ren  en gros und
en detail - die nætigen Hinrichtungsutensilien, soweit diese in ihre Branche
fielen,  unter  Anrechnung  ziviler  Preise  einem  hohen  Staats€rar  gegen
Quittung auszuh€ndigen.
     Nun   fìgte  es  sich  aber,  da  der  Strick   ri  und  Babinski  zu
lebensl€nglichem Gef€ngnis begnadigt wurde.
     Zwanzig  Jahre  verbìte  der  Raubmærder hinter den  Mauern von  Sankt
Pankraz, ohne da je ein  Vorwurf  ìber seine  Lippen gekommen w€re;  - noch
heute ist der  Beamtenstab  des Institutes  voll Lob ìber seine vorbildliche
Auffìhrung,  ja,  man  gestattete ihm  sogar,  an  den Geburtstagen  unseres
Allerhæchsten Landesherrn ab und zu die Flæte zu blasen; -"
     Prokop suchte  sofort  wieder  nach  seinem Hausschlìssel,  aber  Zwakh
wehrte ihm.
     "- infolge allgemeiner  Amnestie wurde dem Babinski der Rest der Strafe
nachgesehen,  und  er  bekam  die  Stelle eines  Pfærtners  im  Kloster  der
Barmherzigen Schwestern.
     Die  leichte Gartenarbeit, die er nebenbei  mit zu versehen hatte, ging
ihm  dank der  groen,  w€hrend seines  frìheren Wirkungskreises  erworbenen
Geschicklichkeit im Gebrauch  des Spatens hurtig  von  der Hand, so da  ihm
hinl€nglich  Mue  blieb,  Herz und Geist  an guter, sorgf€ltig ausgew€hlter
Lektìre zu l€utern.
     Die daraus resultierenden Folgen waren hocherfreulich.
     Sooft ihn  die Oberin Samstagabends  ins Wirtshaus  schickte, damit  er
sein Gemìt  ein wenig erheitere, jedesmal kam er pìnktlich vor  Anbruch  der
Nacht nach Hause mit dem  Hinweis, der Verfall der  allgemeinen Moral stimme
ihn  trìbe  und  soviel  lichtscheues  Gesindel schlimmster  Sorte mache die
Landstrae unsicher, da es  fìr jeden Friedliebenden ein Gebot der Klugheit
sei, rechtzeitig die Schritte heimw€rts zu lenken.
     Es  war  nun damaliger Zeit  in  Prag bei den  Wachsziehern die Unsitte
eingerissen, kleine Figìrchen feilzuhalten,  die ein rotes Manterle umh€ngen
hatten und den Raubmærder Babinski darstellten.
     Wohl in keiner der leidtragenden Familien fehlte ein solches.
     Gewæhnlich  aber standen sie in den L€den unter Glasstìrzen,  und  ìber
nichts  konnte  sich  Babinski  so  empæren,  als wenn  er  eines derartigen
Wachsbildes ansichtig wurde.
     Es ist  im hæchsten  Grade unwìrdig  und  zeugt von einer Gemìtsroheit
sondersgleichen, einem Menschen best€ndig die Verfehlungen seiner Jugendzeit
vor  Augen zu fìhren, pflegte Babinski  in solchen F€llen zu sagen und  es
ist  tief  zu  bedauern, da von Seiten der  Obrigkeit  nichts geschieht, so
offenkundigem Unfug zu steuern.
     Noch auf dem Totenbette €uerte er sich in €hnlichem Sinne.
     Nicht vergebens, denn bald darauf verfìgte die Behærde  die Einstellung
des Handels mit den €rgerniserregenden Babinskischen Statuetten." - - -
     -  - - Zwakh tat einen m€chtigen Schluck  aus seinem Grogglas und  alle
drei grinsten wie  die Teufel, dann wandte er vorsichtig den Kopf  nach  der
farblosen Kellnerin, und ich sah, wie sie eine Tr€ne im Auge zerdrìckte.
      - "Na, und Sie geben nichts zum besten, auer - natìrlich - da Sie aus
Dankbarkeit   fìr   den   ìberstandenen  Kunstgenu  die   Zeche   berappen,
wertgesch€tzter Kollege und Gemmenschneider?", fragte mich  Vrieslander nach
einer langen Pause allgemeinen Tiefsinnes.
     Ich erz€hlte ihnen meine Wanderung durch den Nebel.
     Als ich in der  Schilderung  zu der  Stelle kam, wo ich das weie  Haus
erblickt hatte,  nahmen alle drei vor Spannung  die  Pfeifen aus den Z€hnen,
und als ich schlo, schlug Prokop mit der Faust auf den Tisch und rief:
     "Das ist doch rein - -! Alle Sagen, die es gibt,  erlebt dieser Pernath
am eigenen Kadaver. - A propos, der Golem von damals - Sie wissen: die Sache
hat sich aufgekl€rt."
     "Wieso aufgekl€rt?" fragte ich baff.
     "Sie kennen doch den verrìckten jìdischen Bettler Haschile? Nein? Nun
also: dieser Haschile war der Golem."
     "Ein Bettler der Golem?"
     "Jawohl, der Haschile war der Golem. Heute nachmittag ging das Gespenst
seelenvergnìgt   bei  hellichtem   Sonnenschein   in   seinem   berìchtigten
altmodischen  Anzug  aus  dem  XVII.  Jahrhundert  durch  die  Salnitergasse
spazieren, und  da  hat  es der  Schinder mit  einer Hundeschlinge glìcklich
eingefangen."
     "Was soll das heien? Ich verstehe kein Wort!" fuhr ich auf.
     "Ich sage  Ihnen doch: der  Haschile war  es! Er  hat die Kleider, hære
ich, vor l€ngerer Zeit hinter einem Haustor gefunden. - brigens, um auf das
weie  Haus  auf  der  Kleinseite  zurìckzukommen: die  Sache  ist furchtbar
interessant.  Es  geht  n€mlich  eine  alte  Sage,  da  dort  oben  in  der
Alchimistengasse ein Haus steht,  das nur bei Nebel sichtbar  wird, und auch
da blo Sonntagskindern. Man nennt es die Mauer zur letzten Laterne. Wer
bei Tag hinaufgeht,  sieht  dort nur einen groen,  grauen Stein, - dahinter
stìrzt es  j€h ab in die Tiefe in den Hirschgraben, und Sie kænnen von Glìck
sagen, Pernath,  da  Sie keinen Schritt  weiter gemacht  haben:  Sie  w€ren
unfehlbar hinuntergefallen und h€tten s€mtliche Knochen gebrochen.
     Unter dem Stein, heit es, ruht ein riesiger Schatz, und  er  soll  von
dem Orden der Asiatischen Brìder, die  angeblich Prag gegrìndet haben, als
Grundstein fìr ein  Haus gelegt worden sein, das  dereinst am  Ende der Tage
ein  Mensch bewohnen wird - besser gesagt ein  Hermaphrodit -  ein Geschæpf,
das sich aus  Mann und Weib zusammensetzt. Und der wird das Bild eines Hasen
im Wappen tragen, - nebenbei: der Hase  war das Symbol des Osiris, und daher
stammt wohl die Sitte mit dem Osterhasen.
