragte der eine halblaut seinen Kameraden und stie
ihn mit dem Ellenbogen an.
     Der  Gefragte  brummte  irgend  etwas  ver€chtlich,  kramte  in  seinem
Strohsack, holte ein schwarzes Papier hervor und legte es auf den Boden.
     Dann schìttete er aus dem Krug ein  wenig Wasser darauf, kniete nieder,
bespiegelte sich darin  und  k€mmte  sich  mit den Fingern das Haar  in  die
Stirn.
     Hierauf  trocknete  er  das  Papier  mit  z€rtlicher  Sorgfalt  ab  und
versteckte es wieder unter der Pritsche.
     "Pan  Pernath,  Pan   Pernath",  murmelte  Loisa  dabei  best€ndig  mit
aufgerissenen Augen vor sich hin, wie jemand, der ein Gespenst sieht.
     "Die  Herrschaften  kennen  einand,  wie  ich   bemerkæ",   sagte   der
Ungek€mmte,   dem   dies  auffiel,   in  dem   geschraubten  Dialekt   eines
tschechischen  Wieners  und machte  mir  spættisch  eine  halbe  Verbeugung:
"Erlaubens mich vorzustellen: Vãssatka ist mein Name. Der schwarze Vãssatka.
- Brandstiftung", setzte er eine Oktave tiefer stolz hinzu.
     Der Frisierte spuckte  zwischen den  Z€hnen durch,  blickte  mich  eine
Weile ver€chtlich an, deutete sich dann auf die Brust und sagte lakonisch:
     "Einbruch."
     Ich schwieg.
     "No, und zweng wos fìr einen Verdachtæ sin Sie hier, Herr Graf?" fragte
der Wiener nach einer Pause.
     Ich ìberlegte einen Moment, dann sagte ich ruhig: "Wegen Raubmord".
     Die beiden  fuhren verblìfft  auf, der  spættische  Ausdruck  auf ihren
Gesichtern machte einer Miene grenzenloser Hochachtung Platz, und sie riefen
fast wie aus einem Munde:
     "R€schp€kt, R€schp€kt."
     Als sie sahen, da ich keine Notiz  von ihnen nahm,  zogen sie sich  in
die Ecke zurìck und unterhielten sich flìsternd miteinander.
     Nur einmal stand  der Frisierte  auf, kam zu mir, prìfte schweigend die
Muskeln meines  Oberarms und  ging  dann  kopfschìttelnd  zu  seinem  Freund
zurìck.
     "Sie sind doch auch unter  dem Verdacht hier, den  Zottmann ermordet zu
haben?" fragte ich Loisa unauff€llig.
     Er nickte. "Ja, schon lang."
     Wieder vergingen einige Stunden.
     Ich schlo die Augen und stellte mich schlafend.
     "Herr  Pernath. Herr Pernath!" hærte  ich  plætzlich ganz  leise Loisas
Stimme.
     "Ja?" - - - Ich tat, als erwachte ich.
     "Herr  Pernath?, bitte entschuldigen Sie,  - bitte - bitte, wissen  Sie
nicht, was  die  Rosina macht?  -  Ist sie zu  Hause?", stotterte  der  arme
Bursche. Er tat  mir unendlich leid, wie er mit seinen entzìndeten  Augen an
meinen Lippen hing und vor Aufregung die H€nde verkrampfte.
     "Es geht ihr gut. Sie - sie ist jetzt Kellnerin beim - - alten Ungelt",
log ich.
     Ich sah, wie er erleichtert aufatmete.
      Zwei Str€flinge hatten auf einem Brett Blechtæpfe mit heiem Wurstabsud
stumm hereingebracht  und drei davon in  die Zelle  gestellt,  dann knallten
nach einigen Stunden abermals  die  Riegel und der Aufseher fìhrte  mich zum
Untersuchungsrichter.
     Mir schlotterten die  Knie  vor  Erwartung,  wie wir  treppauf, treppab
schritten.
     "Glauben Sie, ist es mæglich, da ich  heute noch freigelassen werde?",
fragte ich den Aufseher beklommen.
     Ich sah, wie er mitleidig ein L€cheln unterdrìckte. "Hm. Heute noch? Hm
- - Gott, - mæglich ist ja alles." -
     Mir wurde eiskalt.
     Wieder las ich eine Porzellantafel an einer Tìr und einen Namen:
        KARL FREIHERR VON LEISETRETER
        Untersuchungsrichter
     Wieder  ein  schmuckloses  Zimmer und zwei  Schreibpulte mit meterhohen
Aufs€tzen.
     Ein  alter,  groer  Mann mit  weiem,  geteiltem  Vollbart,  schwarzem
Gehrock, roten, wulstigen Lippen, knarrenden Stiefeln.
     "Sie sind Herr Pernath?"
     "Jawohl."
     "Gemmenschneider?"
     "Jawohl."
     "Zelle Nr. 70?"
     "Jawohl."
     "Des Mordes an Zottmann verd€chtig?"
     "Ich bitte, Herr Untersuchungsrichter - -"
     "Des Mordes an Zottmann verd€chtig?"
     "Wahrscheinlich. Wenigstens vermute ich es. Aber - -"
     "Gest€ndig?"
     "Was  soll  ich denn gestehen, Herr Untersuchungsrichter, ich  bin doch
unschuldig!"
     "Gest€ndig?"
     "Nein."
     "Dann  verh€nge ich Untersuchungshaft ìber Sie. -  Fìhren Sie den  Mann
hinaus, Gefangenw€rter."
     "Bitte, so hæren Sie mich doch an, Herr Untersuchungsrichter, - ich mu
unbedingt heute noch zu Hause sein. Ich habe wichtige Dinge zu veranlassen -
-"
     Hinter dem zweiten Schreibtisch meckerte jemand.
     Der Herr Baron schmunzelte. -
     "Fìhren Sie den Mann hinaus, Gefangenw€rter."
     Zwei Str€flinge hatten auf einem Brett Blechtæpfe mit heiem Wurstabsud
stumm hereingebracht  und drei davon in  die Zelle  gestellt,  dann knallten
nach einigen Stunden abermals  die  Riegel und der Aufseher fìhrte  mich zum
Untersuchungsrichter.
     Mir schlotterten die  Knie  vor  Erwartung,  wie wir  treppauf, treppab
schritten.
     "Glauben Sie, ist es mæglich, da ich  heute noch freigelassen werde?",
fragte ich den Aufseher beklommen.
     Ich sah, wie er mitleidig ein L€cheln unterdrìckte. "Hm. Heute noch? Hm
- - Gott, - mæglich ist ja alles." -
     Mir wurde eiskalt.
     Wieder las ich eine Porzellantafel an einer Tìr und einen Namen:
        KARL FREIHERR VON LEISETRETER
        Untersuchungsrichter
     Wieder  ein  schmuckloses  Zimmer und zwei  Schreibpulte mit meterhohen
Aufs€tzen.
     Ein  alter,  groer  Mann mit  weiem,  geteiltem  Vollbart,  schwarzem
Gehrock, roten, wulstigen Lippen, knarrenden Stiefeln.
     "Sie sind Herr Pernath?"
     "Jawohl."
     "Gemmenschneider?"
     "Jawohl."
     "Zelle Nr. 70?"
     "Jawohl."
     "Des Mordes an Zottmann verd€chtig?"
     "Ich bitte, Herr Untersuchungsrichter - -"
     "Des Mordes an Zottmann verd€chtig?"
     "Wahrscheinlich. Wenigstens vermute ich es. Aber - -"
     "Gest€ndig?"
     "Was  soll  ich denn gestehen, Herr Untersuchungsrichter, ich  bin doch
unschuldig!"
     "Gest€ndig?"
     "Nein."
     "Dann  verh€nge ich Untersuchungshaft ìber Sie. -  Fìhren Sie den  Mann
hinaus, Gefangenw€rter."
     "Bitte, so hæren Sie mich doch an, Herr Untersuchungsrichter, - ich mu
unbedingt heute noch zu Hause sein. Ich habe wichtige Dinge zu veranlassen -
-"
     Hinter dem zweiten Schreibtisch meckerte jemand.
     Der Herr Baron schmunzelte. -
     "Fìhren Sie den Mann hinaus, Gefangenw€rter."
      Tag um Tag schlich dahin, Woche um Woche, und immer noch sa ich in der
Zelle.
     Um zwælf Uhr  durften wir t€glich hinunter in den  Gef€ngnishof und mit
anderen Untersuchungsgefangenen und Str€flingen zu zweit 40 Minuten im Kreis
herumgehen auf der nassen Erde.
     Miteinander zu reden, war verboten.
     In der Mitte des Platzes stand ein  kahler, sterbender Baum, in  dessen
Rinde ein ovales Glasbild der Muttergottes eingewachsen war.
     An  den  Mauern  wuchsen kìmmerliche Ligusterstauden, die  Bl€tter fast
schwarz vom fallenden Ru.
     Ringsum die  Gitter  der  Zellen, aus  denen  zuweilen  ein  kittgraues
Gesicht mit blutleeren Lippen herunterschaute.
     Dann ging's  wieder hinauf in die gewohnten  Grìfte zu Brot, Wasser und
Wurstabsud und sonntags zu faulenden Linsen.
     Erst einmal war ich wieder vernommen worden:
     Ob  ich  Zeugen  h€tte,  da mir  "Herr"  Wassertrum angeblich  die Uhr
geschenkt habe?
     "Ja: Herrn Schemajah Hillel  - - das heit - nein" (ich erinnerte mich,
er  war nicht dabei gewesen) - - "aber Herr Charousek" - (nein, auch er  war
ja nicht dabei).
     "Kurz: also niemand war dabei?"
     "Nein, niemand war dabei, Herr Untersuchungsrichter."
     Wieder das Gemecker hinter dem Schreibtisch und wieder das:
     "Fìhren Sie den Mann hinaus, Gefangenw€rter!" - - -
     Meine Besorgnis um Angelina war einer dumpfen Resignation gewichen: Der
Zeitpunkt, wo ich um sie zittern  mute,  war vorìber. Entweder  Wassertrums
Racheplan war l€ngst geglìckt, oder Charousek hatte eingegriffen, sagte  ich
mir.
     Aber die Sorge um Mirjam trieb mich jetzt fast zum Wahnsinn.
     Ich stellte mir vor,  wie sie Stunde um Stunde darauf wartete, da sich
das  Wunder  erneuere,  -  wie  sie frìh am  Morgen,  wenn  der B€cker  kam,
hinauslief  und  mit  bebenden  H€nden  das  Brot  untersuchte,  -  wie  sie
vielleicht um meinetwillen vor Angst verging.
     Oft  in  der Nacht peitschte es mich aus dem Schlaf, und ich  stieg auf
das  Wandbrett und starrte empor zu  dem  kupfernen  Gesicht der Turmuhr und
verzehrte  mich in dem Wunsch, meine Gedanken mæchten zu Hillel  dringen und
ihm ins Ohr  schreien, er solle Mirjam  helfen  und sie erlæsen von der Qual
des Hoffens auf ein Wunder.
     Dann wieder warf ich mich auf das Stroh und hielt den Atem an, bis  mir
die Brust fast  zersprang, -  um das  Bild meines  Doppelg€ngers vor mich zu
zwingen, damit ich ihn zu ihr schicken kænnte als einen Trost.
     Und  einmal  war  er  auch  erschienen  neben  meinem  Lager  mit   den
Buchstaben: Chabrat Zereh  Aur  Bocher in Spiegelschrift auf der Brust,  und
ich wollte aufschreien vor Jubel, da jetzt alles wieder gut wìrde,  aber er
war in den Boden versunken, noch ehe ich ihm den Befehl geben konnte, Mirjam
zu erscheinen. - - -
     Da ich so gar keine Nachricht bekam von meinen Freunden!
     Ob  es denn verboten sei,  einem Briefe zu  schicken? fragte ich  meine
Zellengenossen.
     Sie wuten es nicht.
     Sie h€tten noch nie welche bekommen - allerdings w€re  auch niemand da,
der ihnen schreiben kænnte, sagten sie.
     Der Gefangenw€rter versprach mir, sich gelegentlich zu erkundigen.
     Meine  N€gel  waren  rissig  geworden   vom  Abbeien   und  mein  Haar
verwildert, denn Schere, Kamm und Bìrste gab es nicht.
     Auch kein Wasser zum Waschen.
     Fast ununterbrochen k€mpfte  ich mit Brechreiz, denn der Wurstabsud war
mit  Soda gewìrzt  statt  mit Salz.  - -  Eine  Gef€ngnisvorschrift, um  dem
"berhandnehmen des Geschlechtstriebs vorzubeugen."
     Die Zeit verging in grauer, furchtbarer Eintænigkeit.
     Drehte sich wie im Kreis wie ein Rad der Qual.
     Da gab es die gewissen  Momente, die jeder von uns kannte, wo plætzlich
einer oder der andere aufsprang und stundenlang auf und nieder lief  wie ein
wildes Tier, um sich dann wieder gebrochen auf die Pritsche fallen zu lassen
und stumpfsinnig weiter zu warten - zu warten - zu warten.
     Wenn der Abend kam, zogen die Wanzen in Scharen gleich Ameisen ìber die
W€nde  und  ich  fragte mich  erstaunt, warum denn der  Kerl  in  S€bel  und
Unterhosen mich  so gewissenhaft ausgeforscht  habe, ob ich kein  Ungeziefer
h€tte.
     Fìrchtete  man  vielleicht  im Landesgericht,  es  kænne  eine Kreuzung
fremder Insektenrassen entstehen?
     Mittwoch  vormittags  kam  gewæhnlich  ein   Schweinskopf   herein  mit
Schlapphut  und zuckenden Hosenbeinen: der Gef€ngnisarzt Dr. Rosenblatt, und
ìberzeugte sich, da alle vor Gesundheit strotzten.
     Und wenn einer sich beschwerte, gleichgìltig worìber, so verschrieb  er
- Zinksalbe zum Einreiben der Brust.
     Einmal  kam auch der  Landgerichtspr€sident  mit - ein hochgewachsener,
parfìmierter Halunke der "guten Gesellschaft",  dem die gemeinsten Laster im
Gesicht geschrieben standen,  und sah nach, ob - alles  in  Ordnung sei: "ob
sich noch immer kaner derhenkt hobe", wie sich der Frisierte ausdrìckte.
     Ich war auf ihn zugetreten, um ihm  eine Bitte vorzutragen, da hatte er
einen  Satz  hinter  den  Gefangenw€rter  gemacht  und  mir  einen  Revolver
vorgehalten. - "Was ich denn wolle", schrie er mich an.
     Ob Briefe fìr  mich  da  seien, fragte ich hæflich. Statt  der  Antwort
bekam  ich einen Sto  vor die  Brust vom  Herrn Dr.  Rosenblatt, der gleich
darauf das Weite suchte. Auch der Herr Pr€sident zog  sich zurìck und hæhnte
durch den Tìrausschnitt:  - ich solle  lieber den Mord gestehen. Eher bek€me
ich in diesem Leben keine Briefe.
     Tag um Tag schlich dahin, Woche um Woche, und immer noch sa ich in der
Zelle.
     Um zwælf Uhr  durften wir t€glich hinunter in den  Gef€ngnishof und mit
anderen Untersuchungsgefangenen und Str€flingen zu zweit 40 Minuten im Kreis
herumgehen auf der nassen Erde.
     Miteinander zu reden, war verboten.
     In der Mitte des Platzes stand ein  kahler, sterbender Baum, in  dessen
Rinde ein ovales Glasbild der Muttergottes eingewachsen war.
     An  den  Mauern  wuchsen kìmmerliche Ligusterstauden, die  Bl€tter fast
schwarz vom fallenden Ru.
     Ringsum die  Gitter  der  Zellen, aus  denen  zuweilen  ein  kittgraues
Gesicht mit blutleeren Lippen herunterschaute.
     Dann ging's  wieder hinauf in die gewohnten  Grìfte zu Brot, Wasser und
Wurstabsud und sonntags zu faulenden Linsen.
     Erst einmal war ich wieder vernommen worden:
     Ob  ich  Zeugen  h€tte,  da mir  "Herr"  Wassertrum angeblich  die Uhr
geschenkt habe?
     "Ja: Herrn Schemajah Hillel  - - das heit - nein" (ich erinnerte mich,
er  war nicht dabei gewesen) - - "aber Herr Charousek" - (nein, auch er  war
ja nicht dabei).
     "Kurz: also niemand war dabei?"
     "Nein, niemand war dabei, Herr Untersuchungsrichter."
     Wieder das Gemecker hinter dem Schreibtisch und wieder das:
     "Fìhren Sie den Mann hinaus, Gefangenw€rter!" - - -
     Meine Besorgnis um Angelina war einer dumpfen Resignation gewichen: Der
Zeitpunkt, wo ich um sie zittern  mute,  war vorìber. Entweder  Wassertrums
Racheplan war l€ngst geglìckt, oder Charousek hatte eingegriffen, sagte  ich
mir.
     Aber die Sorge um Mirjam trieb mich jetzt fast zum Wahnsinn.
     Ich stellte mir vor,  wie sie Stunde um Stunde darauf wartete, da sich
das  Wunder  erneuere,  -  wie  sie frìh am  Morgen,  wenn  der B€cker  kam,
hinauslief  und  mit  bebenden  H€nden  das  Brot  untersuchte,  -  wie  sie
vielleicht um meinetwillen vor Angst verging.
     Oft  in  der Nacht peitschte es mich aus dem Schlaf, und ich  stieg auf
das  Wandbrett und starrte empor zu  dem  kupfernen  Gesicht der Turmuhr und
verzehrte  mich in dem Wunsch, meine Gedanken mæchten zu Hillel  dringen und
ihm ins Ohr  schreien, er solle Mirjam  helfen  und sie erlæsen von der Qual
des Hoffens auf ein Wunder.
     Dann wieder warf ich mich auf das Stroh und hielt den Atem an, bis  mir
die Brust fast  zersprang, -  um das  Bild meines  Doppelg€ngers vor mich zu
zwingen, damit ich ihn zu ihr schicken kænnte als einen Trost.
     Und  einmal  war  er  auch  erschienen  neben  meinem  Lager  mit   den
Buchstaben: Chabrat Zereh  Aur  Bocher in Spiegelschrift auf der Brust,  und
ich wollte aufschreien vor Jubel, da jetzt alles wieder gut wìrde,  aber er
war in den Boden versunken, noch ehe ich ihm den Befehl geben konnte, Mirjam
zu erscheinen. - - -
     Da ich so gar keine Nachricht bekam von meinen Freunden!
     Ob  es denn verboten sei,  einem Briefe zu  schicken? fragte ich  meine
Zellengenossen.
     Sie wuten es nicht.
     Sie h€tten noch nie welche bekommen - allerdings w€re  auch niemand da,
der ihnen schreiben kænnte, sagten sie.
     Der Gefangenw€rter versprach mir, sich gelegentlich zu erkundigen.
     Meine  N€gel  waren  rissig  geworden   vom  Abbeien   und  mein  Haar
verwildert, denn Schere, Kamm und Bìrste gab es nicht.
     Auch kein Wasser zum Waschen.
     Fast ununterbrochen k€mpfte  ich mit Brechreiz, denn der Wurstabsud war
mit  Soda gewìrzt  statt  mit Salz.  - -  Eine  Gef€ngnisvorschrift, um  dem
"berhandnehmen des Geschlechtstriebs vorzubeugen."
     Die Zeit verging in grauer, furchtbarer Eintænigkeit.
     Drehte sich wie im Kreis wie ein Rad der Qual.
     Da gab es die gewissen  Momente, die jeder von uns kannte, wo plætzlich
einer oder der andere aufsprang und stundenlang auf und nieder lief  wie ein
wildes Tier, um sich dann wieder gebrochen auf die Pritsche fallen zu lassen
und stumpfsinnig weiter zu warten - zu warten - zu warten.
     Wenn der Abend kam, zogen die Wanzen in Scharen gleich Ameisen ìber die
W€nde  und  ich  fragte mich  erstaunt, warum denn der  Kerl  in  S€bel  und
Unterhosen mich  so gewissenhaft ausgeforscht  habe, ob ich kein  Ungeziefer
h€tte.
     Fìrchtete  man  vielleicht  im Landesgericht,  es  kænne  eine Kreuzung
fremder Insektenrassen entstehen?