     Bis die Zeit gekommen  ist, heit es, h€lt Methusalem in eigener Person
Wache an dem Ort, damit Satan  nicht den Stein beflattert und einen Sohn mit
ihm zeugt: den sogenannten Armilos. - Haben  Sie noch nie von diesem Armilos
erz€hlen  hæren? -  Sogar  wie er aussehen wìrde, wei man - das heit,  die
alten Rabbiner wissen es; - wenn er auf die Welt k€me:  Haare aus Gold wìrde
er haben,  rìckw€rts zum Schopf gebunden, dann: zwei Scheitel, sichelfærmige
Augen und Arme bis herunter zu den Fìen."
     "Dieses Ehrengigerl  sollte  man  aufzeichnen", brummte Vrieslander und
suchte nach einem Bleistift.
     "Also:  Pernath,  wenn  Sie  einmal   das   Glìck  haben  sollten,  ein
Hermaphrodit zu werden  und en passant den  vergrabenen  Schatz  zu finden,"
schlo Prokop, "dann vergessen Sie nicht,  da  ich  stets Ihr bester Freund
gewesen bin!"
     - Mir war nicht zum Spamachen zumute, und ich fìhlte ein leises Weh im
Herzen.
     Zwakh mochte es mir ansehen, wenn  er auch den Grund  nicht wute, denn
er kam mir rasch zu Hilfe:
     "Jedenfalls  ist es  hæchst  merkwìrdig,  fast unheimlich, da  Pernath
gerade eine Vision an jener Stelle hatte, die mit einer  uralten Sage so eng
verknìpft ist. - Da  sind  Zusammenh€nge,  aus deren Umklammerung  sich  ein
Mensch anscheinend  nicht befreien kann, wenn seine Seele die F€higkeit hat,
Formen zu  sehen,  die dem Tastsinn vorenthalten sind.  - Ich kann mir nicht
helfen: das bersinnliche ist doch das Reizvollste! - Was meint ihr?"
     Vrieslander  und Prokop waren  ernst geworden,  und jeder von uns hielt
eine Antwort fìr ìberflìssig.
     "Was  meinen Sie,  Eulalia?"  wiederholte Zwakh, zurìckgewendet,  seine
Frage.
     Die alte Kellnerin  kratzte  sich mit der Stricknadel am Kopf, seufzte,
errætete und sagte:
     "Aber g€hn' Sie! Sie sind mir ein Schlimmer."
     - "Na, und Sie geben nichts zum besten, auer - natìrlich - da Sie aus
Dankbarkeit   fìr   den   ìberstandenen  Kunstgenu  die   Zeche   berappen,
wertgesch€tzter Kollege und Gemmenschneider?", fragte mich  Vrieslander nach
einer langen Pause allgemeinen Tiefsinnes.
     Ich erz€hlte ihnen meine Wanderung durch den Nebel.
     Als ich in der  Schilderung  zu der  Stelle kam, wo ich das weie  Haus
erblickt hatte,  nahmen alle drei vor Spannung  die  Pfeifen aus den Z€hnen,
und als ich schlo, schlug Prokop mit der Faust auf den Tisch und rief:
     "Das ist doch rein - -! Alle Sagen, die es gibt,  erlebt dieser Pernath
am eigenen Kadaver. - A propos, der Golem von damals - Sie wissen: die Sache
hat sich aufgekl€rt."
     "Wieso aufgekl€rt?" fragte ich baff.
     "Sie kennen doch den verrìckten jìdischen Bettler Haschile? Nein? Nun
also: dieser Haschile war der Golem."
     "Ein Bettler der Golem?"
     "Jawohl, der Haschile war der Golem. Heute nachmittag ging das Gespenst
seelenvergnìgt   bei  hellichtem   Sonnenschein   in   seinem   berìchtigten
altmodischen  Anzug  aus  dem  XVII.  Jahrhundert  durch  die  Salnitergasse
spazieren, und  da  hat  es der  Schinder mit  einer Hundeschlinge glìcklich
eingefangen."
     "Was soll das heien? Ich verstehe kein Wort!" fuhr ich auf.
     "Ich sage  Ihnen doch: der  Haschile war  es! Er  hat die Kleider, hære
ich, vor l€ngerer Zeit hinter einem Haustor gefunden. - brigens, um auf das
weie  Haus  auf  der  Kleinseite  zurìckzukommen: die  Sache  ist furchtbar
interessant.  Es  geht  n€mlich  eine  alte  Sage,  da  dort  oben  in  der
Alchimistengasse ein Haus steht,  das nur bei Nebel sichtbar  wird, und auch
da blo Sonntagskindern. Man nennt es die Mauer zur letzten Laterne. Wer
bei Tag hinaufgeht,  sieht  dort nur einen groen,  grauen Stein, - dahinter
stìrzt es  j€h ab in die Tiefe in den Hirschgraben, und Sie kænnen von Glìck
sagen, Pernath,  da  Sie keinen Schritt  weiter gemacht  haben:  Sie  w€ren
unfehlbar hinuntergefallen und h€tten s€mtliche Knochen gebrochen.
     Unter dem Stein, heit es, ruht ein riesiger Schatz, und  er  soll  von
dem Orden der Asiatischen Brìder, die  angeblich Prag gegrìndet haben, als
Grundstein fìr ein  Haus gelegt worden sein, das  dereinst am  Ende der Tage
ein  Mensch bewohnen wird - besser gesagt ein  Hermaphrodit -  ein Geschæpf,
das sich aus  Mann und Weib zusammensetzt. Und der wird das Bild eines Hasen
im Wappen tragen, - nebenbei: der Hase  war das Symbol des Osiris, und daher
stammt wohl die Sitte mit dem Osterhasen.
     Bis die Zeit gekommen  ist, heit es, h€lt Methusalem in eigener Person
Wache an dem Ort, damit Satan  nicht den Stein beflattert und einen Sohn mit
ihm zeugt: den sogenannten Armilos. - Haben  Sie noch nie von diesem Armilos
erz€hlen  hæren? -  Sogar  wie er aussehen wìrde, wei man - das heit,  die
alten Rabbiner wissen es; - wenn er auf die Welt k€me:  Haare aus Gold wìrde
er haben,  rìckw€rts zum Schopf gebunden, dann: zwei Scheitel, sichelfærmige
Augen und Arme bis herunter zu den Fìen."
     "Dieses Ehrengigerl  sollte  man  aufzeichnen", brummte Vrieslander und
suchte nach einem Bleistift.
     "Also:  Pernath,  wenn  Sie  einmal   das   Glìck  haben  sollten,  ein
Hermaphrodit zu werden  und en passant den  vergrabenen  Schatz  zu finden,"
schlo Prokop, "dann vergessen Sie nicht,  da  ich  stets Ihr bester Freund
gewesen bin!"