     Mittwoch  vormittags  kam  gewæhnlich  ein   Schweinskopf   herein  mit
Schlapphut  und zuckenden Hosenbeinen: der Gef€ngnisarzt Dr. Rosenblatt, und
ìberzeugte sich, da alle vor Gesundheit strotzten.
     Und wenn einer sich beschwerte, gleichgìltig worìber, so verschrieb  er
- Zinksalbe zum Einreiben der Brust.
     Einmal  kam auch der  Landgerichtspr€sident  mit - ein hochgewachsener,
parfìmierter Halunke der "guten Gesellschaft",  dem die gemeinsten Laster im
Gesicht geschrieben standen,  und sah nach, ob - alles  in  Ordnung sei: "ob
sich noch immer kaner derhenkt hobe", wie sich der Frisierte ausdrìckte.
     Ich war auf ihn zugetreten, um ihm  eine Bitte vorzutragen, da hatte er
einen  Satz  hinter  den  Gefangenw€rter  gemacht  und  mir  einen  Revolver
vorgehalten. - "Was ich denn wolle", schrie er mich an.
     Ob Briefe fìr  mich  da  seien, fragte ich hæflich. Statt  der  Antwort
bekam  ich einen Sto  vor die  Brust vom  Herrn Dr.  Rosenblatt, der gleich
darauf das Weite suchte. Auch der Herr Pr€sident zog  sich zurìck und hæhnte
durch den Tìrausschnitt:  - ich solle  lieber den Mord gestehen. Eher bek€me
ich in diesem Leben keine Briefe.
      Ich hatte mich l€ngst an  die  schlechte Luft und die Hitze gewæhnt und
fræstelte best€ndig. Selbst, wenn die Sonne schien.
     Zwei  der  Gefangenen hatten schon  einige Male  gewechselt,  aber  ich
achtete  nicht  darauf.  Diese  Woche  waren  es  ein  Taschendieb  und  ein
Wegelagerer,  das  n€chste  Mal  ein  Falschmìnzer  oder   ein  Hehler,  die
hereingefìhrt wurden.
     Was ich gestern erlebte, war heute vergessen.
     Gegen  das  Wìhlen  der   Sorge  um   Mirjam  verblaten  alle  €ueren
Begebenheiten.
     Nur ein Ereignis  hatte sich mir tiefer eingepr€gt - es  verfolgte mich
zuweilen als Zerrbild bis in den Traum:
     Ich hatte  auf  dem Wandbrett gestanden,  um hinauf in  den  Himmel  zu
starren,  da fìhlte  ich plætzlich,  da mich ein spitzer Gegenstand  in die
Hìfte  stach, und  als  ich nachsah,  bemerkte ich, da es die Feile gewesen
war, die sich  mir durch die  Tasche zwischen Rock und Futter gebohrt hatte.
Sie  mute schon  lange dort gesteckt haben, sonst h€tte sie der Mann in der
Flurstube gewi bemerkt.
     Ich zog sie heraus und warf sie achtlos auf meinen Strohsack.
     Als  ich dann  herunterstieg, war  sie verschwunden, und ich  zweifelte
keinen Augenblick, da nur Loisa sie genommen haben konnte.
     Einige Tage  sp€ter  holte man ihn aus  der  Zelle,  um ihn einen Stock
tiefer unterzubringen.
     Es  dìrfe nicht  sein, da zwei  Untersuchungsgefangene, die  desselben
Verbrechens beschuldigt w€ren, wie er und ich,  in der gleichen Zelle s€en,
hatte der Gefangenw€rter gesagt.
     Aus ganzem Herzen wìnschte ich, es mæchte dem armen Burschen  gelingen,
sich mit Hilfe der Feile zu befreien.
        Mai
     Auf meine Frage, welches Datum denn w€re - die Sonne schien so warm wie
im  Hochsommer  und der mìde Baum im Hof trieb ein paar Knospen - hatte  der
Gefangenw€rter zuerst  geschwiegen, dann aber mir  zugeflìstert, es  sei der
15. Mai. Eigentlich  dìrfe er es nicht sagen,  denn es sei verboten, mit den
Gefangenen  zu sprechen, - insbesondere solche,  die  noch  nicht  gestanden
h€tten, mìten hinsichtlich der Zeit im unklaren gehalten werden.
     Drei volle Monate war ich  also schon im Gef€ngnis und noch immer keine
Nachricht aus der Welt da drauen!
     Ich hatte mich l€ngst an  die  schlechte Luft und die Hitze gewæhnt und
fræstelte best€ndig. Selbst, wenn die Sonne schien.
     Zwei  der  Gefangenen hatten schon  einige Male  gewechselt,  aber  ich
achtete  nicht  darauf.  Diese  Woche  waren  es  ein  Taschendieb  und  ein
Wegelagerer,  das  n€chste  Mal  ein  Falschmìnzer  oder   ein  Hehler,  die
hereingefìhrt wurden.
     Was ich gestern erlebte, war heute vergessen.
     Gegen  das  Wìhlen  der   Sorge  um   Mirjam  verblaten  alle  €ueren
Begebenheiten.
     Nur ein Ereignis  hatte sich mir tiefer eingepr€gt - es  verfolgte mich
zuweilen als Zerrbild bis in den Traum:
     Ich hatte  auf  dem Wandbrett gestanden,  um hinauf in  den  Himmel  zu
starren,  da fìhlte  ich plætzlich,  da mich ein spitzer Gegenstand  in die
Hìfte  stach, und  als  ich nachsah,  bemerkte ich, da es die Feile gewesen
war, die sich  mir durch die  Tasche zwischen Rock und Futter gebohrt hatte.
Sie  mute schon  lange dort gesteckt haben, sonst h€tte sie der Mann in der
Flurstube gewi bemerkt.
     Ich zog sie heraus und warf sie achtlos auf meinen Strohsack.
     Als  ich dann  herunterstieg, war  sie verschwunden, und ich  zweifelte
keinen Augenblick, da nur Loisa sie genommen haben konnte.
     Einige Tage  sp€ter  holte man ihn aus  der  Zelle,  um ihn einen Stock
tiefer unterzubringen.
     Es  dìrfe nicht  sein, da zwei  Untersuchungsgefangene, die  desselben
Verbrechens beschuldigt w€ren, wie er und ich,  in der gleichen Zelle s€en,
hatte der Gefangenw€rter gesagt.
     Aus ganzem Herzen wìnschte ich, es mæchte dem armen Burschen  gelingen,
sich mit Hilfe der Feile zu befreien.
        Mai
     Auf meine Frage, welches Datum denn w€re - die Sonne schien so warm wie
im  Hochsommer  und der mìde Baum im Hof trieb ein paar Knospen - hatte  der
Gefangenw€rter zuerst  geschwiegen, dann aber mir  zugeflìstert, es  sei der
15. Mai. Eigentlich  dìrfe er es nicht sagen,  denn es sei verboten, mit den
Gefangenen  zu sprechen, - insbesondere solche,  die  noch  nicht  gestanden
h€tten, mìten hinsichtlich der Zeit im unklaren gehalten werden.
     Drei volle Monate war ich  also schon im Gef€ngnis und noch immer keine
Nachricht aus der Welt da drauen!
      Wenn  es  Abend wurde,  drangen leise Kl€nge eines  Klaviers durch  das
Gitterfenster, das jetzt an warmen Tagen offen war.
     Die  Tochter  des  Beschlieers  unten spiele,  hatte mir ein Str€fling
gesagt.
     Tag und Nacht tr€umte ich von Mirjam.
     Wie es ihr wohl ging?!
     Zuzeiten hatte ich das træstliche  Gefìhl, als seien meine  Gedanken zu
ihr gedrungen  und  stìnden an ihrem Bette, w€hrend sie  schlief, und legten
ihr lindernd die Hand auf die Stirne.
     Dann wieder, in Momenten der  Hoffnungslosigkeit,  wenn einer nach  dem
andern meiner Zellengenossen  zum Verhær gefuhrt  wurde, - nur  ich nicht, -
drosselte mich eine dumpfe Furcht, sie sei vielleicht schon lange tot.
     Da stellte ich dann Fragen an  das Schicksal,  ob sie  noch  lebe  oder
nicht, krank sei oder gesund, und  die Anzahl einer Handvoll  Halme, die ich
aus dem Strohsack ri, sollte mir Antwort geben.
     Und fast jedesmal "ging  es  schlecht aus",  und ich  wìhlte in  meinem
Innern  nach einem Blick in die Zukunft; - suchte  meine Seele, die  mir das
Geheimnis verbarg, zu ìberlisten durch die scheinbar abseits liegende Frage,
ob wohl fìr mich dereinst noch ein Tag kommen wìrde,  wo ich heiter sein und
wieder lachen kænnte.
     Immer  bejahte das  Orakel in solchen  F€llen, und  dann  war ich  eine
Stunde lang glìcklich und froh.
     Wie eine Pflanze heimlich w€chst und sprot, war allm€hlich in mir eine
unbegreifliche, tiefe  Liebe zu Mirjam erwacht, und ich fate es  nicht, da
ich so  oft hatte bei  ihr  sitzen und mit ihr reden kænnen, ohne mir damals
schon klar darìber geworden zu sein.
     Der zitternde Wunsch, da auch sie mit gleichen Gefìhlen an mich denken
mæchte,  steigerte  sich in  solchen  Augenblicken  oft  bis zur Ahnung  der
Gewiheit,  und  wenn  ich  dann auf dem Gange  drauen einen Schritt hærte,
fìrchtete ich mich  beinahe  davor, man kænnte mich holen und freilassen und
mein  Traum  wìrde  in  der groben  Wirklichkeit  der  Auenwelt  in  nichts
zerrinnen.
     Mein Ohr war  in  der langen Zeit der Haft so scharf  geworden, da ich
auch das leiseste Ger€usch vernahm.
     Jedesmal  bei  Anbruch  der  Nacht  hærte ich in  der Ferne einen Wagen
fahren und zergrìbelte mir den Kopf, wer wohl dann sitzen mæchte.
     Es lag etwas seltsam Fremdartiges in dem Gedanken,  da es Menschen gab
da drauen, die  tun und lassen durften, was sie wollten, -  die  sich  frei
bewegen  konnten  und  da und  dort  hingehen,  und  es  dennoch  nicht  als
unbeschreiblichen Jubel empfanden.
     Da  auch ich jemals wieder so  glìcklich werden wìrde, im Sonnenschein
durch die Straen wandern zu kænnen; - - ich war nicht mehr imstande, es mir
vorzustellen.
     Der Tag, an dem ich Angelina in den Armen gehalten,  schien  mir  einem
l€ngstverflossenen Dasein anzugehæren; - ich dachte daran  zurìck mit  jener
leisen Wehmut, wie sie einen beschleicht, wenn  man ein  Buch aufschl€gt und
findet  dann welke Blumen, die einst  die Geliebte der Jugendjahre  getragen
hat.
     Ob wohl  der alte Zwakh  noch immer Abend fìr Abend mit Vrieslander und
Prokop  beim  "Ungelt" sa  und  der vertrockneten Eulalia  das  Hirn konfus
machte?
     Nein, es  war  doch Mai: - die Zeit, wo er mit seinem Marionettenkasten
durch  die Provinznester zog und  auf grìnen Wiesen vor den Toren den Ritter
Blaubart spielte.
     Wenn  es  Abend wurde,  drangen leise Kl€nge eines  Klaviers durch  das
Gitterfenster, das jetzt an warmen Tagen offen war.
     Die  Tochter  des  Beschlieers  unten spiele,  hatte mir ein Str€fling
gesagt.
     Tag und Nacht tr€umte ich von Mirjam.
     Wie es ihr wohl ging?!
     Zuzeiten hatte ich das træstliche  Gefìhl, als seien meine  Gedanken zu
ihr gedrungen  und  stìnden an ihrem Bette, w€hrend sie  schlief, und legten
ihr lindernd die Hand auf die Stirne.
     Dann wieder, in Momenten der  Hoffnungslosigkeit,  wenn einer nach  dem
andern meiner Zellengenossen  zum Verhær gefuhrt  wurde, - nur  ich nicht, -
drosselte mich eine dumpfe Furcht, sie sei vielleicht schon lange tot.
     Da stellte ich dann Fragen an  das Schicksal,  ob sie  noch  lebe  oder
nicht, krank sei oder gesund, und  die Anzahl einer Handvoll  Halme, die ich
aus dem Strohsack ri, sollte mir Antwort geben.
     Und fast jedesmal "ging  es  schlecht aus",  und ich  wìhlte in  meinem
Innern  nach einem Blick in die Zukunft; - suchte  meine Seele, die  mir das
Geheimnis verbarg, zu ìberlisten durch die scheinbar abseits liegende Frage,
ob wohl fìr mich dereinst noch ein Tag kommen wìrde,  wo ich heiter sein und
wieder lachen kænnte.
     Immer  bejahte das  Orakel in solchen  F€llen, und  dann  war ich  eine
Stunde lang glìcklich und froh.
     Wie eine Pflanze heimlich w€chst und sprot, war allm€hlich in mir eine
unbegreifliche, tiefe  Liebe zu Mirjam erwacht, und ich fate es  nicht, da
ich so  oft hatte bei  ihr  sitzen und mit ihr reden kænnen, ohne mir damals
schon klar darìber geworden zu sein.
     Der zitternde Wunsch, da auch sie mit gleichen Gefìhlen an mich denken
mæchte,  steigerte  sich in  solchen  Augenblicken  oft  bis zur Ahnung  der
Gewiheit,  und  wenn  ich  dann auf dem Gange  drauen einen Schritt hærte,
fìrchtete ich mich  beinahe  davor, man kænnte mich holen und freilassen und
mein  Traum  wìrde  in  der groben  Wirklichkeit  der  Auenwelt  in  nichts
zerrinnen.
     Mein Ohr war  in  der langen Zeit der Haft so scharf  geworden, da ich
auch das leiseste Ger€usch vernahm.
     Jedesmal  bei  Anbruch  der  Nacht  hærte ich in  der Ferne einen Wagen
fahren und zergrìbelte mir den Kopf, wer wohl dann sitzen mæchte.
     Es lag etwas seltsam Fremdartiges in dem Gedanken,  da es Menschen gab
da drauen, die  tun und lassen durften, was sie wollten, -  die  sich  frei
bewegen  konnten  und  da und  dort  hingehen,  und  es  dennoch  nicht  als
unbeschreiblichen Jubel empfanden.
     Da  auch ich jemals wieder so  glìcklich werden wìrde, im Sonnenschein
durch die Straen wandern zu kænnen; - - ich war nicht mehr imstande, es mir
vorzustellen.
     Der Tag, an dem ich Angelina in den Armen gehalten,  schien  mir  einem
l€ngstverflossenen Dasein anzugehæren; - ich dachte daran  zurìck mit  jener
leisen Wehmut, wie sie einen beschleicht, wenn  man ein  Buch aufschl€gt und
findet  dann welke Blumen, die einst  die Geliebte der Jugendjahre  getragen
hat.
     Ob wohl  der alte Zwakh  noch immer Abend fìr Abend mit Vrieslander und
Prokop  beim  "Ungelt" sa  und  der vertrockneten Eulalia  das  Hirn konfus
machte?
     Nein, es  war  doch Mai: - die Zeit, wo er mit seinem Marionettenkasten
durch  die Provinznester zog und  auf grìnen Wiesen vor den Toren den Ritter
Blaubart spielte.
      Ich  sa  allein  in  der Zelle. -  Vãssatka,  der  Brandstifter,  mein
einziger  Gef€hrte  seit   einer  Woche,  war  vor  ein  paar   Stunden  zum
Untersuchungsrichter geholt worden.
     Merkwìrdig lange dauerte diesmal sein Verhær.
     Da.   Die   eiserne  Vorlegestange  klirrte   an  der   Tìr.  Und   mit
freudestrahlender Miene stìrmte Vãssatka herein, warf ein Bìndel Kleider auf
die Pritsche und begann, sich mit Windeseile umzukleiden.
     Den  Str€flingsanzug warf er Stìck  fìr  Stìck  mit einem Fluch auf den
Boden.
     "Nix hamms mer beweisen kænna, dæ Hallodri. - Brandstiftung! - Ja doder
-" er zog mit dem Zeigefinger an seinem unteren Augenlid. "Auf den schwarzen
Vãssatka sans jung. -  Der Wind war's, hab i g'sagt.  Und bi fest blimm. Den
kennens iazt eispirrn, wanns'n derwischen  - den Herrn von Wind. - No servus
heit abend!  - Do werd aufdraht. Beim  Loisitschek." - Er breitete die  Arme
aus und  tanzte einen "G'strampften". - "Nur einmahl  im Lebæhn blie-het der
Mai." Er stìlpte sich mit einem Krach einen steifen Deckel mit einer kleinen
blaugesprenkelten Nuh€herfeder darauf ìber den Sch€del. - "Ja, richtig, das
wird Ihna intrissirn, Herr Graf: wissens was Neies?  Eana Freund, der Loisa,
is ausbrochen! - Grad hab i's erfahrehn oben bei die Hallodri. Schon vurigen
Monat -  gegen  Uldimoh  hat  er das Weide gesucht  und  ist  l€ngst ieber -
pbhuit" - er  schlug sich mit den Fingern auf den  Handrìcken - "ieber  alle
Bergæh." -
     "Aha, die Feile", dachte ich mir und l€chelte.
     "Alsdann  haltens   Ihna  jetzt  auch  bald   dazu,  Herr  Graf,"   der
Brandstifter streckte mir kameradschaftlich die Hand hin, "da Sie mæglichst
bei Zeitæhn freikommen. -  Und wenn Sie  mal kein Geld  nicht habehn, fragen
Sie  sich  nur beim  Loisitschek nach  dem schwarzen Vãssatka. - Kennte mich
jedes  M€del  durten.  So!  -  Alsdann  Servus,  Herr  Graf.  War   mir  ein
Vergniegen."
     Er  stand noch in der  Tìre,  da schob  der  W€rter schon  einen  neuen
Untersuchungsgefangenen in die Zelle.
     Auf  den  ersten   Blick  erkannte  ich  in  ihm  den  Schlot  mit  der
Soldatenmìtze, der einmal  neben  mir  bei  Regenwetter in dem Torbogen  der
Hahnpagasse  gestanden hatte. Eine  freudige berraschung! Vielleicht wute
er zuf€llig etwas ìber Hillel und Zwakh und alle die andern?
     Ich wollte  sofort  anfangen, ihn auszufragen, aber zu  meinem  græten
Erstaunen  legte  er mit geheimnisvoller Miene  den Finger an  den Mund  und
bedeutete mir, ich solle schweigen.
     Erst   als  die  Tìr  von  auen   abgesperrt   und  der   Schritt  des
Gefangenw€rters auf dem Gange verhallt war, kam Leben in ihn.
     Mir schlug das Herz vor Aufregung.
     Was sollte das bedeuten?
     Kannte er mich denn, und was wollte er?
     Das erste, was der Schlot tat, war, da er sich niedersetzte und seinen
linken Stiefel auszog.
     Dann zerrte er mit den Z€hnen einen Stæpsel aus dem Absatz, entnahm dem
entstandenen Hohlraum  ein kleines gebogenes Eisenblech, ri die anscheinend
nur locker befestigte Schuhsohle ab und reichte mir beides mit stolzer Miene
hin. -
     Alles in  Windeseile und  ohne auf meine  erregten  Fragen auch  nur im
geringsten zu achten.
     "So! Einen schænen Gru vom Herrn Charousek."
     Ich war so verblìfft, da ich kein Wort herausbringen konnte. -
     "Brauchens'  blo Eisenblechl n€hmen und Sohlen ausanand brechen in der
Nacht.  Oder wann  sunst niemand siecht. -  Ise  n€mlich  hohl  inew€ndig" -
erkl€rte der Schlot mit ìberlegener Miene,  "und finden  Sie sich drinn eine
Brieffel von Herrn Charousek."
     Im berma meines Entzìckens fiel ich  dem Schlot um den Hals, und  die
Tr€nen stìrzten mir aus den Augen.