     - Mir war nicht zum Spamachen zumute, und ich fìhlte ein leises Weh im
Herzen.
     Zwakh mochte es mir ansehen, wenn  er auch den Grund  nicht wute, denn
er kam mir rasch zu Hilfe:
     "Jedenfalls  ist es  hæchst  merkwìrdig,  fast unheimlich, da  Pernath
gerade eine Vision an jener Stelle hatte, die mit einer  uralten Sage so eng
verknìpft ist. - Da  sind  Zusammenh€nge,  aus deren Umklammerung  sich  ein
Mensch anscheinend  nicht befreien kann, wenn seine Seele die F€higkeit hat,
Formen zu  sehen,  die dem Tastsinn vorenthalten sind.  - Ich kann mir nicht
helfen: das bersinnliche ist doch das Reizvollste! - Was meint ihr?"
     Vrieslander  und Prokop waren  ernst geworden,  und jeder von uns hielt
eine Antwort fìr ìberflìssig.
     "Was  meinen Sie,  Eulalia?"  wiederholte Zwakh, zurìckgewendet,  seine
Frage.
     Die alte Kellnerin  kratzte  sich mit der Stricknadel am Kopf, seufzte,
errætete und sagte:
     "Aber g€hn' Sie! Sie sind mir ein Schlimmer."
      "Eine  verdammt  gespannte Luft war  heute den ganzen  Tag ìber",  fing
Vrieslander an, nachdem sich unser Heiterkeitsausbruch gelegt hatte,  "nicht
einen Pinselstrich  hab' ich  fertiggebracht. Fortw€hrend  hab'  ich an  die
Rosina denken mìssen, wie sie im Frack getanzt hat."
     "Ist sie wieder aufgefunden worden?", fragte ich.
     "Aufgefunden ist gut. Die Sittenpolizei hat sie doch fìr ein l€ngeres
Engagement gewonnen! - Vielleicht hat sie dem Herrn Kommiss€r - damals beim
Loisitschek, ins Auge  gestochen?  Jedenfalls  ist  sie jetzt  - fieberhaft
t€tig und tr€gt  wesentlich zur Hebung des Fremdenverkehrs in der Judenstadt
bei.  Ein verflucht dralles  Mensch ist sie  ìbrigens schon  geworden in der
kurzen Zeit."
     "Wenn  man bedenkt,  was  ein Weib  aus  einem  Mann machen  kann  blo
dadurch, da  sie ihn verliebt sein l€t in sich: es ist zum  Staunen", warf
Zwakh hin. "Um das Geld aufzubringen,  zu ihr gehen zu  kænnen, ist der arme
Bursche,  der  Jaromir,  ìber  Nacht  Kìnstler  geworden.  Er  geht  in  den
Wirtsh€usern herum  und schneidet  Silhouetten fìr G€ste aus, die  sich  auf
diese Art portr€tieren lassen."
     Prokop, der den Schlu ìberhært hatte, schmatzte mit den Lippen:
     "Wirklich?  Ist  sie so  hìbsch geworden, die  Rosina? - Haben  Sie ihr
schon ein Kìchen geraubt, Vrieslander?"
     Die Kellnerin sprang sofort auf und verlie indigniert das Zimmer.
     "Das Suppenhuhn!  Die  hat's wahrhaftig nætig,  - Tugendanf€lle! Pah!",
brummte Prokop €rgerlich hinter ihr drein.
     "Was wollen  Sie,  sie  ist doch bei der unrichtigen Stelle abgegangen.
Und auerdem war der Strumpf gerade fertig", beschwichtigte ihn Zwakh.
     "Eine  verdammt  gespannte Luft war  heute den ganzen  Tag ìber",  fing
Vrieslander an, nachdem sich unser Heiterkeitsausbruch gelegt hatte,  "nicht
einen Pinselstrich  hab' ich  fertiggebracht. Fortw€hrend  hab'  ich an  die
Rosina denken mìssen, wie sie im Frack getanzt hat."
     "Ist sie wieder aufgefunden worden?", fragte ich.
     "Aufgefunden ist gut. Die Sittenpolizei hat sie doch fìr ein l€ngeres
Engagement gewonnen! - Vielleicht hat sie dem Herrn Kommiss€r - damals beim
Loisitschek, ins Auge  gestochen?  Jedenfalls  ist  sie jetzt  - fieberhaft
t€tig und tr€gt  wesentlich zur Hebung des Fremdenverkehrs in der Judenstadt
bei.  Ein verflucht dralles  Mensch ist sie  ìbrigens schon  geworden in der
kurzen Zeit."
     "Wenn  man bedenkt,  was  ein Weib  aus  einem  Mann machen  kann  blo
dadurch, da  sie ihn verliebt sein l€t in sich: es ist zum  Staunen", warf
Zwakh hin. "Um das Geld aufzubringen,  zu ihr gehen zu  kænnen, ist der arme
Bursche,  der  Jaromir,  ìber  Nacht  Kìnstler  geworden.  Er  geht  in  den
Wirtsh€usern herum  und schneidet  Silhouetten fìr G€ste aus, die  sich  auf
diese Art portr€tieren lassen."
     Prokop, der den Schlu ìberhært hatte, schmatzte mit den Lippen:
     "Wirklich?  Ist  sie so  hìbsch geworden, die  Rosina? - Haben  Sie ihr
schon ein Kìchen geraubt, Vrieslander?"
     Die Kellnerin sprang sofort auf und verlie indigniert das Zimmer.
     "Das Suppenhuhn!  Die  hat's wahrhaftig nætig,  - Tugendanf€lle! Pah!",
brummte Prokop €rgerlich hinter ihr drein.
     "Was wollen  Sie,  sie  ist doch bei der unrichtigen Stelle abgegangen.
Und auerdem war der Strumpf gerade fertig", beschwichtigte ihn Zwakh.
      Der Wirt  brachte  neuen  Grog und die Gespr€che  fingen allm€hlich an,
eine  schwìle Richtung zu nehmen. Zu schwìl,  als da sie mir nicht ins Blut
gegangen w€ren bei meiner fiebrigen Stimmung.
     Ich str€ubte mich dagegen, aber je mehr ich mich innerlich abschlo und
an Angelina zurìckdachte, um so heier brauste es mir in den Ohren.
     Ziemlich unvermittelt verabschiedete ich mich.
     Der Nebel  war durchsichtiger  geworden,  sprìhte  feine  Eisnadeln auf
mich, war aber  immer noch so  dicht, da ich die Straentafeln  nicht lesen
konnte und von meinem Heimweg um ein geringes abkam.
     Ich war in eine andere Gasse geraten und wollte eben umkehren, da hærte
ich meinen Namen rufen:
     "Herr Pernath! Herr Pernath!"
     Ich blickte um mich, in die Hæhe:
     Niemand!