     Er wehrte mich voll Milde ab und sagte vorwurfsvoll:
     "Missen sich mehr zusammenn€hmen, Herr von Pernath! Mir habens me nicht
eine Minutten zum Zeitverlieren. Es  kann sich soffort herauskommen, da ich
in  der falschen  Zellen bin. Der Franzl und  ich habens me unt beim Pordjæh
die Nummern mitsamm vertauscht." -
     Ich mute wohl ein sehr  dummes Gesicht gemacht  haben, denn der Schlot
fuhr fort:
     "Wann Sie das  auch  nicht verst€hn,  macht  nix. Kurz:  ich bin  hier,
Pasta!"
     "Sagen Sie doch," fiel ich ihm ins Wort, "sagen Sie doch, Herr - - Herr
- - -"
     "Wenzel," - half mir der Schlot aus, "ich heie der schæne Wenzel."
     "Sagen Sie mir  doch,  Wenzel, was  macht der Archivar  Hillel, und wie
geht es seiner Tochter?"
     "Dazu ist jetz  keine Zeit  nicht", unterbrach  mich der  schæne Wenzel
ungeduldig. "Ich kann ich doch im n€xen Augenblick herausgeschmissen werden.
- Also: ich bin ich hier, weil ich einen Raubanfall extra eingestanden hab -
-"
     "Was, Sie haben blo meinetwegen, und um zu mir kommen zu kænnen, einen
Raubanfall begangen, Wenzel?" fragte ich erschìttert.
     Der Schlot schìttelte ver€chtlich den  Kopf:  "Wenn ich  wirklich einen
Raub  anf all  begangen  h€tt, mecht ich  ihm  doch  nicht  eingest€hen. Was
glauben Sie von mir!?"
     Ich verstand allm€hlich: - der brave Kerl hatte eine List gebraucht, um
mir den Brief Charouseks ins Gef€ngnis zu schmuggeln.
     "So; zuverderscht" - er machte ein €uerst wichtiges Gesicht - "mu ich
Ihnen Unterricht in der Ebilebsie g€ben."
     "Worin?"
     "In der Ebilebsie! - G€bm S' amal  scharf Obacht und merkens Ihna alles
genau! - Alsdann schaugens h€r: Zuerscht macht me Speichel  in der Goschen;"
- er blies die Backen auf und bewegte sie hin und her, wie  jemand, der sich
den Mund ausspìlt -  "dann kriegt  me Schaum vorm Maul, sengen S' so": -  er
machte auch dies. Mit widerw€rtiger  Natìrlichkeit. "Nachhe  drehte  ma  die
Daumen  in  die Faust.  - Nachhe  kugelt  me  die Augen raus" - er  schielte
entsetzlich  - "und dann - das ise sich bisl schw€r  - stot me so  halbeten
Schrei aus. Segen S',  so: Bæ - bæ - bæ, und gleichzeitig fallt me sich um."
Er  lie sich der L€nge  nach  zu Boden fallen, da  das  Haus zitterte, und
sagte beim Aufstehen:
     "Das  ise  sich  die natierliche  Ebilebsie, wie's uns der  Dr. Hulbert
gotts€lig beim Bataljohn gelernt hat."
     "Ja, ja,  es ist  t€uschend €hnlich," gab ich zu, "aber wozu dient  das
alles?"
     "Weil  Sie sich zuerscht aus  der  Zellen  rausmissen!",  erkl€rte  der
schæne  Wenzel.  "Der Dr. Rosenblatt is doch ein Mordsochs! Wenn einer schon
gar  kan Kopf  mehr  hat, sagt  der Rosenblatt immer noch: der Mann ise sich
pumperlgesund! - Nur vor die Ebilebsie hat e' an Viechsr€schp€kt.  Wann aner
daas gut  kann: gleich ise drieben  in der Krankenzelle. - - Und da ise sich
das Ausbrechen  dann ein Kinderspielzeug;" -  er wurde tief  geheimnisvoll -
"den  Fenstergitter  in  der  Krankenzelle ise  n€mlich durchges€gt  und nur
schwach  mit  Dreck  zusammengepappt.  - Es ise sich das ein  Geheimnis  vom
Bataljohn!  - Sie  brauchen dann  blo ein paar N€chte scharf aufpassen und,
wenn Sie eine Seilschlingen vom Dach herunter bis vors Fenster kommen segen,
heben Sie  leise  den Gitter aus, damit niemand nicht aufwacht, steckens die
Schultern in die Schlinge, und mir  ziegen Ihnen hinauf aufs Dach und lassen
Ihnen auf der andern Seiten hinunter auf die Straen. - Pasta."
     "Weshalb  soll  ich  denn aus dem  Gef€ngnis  ausbrechen?"  wandte  ich
schìchtern ein, "ich bin doch unschuldig."
     "Das ise doch kein  Grund, um nicht auszubrechen!", widerlegte mich der
schæne Wenzel und machte vor Erstaunen kreisrunde Augen.
     Ich mute  meine ganze Beredsamkeit aufbieten,  um ihm  den  verwegenen
Plan, der, wie er sagte,  das Resultat eines  "Bataillons" beschlusses  war,
auszureden.
     Da ich  "die Gabe Gottes" von der Hand wies und  lieber warten wollte,
bis ich von selbst freikommen wìrde, war ihm unbegreiflich.
     "Jedenfalls  danke  ich  Ihnen  und  Ihren  braven  Kameraden  auf  das
allerherzlichste,"  sagte ich gerìhrt und drìckte  ihm  die Hand. "Wenn  die
schwere Zeit  fìr  mich vorìber  ist, wird es mein erstes  sein,  mich Ihnen
allen erkenntlich zu zeigen."
     "Ise gar nicht n€tig", lehnte Wenzel freundlich ab.  "Wann Sie ein paar
Glas  Pils  zahlen,  n€hmen  wir  sich dankbar  an,  abe  sunst  nix.  Pan
Charousek, was ise jetz Schatzmistr vom Bataljohn hat  e' uns schon erz€hlt,
was Sie fìr ein heimlicher Wohlt€ter  sin. Soll ich ihm was ausrichten, wenn
ich in paar T€g wieder herauskomm?"
     "Ja, bitte," fiel  ich rasch ein, "sagen Sie ihm, er mæchte  zu  Hillel
gehen und ihm mitteilen, ich h€tte  soviel Angst wegen der Gesundheit seiner
Tochter Mirjam. Herr Hillel solle sie nicht aus den  Augen  lassen. - Werden
Sie sich den Namen merken?: Hillel!"
     "Hirr€l?"
     "Nein: Hillel."
     "Hill€r?"
     "Nein: Hill-el."
     Wenzel  zerbrach  sich  fast die  Zunge  an  dem  fìr  einen  Tschechen
unmæglichen  Namen,  aber  schlielich  bew€ltigte  er ihn doch unter wilden
Grimassen.
     "Und dann noch eins: Herr Charousek  mæge - ich lasse ihn herzlich drum
bitten - sich auch, soweit es in seiner Macht steht, der "vornehmen  Dame" -
er wei schon, wer darunter zu verstehen ist - annehmen."
     "Sie meinen  sich  wahrscheinlich  die  adlige Flietschen,  die was  da
Gspusi  ghabt hat mit dem Niemetz - dem Dr. Sapoli? - No, die hat  sich doch
scheiden lassen und ise mit dem Kind und dem Sapoli fìrt."
     "Wissen Sie das bestimmt?"
     Ich fìhlte  meine Stimme  zittern. So sehr ich mich um Angelinas willen
freute, - es krampfte mir doch das Herz zusammen.
     Wieviel Sorge hatte  ich  ihretwegen getragen und  jetzt  - - - war ich
vergessen.
     Vielleicht glaubte sie, ich sei wirklich ein Raubmærder.
     Ein bitterer Geschmack stieg mir in die Kehle.
     Der  Schlot schien  mit  dem  Feingefìhl,  das  verwahrlosten  Menschen
seltsamerweise eigen ist bei allen Dingen, die sich um Liebe drehen, erraten
zu  haben,  wie  mir zumute  war, denn er  blickte scheu weg und  antwortete
nicht.
     "Wissen Sie vielleicht auch, wie es Herrn Hillels Tochter, dem Fr€ulein
Mirjam geht? Kennen Sie sie?", fragte ich gepret.
     "Mirjam? Mirjam?" - Wenzel legte sein Gesicht in nachdenkliche Falten -
"Mirjam? - G€ht sich die æfters in der Nacht zum Loisitschek?"
     Ich mute unwillkìrlich l€cheln. "Nein. Ganz bestimmt nicht."
     "Dann kenn ich sie nicht", sagte Wenzel trocken.
     Wir schwiegen eine Weile.
     Vielleicht steht in dem Briefchen etwas ìber sie, hoffte ich.
     "Da  den Wassertrum  der Deiwel  g'holt  hat",  fing  Wenzel plætzlich
wieder an, "w€rden Sie sich wohl schon geh€rt haben?"
     Ich fuhr entsetzt auf.
     "No ja." - Wenzel deutete auf seine Kehle. - "Murxi, murxi! Ich sag ich
Ihn€n; es war Ihn€n  schaislich. Wie sie den  Laden aufgebrochen haben, weil
er sich  paar T€g nicht hat segen lassen, war  ich  natierlich  der  erschte
drin;  - wie denn nicht! - Und da hat e' durten g's€ssen, der Wassertrum, in
einem  dreckigen L€hnsessel,  die  Brust voller  Blut und die Augen  wie aus
Glas. -  -  - Wissen S',  ich bin ich  ein handfeste Kerl, aber mir hat sich
alles gedr€ht,  sag ich Ihn€n, und ich hab' gemeint, ich  hau ich ohnm€chtig
hi-iin. Furt' a  furt' hab' ich  mir vorsagen missen:  Wenzel,  hab' ich mir
vorg'sagt, Wenzel, reg'  dich nicht auf, es is doch blo ein toter Jud. - Er
hat  eine  Feile  in der Kehle stecken  gehabt und im Laden  war  sich alles
umedum geschmissen. - Ein Raubmord natierlich."
     "Die  Feile! Die  Feile!"  Ich fìhlte, wie mir der  Atem kalt wurde vor
Grausen. Die Feile! So hatte sie also doch ihren Weg gefunden!