     Ein offenes Haustor, darìber diskret  eine kleine, rote Laterne, g€hnte
neben  mir  auf, und eine helle Gestalt  -  schien mir - stand  tief im Flur
darin.
     Wieder: "Herr Pernath! Herr Pernath!" Im Flìsterton.
     Ich trat erstaunt in den Gang, - da  schlangen sich warme Frauenarme um
meinen Hals, und  ich sah bei dem  Lichtstrahl,  der aus  einem sich langsam
æffnenden Tìrspalt fiel, da es Rosina war, die sich hei an mich prete.
        List
     Ein grauer, blinder Tag.
     Bis  tief  in  den  Morgen  hinein  hatte  ich   geschlafen,  traumlos,
bewutlos, wie ein Scheintoter.
     Meine   alte  Bedienerin   war   ausgeblieben  oder   hatte   vergessen
einzuheizen.
     Kalte Asche lag im Ofen.
     Staub auf den Mæbeln.
     Der Fuboden nicht gekehrt.
     Fræstelnd ging ich auf und ab.
     Widerw€rtiger  Geruch  nach  ausgeatmetem  Fusel lag  im  Zimmer.  Mein
Mantel, meine Kleider stanken nach altem Tabakrauch.
     Ich  ri  das Fenster  auf,  schlo es wieder: - der kalte,  schmutzige
Hauch von der Strae war unertr€glich.
     Spatzen  mit durchn€tem  Gefieder hockten regungslos  drauen auf  den
Dachrinnen.
     Wohin  ich  blickte,  mifarbene  Verdrossenheit.  Alles  in   mir  war
zerrissen, zerfetzt.
     Das  Sitzpolster  auf  dem Lehnstuhl  -  wie fadenscheinig  es war! Die
Rohaare quollen hervor aus den R€ndern.
     Man mute es zum Tapezierer schicken  - - ach was, sollte es so bleiben
- noch ein ædes Menschenleben hindurch, bis alles zu Gerumpel zerfiel!
     Und   dort,  welch   geschmackloser,   zweckwidriger   Plunder,   diese
Zwirnlappen an den Fenstern!
     Warum drehte ich sie nicht zu einem Strick und erhenkte mich daran?!
     Dann brauchte ich diese augenverletzenden Dinge wenigstens  nie mehr zu
sehen,  und  der  ganze graue,  zermìrbende Jammer  war  vorìber -  ein  fìr
allemal.
     Ja! Das war das gescheiteste! Ein Ende machen.
     Heute noch.
     Jetzt  noch  -  vormittags.  Gar nicht erst  zum  Essen  gehen.  -  Ein
ekelhafter Gedanke,  mit vollem Magen sich  aus der Welt zu schaffen! In der
nassen Erde liegen und unverdaute, verfaulende Speisen in sich zu haben.
     Wenn nur nie wieder die Sonne scheinen wollte und ihre freche Lìge  von
der Freude des Daseins einem ins Herz funkeln.
     Nein!  ich  lie  mich  nicht  mehr  narren,  wollte nicht  l€nger  der
Spielball sein eines  t€ppischen,  zwecklosen Schicksals, das  mich emporhob
und dann wieder  in Pfìtzen stie, blo damit ich die Verg€nglichkeit  alles
Irdischen einsehen sollte, etwas, was ich l€ngst wute, was jedes Kind wei,
jeder Hund auf der Strae wei.
     Arme, arme Mirjam! Wenn ich ihr wenigstens helfen kænnte.
     Es  hie,  einen  Entschlu  fassen,   einen  ernsten,  unab€nderlichen
Beschlu, bevor der  verfluchte  Trieb  zum  Dasein  wieder  in mir erwachen
konnte und mir neue Trugbilder vorgaukeln.
     Wozu hatten sie mir denn  gedient: alle diese Botschaften aus dem Reich
des Unverweslichen?
     Zu nichts, zu gar, gar nichts.
     Nur dazu  vielleicht, da ich im Kreis herumgetaumelt war und jetzt die
Erde als unmægliche Qual empfand.
     Da gab es nur noch eins.
     Ich rechnete  im Kopf zusammen, wieviel Geld  ich auf  der  Bank liegen
hatte.
     Ja,  nur  so ging es. Das war noch das Einzige, Winzige, was von meinen
nichtigen Taten im Leben irgendeinen Wert haben konnte!
     Alles, was ich  besa - die  paar Edelsteine in  der  Schublade dazu, -
zusammenschnìren  in ein  Paket  und  es  Mirjam  schicken.  Ein  paar Jahre
wenigstens wìrde es die Sorge ums t€gliche Leben von  ihr  nehmen. Und einen
Brief an Hillel schreiben, in dem ich ihm sagte, wie es um sie stand mit dem
"Wunder".
     Er allein konnte ihr helfen.
     Ich fìhlte: ja, er wìrde Rat wissen fìr sie.
     Ich suchte die  Steine zusammen, steckte sie ein, sah auf die Uhr: wenn
ich  jetzt  auf  die Bank ging - in  einer Stunde  konnte  alles in  Ordnung
gebracht sein.
     Und dann noch  einen Strau roter Rosen kaufen fìr Angelina! - - - - es
schrie auf in mir vor  Weh und wilder Sehnsucht. - Nur noch einen Tag, einen
einzigen Tag mæchte ich leben!
     Um dann abermals dieselbe wìrgende Verzweiflung mitmachen zu mìssen?
     Nein, nicht eine einzige Minute  mehr warten!  Es  kam wie Befriedigung
ìber mich, da ich mir nicht nachgegeben hatte.
     Ich blickte umher. Blieb mir noch etwas zu tun?
     Richtig: die Feile  dort. Ich  steckte sie in die  Tasche, - wollte sie
fortwerfen irgendwo auf der Gasse, wie ich es mir neulich schon vorgenommen.
     Ich  hate die Feile! Wieviel  hatte gefehlt, und  ich w€re zum  Mærder
geworden durch sie.
     Der Wirt  brachte  neuen  Grog und die Gespr€che  fingen allm€hlich an,
eine  schwìle Richtung zu nehmen. Zu schwìl,  als da sie mir nicht ins Blut
gegangen w€ren bei meiner fiebrigen Stimmung.
     Ich str€ubte mich dagegen, aber je mehr ich mich innerlich abschlo und
an Angelina zurìckdachte, um so heier brauste es mir in den Ohren.
     Ziemlich unvermittelt verabschiedete ich mich.
     Der Nebel  war durchsichtiger  geworden,  sprìhte  feine  Eisnadeln auf
mich, war aber  immer noch so  dicht, da ich die Straentafeln  nicht lesen
konnte und von meinem Heimweg um ein geringes abkam.
     Ich war in eine andere Gasse geraten und wollte eben umkehren, da hærte
ich meinen Namen rufen:
     "Herr Pernath! Herr Pernath!"
     Ich blickte um mich, in die Hæhe:
     Niemand!
     Ein offenes Haustor, darìber diskret  eine kleine, rote Laterne, g€hnte
neben  mir  auf, und eine helle Gestalt  -  schien mir - stand  tief im Flur
darin.
     Wieder: "Herr Pernath! Herr Pernath!" Im Flìsterton.
     Ich trat erstaunt in den Gang, - da  schlangen sich warme Frauenarme um
meinen Hals, und  ich sah bei dem  Lichtstrahl,  der aus  einem sich langsam
æffnenden Tìrspalt fiel, da es Rosina war, die sich hei an mich prete.
        List
     Ein grauer, blinder Tag.
     Bis  tief  in  den  Morgen  hinein  hatte  ich   geschlafen,  traumlos,
bewutlos, wie ein Scheintoter.
     Meine   alte  Bedienerin   war   ausgeblieben  oder   hatte   vergessen
einzuheizen.
     Kalte Asche lag im Ofen.
     Staub auf den Mæbeln.
     Der Fuboden nicht gekehrt.
     Fræstelnd ging ich auf und ab.
     Widerw€rtiger  Geruch  nach  ausgeatmetem  Fusel lag  im  Zimmer.  Mein
Mantel, meine Kleider stanken nach altem Tabakrauch.
     Ich  ri  das Fenster  auf,  schlo es wieder: - der kalte,  schmutzige
Hauch von der Strae war unertr€glich.
     Spatzen  mit durchn€tem  Gefieder hockten regungslos  drauen auf  den
Dachrinnen.
     Wohin  ich  blickte,  mifarbene  Verdrossenheit.  Alles  in   mir  war
zerrissen, zerfetzt.
     Das  Sitzpolster  auf  dem Lehnstuhl  -  wie fadenscheinig  es war! Die
Rohaare quollen hervor aus den R€ndern.
     Man mute es zum Tapezierer schicken  - - ach was, sollte es so bleiben
- noch ein ædes Menschenleben hindurch, bis alles zu Gerumpel zerfiel!
     Und   dort,  welch   geschmackloser,   zweckwidriger   Plunder,   diese
Zwirnlappen an den Fenstern!
     Warum drehte ich sie nicht zu einem Strick und erhenkte mich daran?!
     Dann brauchte ich diese augenverletzenden Dinge wenigstens  nie mehr zu
sehen,  und  der  ganze graue,  zermìrbende Jammer  war  vorìber -  ein  fìr
allemal.
     Ja! Das war das gescheiteste! Ein Ende machen.
     Heute noch.
     Jetzt  noch  -  vormittags.  Gar nicht erst  zum  Essen  gehen.  -  Ein
ekelhafter Gedanke,  mit vollem Magen sich  aus der Welt zu schaffen! In der
nassen Erde liegen und unverdaute, verfaulende Speisen in sich zu haben.
     Wenn nur nie wieder die Sonne scheinen wollte und ihre freche Lìge  von
der Freude des Daseins einem ins Herz funkeln.
     Nein!  ich  lie  mich  nicht  mehr  narren,  wollte nicht  l€nger  der
Spielball sein eines  t€ppischen,  zwecklosen Schicksals, das  mich emporhob
und dann wieder  in Pfìtzen stie, blo damit ich die Verg€nglichkeit  alles
Irdischen einsehen sollte, etwas, was ich l€ngst wute, was jedes Kind wei,
jeder Hund auf der Strae wei.
     Arme, arme Mirjam! Wenn ich ihr wenigstens helfen kænnte.
     Es  hie,  einen  Entschlu  fassen,   einen  ernsten,  unab€nderlichen
Beschlu, bevor der  verfluchte  Trieb  zum  Dasein  wieder  in mir erwachen
konnte und mir neue Trugbilder vorgaukeln.
     Wozu hatten sie mir denn  gedient: alle diese Botschaften aus dem Reich
des Unverweslichen?
     Zu nichts, zu gar, gar nichts.
     Nur dazu  vielleicht, da ich im Kreis herumgetaumelt war und jetzt die
Erde als unmægliche Qual empfand.
     Da gab es nur noch eins.
     Ich rechnete  im Kopf zusammen, wieviel Geld  ich auf  der  Bank liegen
hatte.
     Ja,  nur  so ging es. Das war noch das Einzige, Winzige, was von meinen
nichtigen Taten im Leben irgendeinen Wert haben konnte!
     Alles, was ich  besa - die  paar Edelsteine in  der  Schublade dazu, -
zusammenschnìren  in ein  Paket  und  es  Mirjam  schicken.  Ein  paar Jahre
wenigstens wìrde es die Sorge ums t€gliche Leben von  ihr  nehmen. Und einen
Brief an Hillel schreiben, in dem ich ihm sagte, wie es um sie stand mit dem
"Wunder".
     Er allein konnte ihr helfen.
     Ich fìhlte: ja, er wìrde Rat wissen fìr sie.
     Ich suchte die  Steine zusammen, steckte sie ein, sah auf die Uhr: wenn
ich  jetzt  auf  die Bank ging - in  einer Stunde  konnte  alles in  Ordnung
gebracht sein.
     Und dann noch  einen Strau roter Rosen kaufen fìr Angelina! - - - - es
schrie auf in mir vor  Weh und wilder Sehnsucht. - Nur noch einen Tag, einen
einzigen Tag mæchte ich leben!
     Um dann abermals dieselbe wìrgende Verzweiflung mitmachen zu mìssen?
     Nein, nicht eine einzige Minute  mehr warten!  Es  kam wie Befriedigung
ìber mich, da ich mir nicht nachgegeben hatte.
     Ich blickte umher. Blieb mir noch etwas zu tun?
     Richtig: die Feile  dort. Ich  steckte sie in die  Tasche, - wollte sie
fortwerfen irgendwo auf der Gasse, wie ich es mir neulich schon vorgenommen.
     Ich  hate die Feile! Wieviel  hatte gefehlt, und  ich w€re zum  Mærder
geworden durch sie.
      Wer kam mich denn da wieder stæren?
     Es war der Trædler.
     "Nur en Augenblick, Herr  von Pernath", bat er fassungslos, als ich ihm
bedeutete, da ich keine Zeit h€tte. "Nur en ganz en kurzen Augenblick.  Nur
€ paar Worte."
     Der Schwei lief ihm ìbers Gesicht, und er zitterte vor Aufregung.
     "Kann man hier auch ungestært mit Ihnen sprechen, Herr von Pernath? Ich
mæcht'  nicht, da  der  -  der Hillel wieder hereinkommt.  Sperren Sie doch
lieber die Tìr  ab, oder geh'mer besser ins Nebenzimmer", - er  zog mich  in
seiner gewohnten, heftigen Art hinter sich drein.
     Dann sah er sich ein paarmal scheu um und flìsterte heiser:
     "Ich  hab mir's  ìberlegt, wissen  Sie, - das von neilich. Es is besser
so. Es kommt nix hereaus dabei. Gut. Vorìber is vorìber."
     Ich suchte in seinen Augen zu lesen.
     Er  hielt meinen Blick aus, krampfte aber die Hand  in die  Stuhllehne,
solche Anstrengung kostete es ihn.