     "Ich wei ich auch, wer's war", fuhr Wenzel  nach  einer Pause halblaut
fort. "Niemand anders, sag  ich Ihn€n,  als der blattersteppige Loiso. - Ich
hab'  ich  n€mlich sein Taschenmesser auf dem  Boden  im Laden entdeckt  und
rasch eing'st€ckt,  damit sich die Polizei nicht  draufkommt.  - Er ise sich
durch  einen unterirdischen Gang in den Laden - - -" er brach mit einem Ruck
seine Rede  ab und horchte ein paar Sekunden lang  angestrengt, dann warf er
sich auf die Pritsche und fing an, fìrchterlich zu schnarchen.
     Gleich  darauf klirrte das  Vorh€ngeschlo und der Gef€ngnisw€rter  kam
herein und musterte mich argwæhnisch.
     Ich machte ein teilnahmsloses Gesicht und Wenzel war kaum zu erwecken.
     Erst  nach  vielen  Pìffen richtete er sich  g€hnend auf und  taumelte,
gefolgt von dem W€rter, schlaftrunken hinaus.
     Ich  sa  allein  in  der Zelle. -  Vãssatka,  der  Brandstifter,  mein
einziger  Gef€hrte  seit   einer  Woche,  war  vor  ein  paar   Stunden  zum
Untersuchungsrichter geholt worden.
     Merkwìrdig lange dauerte diesmal sein Verhær.
     Da.   Die   eiserne  Vorlegestange  klirrte   an  der   Tìr.  Und   mit
freudestrahlender Miene stìrmte Vãssatka herein, warf ein Bìndel Kleider auf
die Pritsche und begann, sich mit Windeseile umzukleiden.
     Den  Str€flingsanzug warf er Stìck  fìr  Stìck  mit einem Fluch auf den
Boden.
     "Nix hamms mer beweisen kænna, dæ Hallodri. - Brandstiftung! - Ja doder
-" er zog mit dem Zeigefinger an seinem unteren Augenlid. "Auf den schwarzen
Vãssatka sans jung. -  Der Wind war's, hab i g'sagt.  Und bi fest blimm. Den
kennens iazt eispirrn, wanns'n derwischen  - den Herrn von Wind. - No servus
heit abend!  - Do werd aufdraht. Beim  Loisitschek." - Er breitete die  Arme
aus und  tanzte einen "G'strampften". - "Nur einmahl  im Lebæhn blie-het der
Mai." Er stìlpte sich mit einem Krach einen steifen Deckel mit einer kleinen
blaugesprenkelten Nuh€herfeder darauf ìber den Sch€del. - "Ja, richtig, das
wird Ihna intrissirn, Herr Graf: wissens was Neies?  Eana Freund, der Loisa,
is ausbrochen! - Grad hab i's erfahrehn oben bei die Hallodri. Schon vurigen
Monat -  gegen  Uldimoh  hat  er das Weide gesucht  und  ist  l€ngst ieber -
pbhuit" - er  schlug sich mit den Fingern auf den  Handrìcken - "ieber  alle
Bergæh." -
     "Aha, die Feile", dachte ich mir und l€chelte.
     "Alsdann  haltens   Ihna  jetzt  auch  bald   dazu,  Herr  Graf,"   der
Brandstifter streckte mir kameradschaftlich die Hand hin, "da Sie mæglichst
bei Zeitæhn freikommen. -  Und wenn Sie  mal kein Geld  nicht habehn, fragen
Sie  sich  nur beim  Loisitschek nach  dem schwarzen Vãssatka. - Kennte mich
jedes  M€del  durten.  So!  -  Alsdann  Servus,  Herr  Graf.  War   mir  ein
Vergniegen."
     Er  stand noch in der  Tìre,  da schob  der  W€rter schon  einen  neuen
Untersuchungsgefangenen in die Zelle.
     Auf  den  ersten   Blick  erkannte  ich  in  ihm  den  Schlot  mit  der
Soldatenmìtze, der einmal  neben  mir  bei  Regenwetter in dem Torbogen  der
Hahnpagasse  gestanden hatte. Eine  freudige berraschung! Vielleicht wute
er zuf€llig etwas ìber Hillel und Zwakh und alle die andern?
     Ich wollte  sofort  anfangen, ihn auszufragen, aber zu  meinem  græten
Erstaunen  legte  er mit geheimnisvoller Miene  den Finger an  den Mund  und
bedeutete mir, ich solle schweigen.
     Erst   als  die  Tìr  von  auen   abgesperrt   und  der   Schritt  des
Gefangenw€rters auf dem Gange verhallt war, kam Leben in ihn.
     Mir schlug das Herz vor Aufregung.
     Was sollte das bedeuten?
     Kannte er mich denn, und was wollte er?
     Das erste, was der Schlot tat, war, da er sich niedersetzte und seinen
linken Stiefel auszog.
     Dann zerrte er mit den Z€hnen einen Stæpsel aus dem Absatz, entnahm dem
entstandenen Hohlraum  ein kleines gebogenes Eisenblech, ri die anscheinend
nur locker befestigte Schuhsohle ab und reichte mir beides mit stolzer Miene
hin. -
     Alles in  Windeseile und  ohne auf meine  erregten  Fragen auch  nur im
geringsten zu achten.
     "So! Einen schænen Gru vom Herrn Charousek."
     Ich war so verblìfft, da ich kein Wort herausbringen konnte. -
     "Brauchens'  blo Eisenblechl n€hmen und Sohlen ausanand brechen in der
Nacht.  Oder wann  sunst niemand siecht. -  Ise  n€mlich  hohl  inew€ndig" -
erkl€rte der Schlot mit ìberlegener Miene,  "und finden  Sie sich drinn eine
Brieffel von Herrn Charousek."
     Im berma meines Entzìckens fiel ich  dem Schlot um den Hals, und  die
Tr€nen stìrzten mir aus den Augen.
     Er wehrte mich voll Milde ab und sagte vorwurfsvoll:
     "Missen sich mehr zusammenn€hmen, Herr von Pernath! Mir habens me nicht
eine Minutten zum Zeitverlieren. Es  kann sich soffort herauskommen, da ich
in  der falschen  Zellen bin. Der Franzl und  ich habens me unt beim Pordjæh
die Nummern mitsamm vertauscht." -
     Ich mute wohl ein sehr  dummes Gesicht gemacht  haben, denn der Schlot
fuhr fort:
     "Wann Sie das  auch  nicht verst€hn,  macht  nix. Kurz:  ich bin  hier,
Pasta!"
     "Sagen Sie doch," fiel ich ihm ins Wort, "sagen Sie doch, Herr - - Herr
- - -"
     "Wenzel," - half mir der Schlot aus, "ich heie der schæne Wenzel."
     "Sagen Sie mir  doch,  Wenzel, was  macht der Archivar  Hillel, und wie
geht es seiner Tochter?"
     "Dazu ist jetz  keine Zeit  nicht", unterbrach  mich der  schæne Wenzel
ungeduldig. "Ich kann ich doch im n€xen Augenblick herausgeschmissen werden.
- Also: ich bin ich hier, weil ich einen Raubanfall extra eingestanden hab -
-"
     "Was, Sie haben blo meinetwegen, und um zu mir kommen zu kænnen, einen
Raubanfall begangen, Wenzel?" fragte ich erschìttert.
     Der Schlot schìttelte ver€chtlich den  Kopf:  "Wenn ich  wirklich einen
Raub  anf all  begangen  h€tt, mecht ich  ihm  doch  nicht  eingest€hen. Was
glauben Sie von mir!?"
     Ich verstand allm€hlich: - der brave Kerl hatte eine List gebraucht, um
mir den Brief Charouseks ins Gef€ngnis zu schmuggeln.
     "So; zuverderscht" - er machte ein €uerst wichtiges Gesicht - "mu ich
Ihnen Unterricht in der Ebilebsie g€ben."
     "Worin?"
     "In der Ebilebsie! - G€bm S' amal  scharf Obacht und merkens Ihna alles
genau! - Alsdann schaugens h€r: Zuerscht macht me Speichel  in der Goschen;"
- er blies die Backen auf und bewegte sie hin und her, wie  jemand, der sich
den Mund ausspìlt -  "dann kriegt  me Schaum vorm Maul, sengen S' so": -  er
machte auch dies. Mit widerw€rtiger  Natìrlichkeit. "Nachhe  drehte  ma  die
Daumen  in  die Faust.  - Nachhe  kugelt  me  die Augen raus" - er  schielte
entsetzlich  - "und dann - das ise sich bisl schw€r  - stot me so  halbeten
Schrei aus. Segen S',  so: Bæ - bæ - bæ, und gleichzeitig fallt me sich um."
Er  lie sich der L€nge  nach  zu Boden fallen, da  das  Haus zitterte, und
sagte beim Aufstehen:
     "Das  ise  sich  die natierliche  Ebilebsie, wie's uns der  Dr. Hulbert
gotts€lig beim Bataljohn gelernt hat."
     "Ja, ja,  es ist  t€uschend €hnlich," gab ich zu, "aber wozu dient  das
alles?"
     "Weil  Sie sich zuerscht aus  der  Zellen  rausmissen!",  erkl€rte  der
schæne  Wenzel.  "Der Dr. Rosenblatt is doch ein Mordsochs! Wenn einer schon
gar  kan Kopf  mehr  hat, sagt  der Rosenblatt immer noch: der Mann ise sich
pumperlgesund! - Nur vor die Ebilebsie hat e' an Viechsr€schp€kt.  Wann aner
daas gut  kann: gleich ise drieben  in der Krankenzelle. - - Und da ise sich
das Ausbrechen  dann ein Kinderspielzeug;" -  er wurde tief  geheimnisvoll -
"den  Fenstergitter  in  der  Krankenzelle ise  n€mlich durchges€gt  und nur
schwach  mit  Dreck  zusammengepappt.  - Es ise sich das ein  Geheimnis  vom
Bataljohn!  - Sie  brauchen dann  blo ein paar N€chte scharf aufpassen und,
wenn Sie eine Seilschlingen vom Dach herunter bis vors Fenster kommen segen,
heben Sie  leise  den Gitter aus, damit niemand nicht aufwacht, steckens die
Schultern in die Schlinge, und mir  ziegen Ihnen hinauf aufs Dach und lassen
Ihnen auf der andern Seiten hinunter auf die Straen. - Pasta."
     "Weshalb  soll  ich  denn aus dem  Gef€ngnis  ausbrechen?"  wandte  ich
schìchtern ein, "ich bin doch unschuldig."
     "Das ise doch kein  Grund, um nicht auszubrechen!", widerlegte mich der
schæne Wenzel und machte vor Erstaunen kreisrunde Augen.
     Ich mute  meine ganze Beredsamkeit aufbieten,  um ihm  den  verwegenen
Plan, der, wie er sagte,  das Resultat eines  "Bataillons" beschlusses  war,
auszureden.
     Da ich  "die Gabe Gottes" von der Hand wies und  lieber warten wollte,
bis ich von selbst freikommen wìrde, war ihm unbegreiflich.
     "Jedenfalls  danke  ich  Ihnen  und  Ihren  braven  Kameraden  auf  das
allerherzlichste,"  sagte ich gerìhrt und drìckte  ihm  die Hand. "Wenn  die
schwere Zeit  fìr  mich vorìber  ist, wird es mein erstes  sein,  mich Ihnen
allen erkenntlich zu zeigen."
     "Ise gar nicht n€tig", lehnte Wenzel freundlich ab.  "Wann Sie ein paar
Glas  Pils  zahlen,  n€hmen  wir  sich dankbar  an,  abe  sunst  nix.  Pan
Charousek, was ise jetz Schatzmistr vom Bataljohn hat  e' uns schon erz€hlt,
was Sie fìr ein heimlicher Wohlt€ter  sin. Soll ich ihm was ausrichten, wenn
ich in paar T€g wieder herauskomm?"
     "Ja, bitte," fiel  ich rasch ein, "sagen Sie ihm, er mæchte  zu  Hillel
gehen und ihm mitteilen, ich h€tte  soviel Angst wegen der Gesundheit seiner
Tochter Mirjam. Herr Hillel solle sie nicht aus den  Augen  lassen. - Werden
Sie sich den Namen merken?: Hillel!"
     "Hirr€l?"
     "Nein: Hillel."
     "Hill€r?"
     "Nein: Hill-el."
     Wenzel  zerbrach  sich  fast die  Zunge  an  dem  fìr  einen  Tschechen
unmæglichen  Namen,  aber  schlielich  bew€ltigte  er ihn doch unter wilden
Grimassen.
     "Und dann noch eins: Herr Charousek  mæge - ich lasse ihn herzlich drum
bitten - sich auch, soweit es in seiner Macht steht, der "vornehmen  Dame" -
er wei schon, wer darunter zu verstehen ist - annehmen."
     "Sie meinen  sich  wahrscheinlich  die  adlige Flietschen,  die was  da
Gspusi  ghabt hat mit dem Niemetz - dem Dr. Sapoli? - No, die hat  sich doch
scheiden lassen und ise mit dem Kind und dem Sapoli fìrt."
     "Wissen Sie das bestimmt?"
     Ich fìhlte  meine Stimme  zittern. So sehr ich mich um Angelinas willen
freute, - es krampfte mir doch das Herz zusammen.
     Wieviel Sorge hatte  ich  ihretwegen getragen und  jetzt  - - - war ich
vergessen.
     Vielleicht glaubte sie, ich sei wirklich ein Raubmærder.
     Ein bitterer Geschmack stieg mir in die Kehle.
     Der  Schlot schien  mit  dem  Feingefìhl,  das  verwahrlosten  Menschen
seltsamerweise eigen ist bei allen Dingen, die sich um Liebe drehen, erraten
zu  haben,  wie  mir zumute  war, denn er  blickte scheu weg und  antwortete
nicht.
     "Wissen Sie vielleicht auch, wie es Herrn Hillels Tochter, dem Fr€ulein
Mirjam geht? Kennen Sie sie?", fragte ich gepret.
     "Mirjam? Mirjam?" - Wenzel legte sein Gesicht in nachdenkliche Falten -
"Mirjam? - G€ht sich die æfters in der Nacht zum Loisitschek?"
     Ich mute unwillkìrlich l€cheln. "Nein. Ganz bestimmt nicht."
     "Dann kenn ich sie nicht", sagte Wenzel trocken.
     Wir schwiegen eine Weile.
     Vielleicht steht in dem Briefchen etwas ìber sie, hoffte ich.
     "Da  den Wassertrum  der Deiwel  g'holt  hat",  fing  Wenzel plætzlich
wieder an, "w€rden Sie sich wohl schon geh€rt haben?"
     Ich fuhr entsetzt auf.
     "No ja." - Wenzel deutete auf seine Kehle. - "Murxi, murxi! Ich sag ich
Ihn€n; es war Ihn€n  schaislich. Wie sie den  Laden aufgebrochen haben, weil
er sich  paar T€g nicht hat segen lassen, war  ich  natierlich  der  erschte
drin;  - wie denn nicht! - Und da hat e' durten g's€ssen, der Wassertrum, in
einem  dreckigen L€hnsessel,  die  Brust voller  Blut und die Augen  wie aus
Glas. -  -  - Wissen S',  ich bin ich  ein handfeste Kerl, aber mir hat sich
alles gedr€ht,  sag ich Ihn€n, und ich hab' gemeint, ich  hau ich ohnm€chtig
hi-iin. Furt' a  furt' hab' ich  mir vorsagen missen:  Wenzel,  hab' ich mir
vorg'sagt, Wenzel, reg'  dich nicht auf, es is doch blo ein toter Jud. - Er
hat  eine  Feile  in der Kehle stecken  gehabt und im Laden  war  sich alles
umedum geschmissen. - Ein Raubmord natierlich."
     "Die  Feile! Die  Feile!"  Ich fìhlte, wie mir der  Atem kalt wurde vor
Grausen. Die Feile! So hatte sie also doch ihren Weg gefunden!
     "Ich wei ich auch, wer's war", fuhr Wenzel  nach  einer Pause halblaut
fort. "Niemand anders, sag  ich Ihn€n,  als der blattersteppige Loiso. - Ich
hab'  ich  n€mlich sein Taschenmesser auf dem  Boden  im Laden entdeckt  und
rasch eing'st€ckt,  damit sich die Polizei nicht  draufkommt.  - Er ise sich
durch  einen unterirdischen Gang in den Laden - - -" er brach mit einem Ruck
seine Rede  ab und horchte ein paar Sekunden lang  angestrengt, dann warf er
sich auf die Pritsche und fing an, fìrchterlich zu schnarchen.
     Gleich  darauf klirrte das  Vorh€ngeschlo und der Gef€ngnisw€rter  kam
herein und musterte mich argwæhnisch.
     Ich machte ein teilnahmsloses Gesicht und Wenzel war kaum zu erwecken.
     Erst  nach  vielen  Pìffen richtete er sich  g€hnend auf und  taumelte,
gefolgt von dem W€rter, schlaftrunken hinaus.
      Fiebernd vor Spannung faltete ich Charouseks Brief auseinander und las:
     Den 12. Mai.
     "Mein lieber armer Freund und Wohlt€ter!"
     Woche um Woche habe ich gewartet, da  Sie endlich freikommen wìrden, -
immer   vergebens,   -   habe   alle   mæglichen   Schritte   versucht,   um
Entlastungsmaterial fìr Sie zu sammeln, aber ich fand keins.
     Ich bat den Untersuchungsrichter,  das Verfahren zu beschleunigen, aber
jedesmal  hie es, er kænne nichts tun - es sei Sache der Staatsanwaltschaft
und nicht die seinige.
     Amtsschimmel!
     Eben erst, vor  einer Stunde, gelang mir jedoch etwas, von  dem ich mir
den  besten Erfolg erhoffe:  ich habe erfahren, da  Jaromir  dem Wassertrum
eine goldene Taschenuhr, die er nach der damaligen Verhaftung seines Bruders
Loisa in dessen Bett gefunden hatte, verkauft hat.
     Beim Loisitschek, wo, wie  Sie wissen, die Detektivs verkehren,  geht
das Gerìcht,  man h€tte die Uhr  des angeblich ermordeten  Zottmann - dessen
Leiche ìbrigens noch immer nicht entdeckt ist - als corpus delicti bei Ihnen
gefunden. Das ìbrige reimte ich mir zusammen: Wassertrum et cetera!
     Ich habe mir Jaromir sofort vorgenommen,  ihm 1000 fl gegeben -  -" Ich
lie den Brief sinken, und die Freudentr€nen traten mir in  die  Augen:  nur
Angelina konnte Charousek die Summe gegeben haben. Weder Zwakh, noch Prokop,
noch Vrieslander besaen  so viel  Geld.  Sie hatte  mich  also  doch  nicht
vergessen! - Ich las weiter:
     "- 1000 fl gegeben und ihm weitere 2000 fl versprochen, wenn er mit mir
sofort zur Polizei  ginge und eingestìnde,  die Uhr  seinem  Bruder zu Hause
entwendet und verkauft zu haben.
     Das alles  kann  aber erst  geschehen, wenn dieser  Brief durch  Wenzel
bereits an Sie unterwegs ist. Die Zeit reicht nicht aus.
     Aber seien Sie versichert: es  wird  geschehen.  Heute noch.  Ich bìrge
Ihnen dafìr.
     Ich zweifle keinen Augenblick, da Loisa den Mord begangen  hat und die
Uhr die Zottmanns ist.
     Sollte sie es wider Erwarten nicht sein,  - nun, dann wei Jaromir, was
er  zu tun  hat:  -  Jedenfalls  wird er  sie als die  bei  Ihnen  gefundene
agnoszieren.
     Also  harren Sie aus und verzweifeln Sie  nicht!  Der  Tag, wo Sie frei
sein werden, steht vielleicht bald bevor.
     Ob trotzdem ein Tag kommen wird, wo wir uns wiedersehen?
     Ich wei es nicht.
     Fast mæchte ich sagen: ich glaube es nicht, denn mit  mir  geht's rasch
zu  Ende, und  ich mu auf  der  Hut sein, da mich die letzte Stunde  nicht
ìberrascht.
     Aber eins halten Sie fest: wir werden uns wiedersehen.
     Wenn auch nicht in diesem Leben und nicht wie die Toten in jenem Leben,
aber an dem Tag, wo die Zeit zerbricht, - wo, wie es in der Bibel steht, der
HERR die ausspeien wird aus seinem Munde, die lau waren und weder  kalt noch
warm. - - -
     Wundern Sie  sich nicht, da ich so  rede! Ich habe  nie mit Ihnen ìber
diese Dinge gesprochen und, als Sie einmal das Wort Kabbala berìhrten, bin
ich Ihnen ausgewichen, aber - ich wei, was ich wei.