     "Das freut mich, Herr Wassertrum," sagte ich, so freundlich ich konnte,
"das  Leben ist  zu  trìb,  als  da man es sich gegenseitig  noch  mit  Ha
verbittern sollte."
     "Rein,  als  ob  man  ein  gedrìcktes  Buch  reden  hært,"  grunzte  er
erleichtert, wìhlte in  seinen  Hosentaschen und zog wieder die  goldene Uhr
mit den  verbogenen Sprungdeckeln hervor,  "und damit Sie  sehen, ich mein's
ehrlich, mìssen Sie die Kleinigkeit da von mir annehmen. Als Geschenk."
     "Was f€llt Ihnen denn ein,"  wehrte ich ab, "Sie werden doch wohl nicht
glauben  -", da fiel  mir  ein, was Mirjam ìber ihn gesagt  hatte,  und  ich
streckte ihm die Hand hin, um ihn nicht zu kr€nken.
     Er achtete  nicht darauf,  wurde plætzlich wei wie die Wand,  lauschte
und ræchelte:
     "Da! Da! Hab' ich's doch gewut. Schon wieder der Hillel! Er klopft."
     Ich horchte, ging ins andere Zimmer zurìck und zog zu seiner Beruhigung
die Verbindungstìr hinter mir halb zu.
     Es war  diesmal  nicht  Hillel. Charousek  trat  ein,  legte,  wie  zum
Zeichen,  da  er  wisse, wer nebenan sei,  den  Finger  an die  Lippen  und
ìberschìttete  mich in der  n€chsten Sekunde und ohne  abzuwarten,  was  ich
sagen wìrde, mit einem Schwall von Worten:
     "Oh, mein hochverehrter, liebwerter Meister  Pernath, wie  soll ich nur
die Worte finden, Ihnen  meine Freude auszudrìcken, da  ich Sie allein  und
wohlauf zu Hause antreffe." - - -  Er sprach wie ein Schauspieler, und seine
schwìlstige, unnatìrliche Redeweise  stand in so krassem Gegensatz zu seinem
verzerrten Gesicht, da ich ein tiefes Grauen vor ihm empfand.
     "Niemals h€tte  ich,  Meister, es gewagt, in dem zerlumpten Zustande zu
Ihnen zu  kommen, in  dem Sie  mich gewi schon des  æfteren auf der  Strae
erblickt  haben,  -  doch, was sage  ich: erblickt! haben  Sie mir doch  oft
huldreich die Hand gereicht.
     Da ich heute vor Sie hintreten kann mit weiem Kragen und  in sauberem
Anzug,  - wissen Sie, wem  ich es verdanke? Einem der edelsten und  leider -
ach - meist verkannten Menschen unserer Stadt. Rìhrung ìbermannt  mich, wenn
ich seiner gedenke.
     Selber in bescheidenen Verh€ltnissen, hat er  dennoch eine offene  Hand
fìr Arme und  Bedìrftige.  Von jeher, wenn ich ihn traurig vor seinem  Laden
stehen sah, trieb  es mich aus tiefstem Herzen heraus, zu  ihm zu treten und
ihm stumm die Hand zu drìcken.
     Vor  einigen Tagen rief er mich an,  als  ich vorìberging, schenkte mir
Geld und versetzte  mich dadurch in die Lage, mir  gegen Ratenzahlung  einen
Anzug kaufen zu kænnen.
     Und wissen Sie, Meister Pernath, wer mein Wohlt€ter war? -
     Mit Stolz  sage ich es, denn  ich war von jeher der einzige, der geahnt
hat,  welch  goldenes  Herz  in seinem  Busen schl€gt: Es  war - Herr  Aaron
Wassertrum!" - -
     -  -  Ich verstand  natìrlich,  da  Charousek seine  Komædie  auf  den
Trædler,  der nebenan lauschte, gemìnzt hatte,  wenn mir auch unklar  blieb,
was er damit bezweckte; keinesfalls schien mir die allzuplumpe  Schmeichelei
geeignet, den mitrauischen Wassertrum  hinters Licht  zu fìhren.  Charousek
erriet offenbar aus meiner  bedenklichen Miene, was  ich dachte,  schìttelte
grinsend den Kopf, und auch seine n€chsten Worte sollten mir  wahrscheinlich
sagen,  da er seinen  Mann  genau kenne und wisse,  wie dick  er  auftragen
dìrfe.
     "Jawohl! Herr - Aaron - Wassertrum! Es drìckt mir fast das Herz ab, da
ich ihm nicht selbst  sagen  kann,  wie  unendlich  dankbar ich ihm bin, und
beschwære Sie, Meister, verraten Sie ihm niemals, da ich hier war und Ihnen
alles  erz€hlt  habe.  -  Ich wei,  die Selbstsucht der  Menschen  hat  ihn
verbittert  und tiefes, unheilbares  -  ach, leider  nur zu gerechtfertigtes
Mitrauen in seine Brust gepflanzt.
     Ich bin Seelenarzt,  aber auch mein Gefìhl sagt mir, es  ist am besten:
Herr Wassertrum erf€hrt nie - auch aus meinem Munde nicht - wie hoch ich von
ihm denke. - Es hiee das:  Zweifel in sein unglìckliches Herz s€en. Und das
sei ferne von mir. Lieber soll er mich fìr undankbar halten.
     Meister  Pernath!  Ich  bin  selbst  ein  Unglìcklicher  und  wei  von
Kindesbeinen an,  was es heit, einsam und verlassen in der Welt zu  stehen!
Ich kenne nicht einmal den  Namen  meines Vaters.  Auch mein Mìtterlein habe
ich niemals von Angesicht zu Angesicht gesehen. Sie mu frìhzeitig gestorben
sein -"  Charouseks Stimme wurde  seltsam geheimnisvoll und eindringlich,  -
"und  war,  wie  ich  bestimmt glaube,  eine  jener tiefseelisch  angelegten
Naturen, die nie sagen kænnen,  wie unendlich sie lieben, und zu denen  auch
Herr Aaron Wassertrum gehært.
     Ich besitze eine abgerissene Seite aus dem Tagebuch meiner Mutter - ich
trage das Blatt best€ndig auf  der Brust -  und  darin steht, da sie meinen
Vater, obschon er h€lich gewesen sein soll, geliebt hat, wie wohl noch  nie
ein sterbliches Weib auf Erden einen Mann geliebt hat.
     Dennoch scheint sie es nie gesagt  zu haben. - Vielleicht aus €hnlichen
Grìnden, weshalb ich z.  B. Herrn Wassertrum  nicht sagen kænnte -  und wenn
mir das Herz darìber br€che - was ich fìr ihn an Dankbarkeit fìhle.
     Aber noch eins geht aus dem Tagebuchblatt hervor,  wenn ich es auch nur
erraten  kann, denn die S€tze  sind  fast unleserlich vor Tr€nenspuren: mein
Vater  - sein  Andenken  mæge  vergehen  im  Himmel  und  auf  Erden! -  mu
scheulich an meiner Mutter gehandelt haben."