     Vielleicht verstehen Sie, was ich meine,  und wenn nicht, so  streichen
Sie, ich bitte Sie darum, das, was ich gesagt habe, aus Ihrem  Ged€chtnis. -
- Einmal, in meinen Delirien, glaubte ich  - ein  Zeichen auf Ihrer Brust zu
sehen. - Mag sein, da ich wach getr€umt habe.
     Nehmen Sie  an, wenn Sie mich wirklich nicht verstehen sollten, da ich
gewisse Erkenntnisse gehabt habe - innerlich! - fast schon von  Kindheit an,
die  mich einen seltsamen Weg gefìhrt haben; - Erkenntnisse, die  sich nicht
decken mit dem,  was die Medizin lehrt oder Gott sei  Dank  noch nicht wei;
hoffentlich auch nie erfahren wird.
     Aber ich habe mich nicht dumm machen lassen von der Wissenschaft, deren
hæchstes Ziel es ist, einen - Wartesaal auszustaffieren, den man am besten
niederrisse.
     Doch genug davon.
     Ich will Ihnen erz€hlen, was sich inzwischen zugetragen hat:
     Ende  April  war  Wassertrum  so  weit, da meine Suggestion anfing  zu
wirken.
     Ich sah es daran, da er auf der Gasse best€ndig gestikulierte und laut
mit sich selbst sprach.
     So etwas ist ein sicheres Zeichen, da die Gedanken eines Menschen sich
zum Sturm rotten, um ìber ihren Herrn herzufallen.
     Dann kaufte er sich ein Taschenbuch und machte sich Notizen.
     Er schrieb!
     Er schrieb! Da ich nicht lache! Er schrieb.
     Und dann ging er zu einem Notar. Unten vor dem Hause wute  ich, was er
oben machte: - er machte sein Testament.
     Da er mich zum Erben einsetzte, habe ich mir allerdings nicht gedacht.
Ich  h€tte wahrscheinlich den  Veitstanz  bekommen vor Vergnìgen, wenn's mir
eingefallen w€re.
     Er setzte mich zum Erben ein, weil ich der einzige auf der Erde bin, an
dem er  noch etwas gutmachen kænnte,  wie er glaubte. Das  Gewissen hat  ihn
ìberlistet.
     Vielleicht war's auch die Hoffnung, ich wìrde ihn segnen, wenn ich mich
nach seinem Tode  durch seine Huld plætzlich als Million€r s€he, und dadurch
den Fluch wettmachen, den er in Ihrem Zimmer aus meinem Mund hat mit anhæren
mìssen.
     Dreifach hat demnach meine Suggestion gewirkt.
     Rasend witzig,  da er heimlich  also doch an eine Wiedervergeltung  im
Jenseits geglaubt  hat, w€hrend  er sich's  das  ganze  Leben  lang mìhselig
ausreden wollte.
     Aber  so ist's  bei allen den Ganzgescheiten; man sieht es schon an der
wahnwitzigen Wut, in die sie geraten, wenn man's ihnen ins Gesicht sagt. Sie
fìhlen sich ertappt.
     Von dem Moment an, wo Wassertrum vom Notar ka
     Fiebernd vor Spannung faltete ich Charouseks Brief auseinander und las:
     Den 12. Mai.
     "Mein lieber armer Freund und Wohlt€ter!"
     Woche um Woche habe ich gewartet, da  Sie endlich freikommen wìrden, -
immer   vergebens,   -   habe   alle   mæglichen   Schritte   versucht,   um
Entlastungsmaterial fìr Sie zu sammeln, aber ich fand keins.
     Ich bat den Untersuchungsrichter,  das Verfahren zu beschleunigen, aber
jedesmal  hie es, er kænne nichts tun - es sei Sache der Staatsanwaltschaft
und nicht die seinige.
     Amtsschimmel!
     Eben erst, vor  einer Stunde, gelang mir jedoch etwas, von  dem ich mir
den  besten Erfolg erhoffe:  ich habe erfahren, da  Jaromir  dem Wassertrum
eine goldene Taschenuhr, die er nach der damaligen Verhaftung seines Bruders
Loisa in dessen Bett gefunden hatte, verkauft hat.
     Beim Loisitschek, wo, wie  Sie wissen, die Detektivs verkehren,  geht
das Gerìcht,  man h€tte die Uhr  des angeblich ermordeten  Zottmann - dessen
Leiche ìbrigens noch immer nicht entdeckt ist - als corpus delicti bei Ihnen
gefunden. Das ìbrige reimte ich mir zusammen: Wassertrum et cetera!
     Ich habe mir Jaromir sofort vorgenommen,  ihm 1000 fl gegeben -  -" Ich
lie den Brief sinken, und die Freudentr€nen traten mir in  die  Augen:  nur
Angelina konnte Charousek die Summe gegeben haben. Weder Zwakh, noch Prokop,
noch Vrieslander besaen  so viel  Geld.  Sie hatte  mich  also  doch  nicht
vergessen! - Ich las weiter:
     "- 1000 fl gegeben und ihm weitere 2000 fl versprochen, wenn er mit mir
sofort zur Polizei  ginge und eingestìnde,  die Uhr  seinem  Bruder zu Hause
entwendet und verkauft zu haben.
     Das alles  kann  aber erst  geschehen, wenn dieser  Brief durch  Wenzel
bereits an Sie unterwegs ist. Die Zeit reicht nicht aus.
     Aber seien Sie versichert: es  wird  geschehen.  Heute noch.  Ich bìrge
Ihnen dafìr.
     Ich zweifle keinen Augenblick, da Loisa den Mord begangen  hat und die
Uhr die Zottmanns ist.
     Sollte sie es wider Erwarten nicht sein,  - nun, dann wei Jaromir, was
er  zu tun  hat:  -  Jedenfalls  wird er  sie als die  bei  Ihnen  gefundene
agnoszieren.
     Also  harren Sie aus und verzweifeln Sie  nicht!  Der  Tag, wo Sie frei
sein werden, steht vielleicht bald bevor.
     Ob trotzdem ein Tag kommen wird, wo wir uns wiedersehen?
     Ich wei es nicht.
     Fast mæchte ich sagen: ich glaube es nicht, denn mit  mir  geht's rasch
zu  Ende, und  ich mu auf  der  Hut sein, da mich die letzte Stunde  nicht
ìberrascht.
     Aber eins halten Sie fest: wir werden uns wiedersehen.
     Wenn auch nicht in diesem Leben und nicht wie die Toten in jenem Leben,
aber an dem Tag, wo die Zeit zerbricht, - wo, wie es in der Bibel steht, der
HERR die ausspeien wird aus seinem Munde, die lau waren und weder  kalt noch
warm. - - -
     Wundern Sie  sich nicht, da ich so  rede! Ich habe  nie mit Ihnen ìber
diese Dinge gesprochen und, als Sie einmal das Wort Kabbala berìhrten, bin
ich Ihnen ausgewichen, aber - ich wei, was ich wei.
     Vielleicht verstehen Sie, was ich meine,  und wenn nicht, so  streichen
Sie, ich bitte Sie darum, das, was ich gesagt habe, aus Ihrem  Ged€chtnis. -
- Einmal, in meinen Delirien, glaubte ich  - ein  Zeichen auf Ihrer Brust zu
sehen. - Mag sein, da ich wach getr€umt habe.
     Nehmen Sie  an, wenn Sie mich wirklich nicht verstehen sollten, da ich
gewisse Erkenntnisse gehabt habe - innerlich! - fast schon von  Kindheit an,
die  mich einen seltsamen Weg gefìhrt haben; - Erkenntnisse, die  sich nicht
decken mit dem,  was die Medizin lehrt oder Gott sei  Dank  noch nicht wei;
hoffentlich auch nie erfahren wird.
     Aber ich habe mich nicht dumm machen lassen von der Wissenschaft, deren
hæchstes Ziel es ist, einen - Wartesaal auszustaffieren, den man am besten
niederrisse.
     Doch genug davon.
     Ich will Ihnen erz€hlen, was sich inzwischen zugetragen hat:
     Ende  April  war  Wassertrum  so  weit, da meine Suggestion anfing  zu
wirken.
     Ich sah es daran, da er auf der Gasse best€ndig gestikulierte und laut
mit sich selbst sprach.
     So etwas ist ein sicheres Zeichen, da die Gedanken eines Menschen sich
zum Sturm rotten, um ìber ihren Herrn herzufallen.
     Dann kaufte er sich ein Taschenbuch und machte sich Notizen.
     Er schrieb!
     Er schrieb! Da ich nicht lache! Er schrieb.
     Und dann ging er zu einem Notar. Unten vor dem Hause wute  ich, was er
oben machte: - er machte sein Testament.
     Da er mich zum Erben einsetzte, habe ich mir allerdings nicht gedacht.
Ich  h€tte wahrscheinlich den  Veitstanz  bekommen vor Vergnìgen, wenn's mir
eingefallen w€re.
     Er setzte mich zum Erben ein, weil ich der einzige auf der Erde bin, an
dem er  noch etwas gutmachen kænnte,  wie er glaubte. Das  Gewissen hat  ihn
ìberlistet.
     Vielleicht war's auch die Hoffnung, ich wìrde ihn segnen, wenn ich mich
nach seinem Tode  durch seine Huld plætzlich als Million€r s€he, und dadurch
den Fluch wettmachen, den er in Ihrem Zimmer aus meinem Mund hat mit anhæren
mìssen.
     Dreifach hat demnach meine Suggestion gewirkt.
     Rasend witzig,  da er heimlich  also doch an eine Wiedervergeltung  im
Jenseits geglaubt  hat, w€hrend  er sich's  das  ganze  Leben  lang mìhselig
ausreden wollte.
     Aber  so ist's  bei allen den Ganzgescheiten; man sieht es schon an der
wahnwitzigen Wut, in die sie geraten, wenn man's ihnen ins Gesicht sagt. Sie
fìhlen sich ertappt.
     Von dem Moment an, wo Wassertrum vom Notar ka