     - Charousek fiel  plætzlich  auf die Knie, da  der Boden  dræhnte, und
schrie in so markerschìtternden Tænen, da ich nicht wute, spielte  er noch
immer Komædie oder war er wahnsinnig geworden:
     "Du Allm€chtiger,  dessen Namen der Mensch nicht aussprechen soll, hier
auf meinen Knien liege ich vor Dir: verflucht, verflucht, verflucht sei mein
Vater in alle Ewigkeit!"
     Er  bi das letzte Wort færmlich entzwei  und horchte eine Sekunde lang
mit aufgerissenen Augen.
     Dann feixte er wie der Satan. Auch mir schien  es, als h€tte Wassertrum
nebenan leise gestæhnt.
     "Verzeihen Sie, Meister," fuhr Charousek nach einer Pause mit mimenhaft
erstickter Stimme fort, "verzeihen Sie, da  es mich  ìbermannt hat, aber es
ist  mein  Gebet  frìh  und sp€t, der Allm€chtige wolle  es  fìgen, da mein
Vater, wer immer er auch sein mæge, dereinst das gr€lichste Ende nehme, das
sich ausdenken l€t."
     Ich wollte unwillkìrlich  etwas erwidern,  allein  Charousek unterbrach
mich rasch:
     "Doch jetzt,  Meister Pernath, komme  ich zu  der Bitte, die  ich Ihnen
vorzutragen habe:
     Herr Wassertrum  besa einen Schìtzling, den er ìber die Maen ins Herz
geschlossen  hatte, - es  dìrfte  ein Neffe von  ihm gewesen sein. Es  heit
sogar, es sei sein Sohn gewesen,  aber ich will es nicht glauben, denn sonst
h€tte  er  doch  denselben  Namen  getragen, in  Wirklichkeit  aber hie er:
Wassory, Dr. Theodor Wassory.
     Die  Tr€nen treten mir in  die  Augen, wenn  ich ihn im Geiste vor  mir
sehe. Ich war ihm aus ganzer Seele zugetan, als h€tte mich ein unmittelbares
Band der Liebe und Verwandtschaft mit ihm verknìpft."
     Charousek   schluchzte,   als   kænne   er   vor   Ergriffenheit   kaum
weitersprechen.
     "Ach, da dieser Edeling von der Erde gehen mute! - Ach! Ach!
     Was auch  der Grund gewesen sein mag, - ich habe ihn nie erfahren, - er
hat sich selbst den  Tod gegeben.  Und ich  war unter denen,  die  zu  Hilfe
gerufen wurden - - ach, ach, zu sp€t - zu  sp€t - zu sp€t! Und als ich  dann
allein  am  Totenlager  stand  und  seine  kalte,  bleiche Hand  mit  Kìssen
bedeckte,  da -  warum soll ich  es nicht eingestehen, Meister Pernath? - es
war ja doch kein Diebstahl - da nahm ich eine Rose von der  Brust der Leiche
und eignete mir das Fl€schchen an, mit dessen Inhalt der Unglìckliche seinem
blìhenden Leben ein schnelles Ende bereitet hatte."
     Charousek zog eine Medizinflasche hervor und fuhr bebend fort:
     "Beides lege  ich hier auf  Ihren  Tisch,  die verdorrte  Rose und  die
Phiole; sie waren mir ein Andenken an meinen dahingegangenen Freund.
     Wie  oft  in  Stunden  innerer Verlassenheit,  wenn  ich  mir  den  Tod
herbeiwìnschte  in  der Einsamkeit  meines  Herzens und  der  Sehnsucht nach
meiner toten Mutter, spielte ich mit diesem Fl€schchen, und es gab mir einen
seligen Trost, zu  wissen:  ich brauchte nur die Flìssigkeit auf ein Tuch zu
gieen und  einzuatmen und schwebte schmerzlos  hinìber in  die Gefilde,  wo
mein lieber, guter Theodor ausruht von den Mìhsalen unseres Jammertales.
     Und  nun  bitte ich Sie, hochverehrter Meister, - und  deswegen bin ich
hergekommen - nehmen Sie beides und bringen Sie es Herrn Wassertrum.
     Sagen  Sie,  Sie  h€tten  es  von  jemandem bekommen,  dem Dr.  Wassory
nahestand,  dessen  Namen  Sie  jedoch  gelobt  h€tten,  nie  zu  nennen,  -
vielleicht von einer Dame.
     Er  wird es glauben,  und  es wird  ihm ein Andenken sein,  wie es  ein
teures Andenken fìr mich war.
     Das soll der heimliche Dank sein, den ich ihm gebe. Ich bin arm  und es
ist  alles, was ich habe,  aber es macht mich  froh,  zu wissen: beides wird
jetzt ihm gehæren, und dennoch ahnt er nicht, da ich der Geber bin.
     Es liegt darin zugleich auch fìr mich etwas unendlich Sìes.
     Und  jetzt leben  Sie  wohl, teurer Meister, und  seien  Sie  im voraus
vieltausendmal bedankt."
     Er hielt  meine  Hand fest,  zwinkerte und flìsterte mir, als  ich noch
immer nicht verstand, kaum hærbar etwas zu.
     "Warten  Sie,   Herr   Charousek,   ich   werde   Sie   ein   Stìckchen
hinunterbegleiten", sagte ich  mechanisch die Worte nach, die ich von seinen
Lippen las, und ging mit ihm hinaus.
     Auf dem finsteren Treppenabsatz im ersten Stock blieben wir stehen, und
ich wollte mich von Charousek verabschieden.
     "Ich kann mir denken, was Sie mit der Komædie bezweckt haben. - - Sie -
Sie wollen,  da sich Wassertrum mit dem Fl€schchen vergiftet!" Ich sagte es
ihm ins Gesicht.
     "Freilich", gab Charousek aufger€umt zu.
     "Und dazu, glauben Sie, werde ich meine Hand bieten?"
     "Durchaus nicht nætig."
     "Aber ich  sollte  Wassertrum doch  die  Flasche  bringen,  sagten  Sie
vorhin!"
     Charousek schìttelte den Kopf:
     "Wenn  Sie  jetzt  zurìckgehen, werden Sie  sehen,  da  er sie bereits
eingesteckt hat."
     "Wie kænnen Sie das nur annehmen?",  fragte ich  erstaunt. "Ein  Mensch
wie Wassertrum  wird sich  niemals umbringen,  -  ist viel  zu  feig  dazu -
handelt nie nach plætzlichen Impulsen."
     "Da kennen Sie das schleichende Gift der  Suggestion nicht", unterbrach
mich Charousek ernst. "H€tte ich in allt€glichen Worten geredet,  wìrden Sie
vielleicht recht behalten, aber auch den kleinsten Tonfall habe  ich  vorher
berechnet. Nur das widerlichste Pathos wirkt auf solche Hundsfætter! Glauben
Sie mir! Sein Mienenspiel bei jedem meiner S€tze h€tte ich Ihnen hinzeichnen
kænnen.  - Kein Kitsch wie  es die Maler nennen, ist niedertr€chtig genug,
als da er nicht der bis  ins Mark  verlogenen Menge Tr€nen  entlockte - sie
ins Herz trifft! Glauben Sie denn, man h€tte nicht l€ngst  s€mtliche Theater
mit   Feuer  und  Schwert   ausgetilgt,   wenn   es  anders  w€re?  An   der
Sentimentalit€t  erkennt  man  die  Kanaille.  Tausende  armer Teufel kænnen
verhungern, da wird nicht geweint, aber wenn ein Schminkkamel auf der Buhne,
als Bauerntrampel  verkleidet, die Augen verdreht,  dann heulen  sie wie die
Schlohunde. - -  Wenn V€terchen Wassertrum vielleicht auch morgen vergessen
hat,  was ihm soeben  noch  - Herzjauche kostete:  jedes meiner  Worte  wird
wieder  in ihm  lebendig werden, wenn die Stunden  reifen, wo er sich selbst
unendlich bedauernswert vorkommt. - In solchen Momenten des groen Misereres
bedarf es blo eines leisen Anstoes, -  und fìr den werde  ich sorgen - und
selbst  die feigste Pfote  greift nach dem Gift. Es  mu nur zur Hand  sein!
Theodorchen h€tte wahrscheinlich auch nicht zugegrapst, wenn ich's ihm nicht
so bequem gemacht h€tte."
     "Charousek,  Sie  sind ein  furchtbarer  Mensch",  rief  ich  entsetzt.
"Empfinden Sie denn gar kein - - -"
     Er hielt mir schnell den Mund zu und dr€ngte mich in eine Mauernische!
     "Still! Da ist er!"
     Mit taumelnden Schritten, sich an der Wand stìtzend, kam Wassertrum die
Stiege herunter und wankte an uns vorìber.
     Charousek schìttelte mir fluchtig die Hand und schlich ihm nach. - -
     Als ich in mein Zimmer zurìckgekehrt war, sah ich, da die Rose und das
Fl€schchen verschwunden waren und an ihrer Stelle die goldene, zerbeulte Uhr
des Trædlers auf dem Tisch lag.
     Wer kam mich denn da wieder stæren?
     Es war der Trædler.
     "Nur en Augenblick, Herr  von Pernath", bat er fassungslos, als ich ihm
bedeutete, da ich keine Zeit h€tte. "Nur en ganz en kurzen Augenblick.  Nur
€ paar Worte."
     Der Schwei lief ihm ìbers Gesicht, und er zitterte vor Aufregung.
     "Kann man hier auch ungestært mit Ihnen sprechen, Herr von Pernath? Ich
mæcht'  nicht, da  der  -  der Hillel wieder hereinkommt.  Sperren Sie doch
lieber die Tìr  ab, oder geh'mer besser ins Nebenzimmer", - er  zog mich  in
seiner gewohnten, heftigen Art hinter sich drein.
     Dann sah er sich ein paarmal scheu um und flìsterte heiser:
     "Ich  hab mir's  ìberlegt, wissen  Sie, - das von neilich. Es is besser
so. Es kommt nix hereaus dabei. Gut. Vorìber is vorìber."
     Ich suchte in seinen Augen zu lesen.
     Er  hielt meinen Blick aus, krampfte aber die Hand  in die  Stuhllehne,
solche Anstrengung kostete es ihn.
     "Das freut mich, Herr Wassertrum," sagte ich, so freundlich ich konnte,
"das  Leben ist  zu  trìb,  als  da man es sich gegenseitig  noch  mit  Ha
verbittern sollte."
     "Rein,  als  ob  man  ein  gedrìcktes  Buch  reden  hært,"  grunzte  er
erleichtert, wìhlte in  seinen  Hosentaschen und zog wieder die  goldene Uhr
mit den  verbogenen Sprungdeckeln hervor,  "und damit Sie  sehen, ich mein's
ehrlich, mìssen Sie die Kleinigkeit da von mir annehmen. Als Geschenk."
     "Was f€llt Ihnen denn ein,"  wehrte ich ab, "Sie werden doch wohl nicht
glauben  -", da fiel  mir  ein, was Mirjam ìber ihn gesagt  hatte,  und  ich
streckte ihm die Hand hin, um ihn nicht zu kr€nken.
     Er achtete  nicht darauf,  wurde plætzlich wei wie die Wand,  lauschte
und ræchelte:
     "Da! Da! Hab' ich's doch gewut. Schon wieder der Hillel! Er klopft."
     Ich horchte, ging ins andere Zimmer zurìck und zog zu seiner Beruhigung
die Verbindungstìr hinter mir halb zu.
     Es war  diesmal  nicht  Hillel. Charousek  trat  ein,  legte,  wie  zum
Zeichen,  da  er  wisse, wer nebenan sei,  den  Finger  an die  Lippen  und
ìberschìttete  mich in der  n€chsten Sekunde und ohne  abzuwarten,  was  ich
sagen wìrde, mit einem Schwall von Worten:
     "Oh, mein hochverehrter, liebwerter Meister  Pernath, wie  soll ich nur
die Worte finden, Ihnen  meine Freude auszudrìcken, da  ich Sie allein  und
wohlauf zu Hause antreffe." - - -  Er sprach wie ein Schauspieler, und seine
schwìlstige, unnatìrliche Redeweise  stand in so krassem Gegensatz zu seinem
verzerrten Gesicht, da ich ein tiefes Grauen vor ihm empfand.
     "Niemals h€tte  ich,  Meister, es gewagt, in dem zerlumpten Zustande zu
Ihnen zu  kommen, in  dem Sie  mich gewi schon des  æfteren auf der  Strae
erblickt  haben,  -  doch, was sage  ich: erblickt! haben  Sie mir doch  oft
huldreich die Hand gereicht.
     Da ich heute vor Sie hintreten kann mit weiem Kragen und  in sauberem
Anzug,  - wissen Sie, wem  ich es verdanke? Einem der edelsten und  leider -
ach - meist verkannten Menschen unserer Stadt. Rìhrung ìbermannt  mich, wenn
ich seiner gedenke.
     Selber in bescheidenen Verh€ltnissen, hat er  dennoch eine offene  Hand
fìr Arme und  Bedìrftige.  Von jeher, wenn ich ihn traurig vor seinem  Laden
stehen sah, trieb  es mich aus tiefstem Herzen heraus, zu  ihm zu treten und
ihm stumm die Hand zu drìcken.
     Vor  einigen Tagen rief er mich an,  als  ich vorìberging, schenkte mir
Geld und versetzte  mich dadurch in die Lage, mir  gegen Ratenzahlung  einen
Anzug kaufen zu kænnen.
     Und wissen Sie, Meister Pernath, wer mein Wohlt€ter war? -
     Mit Stolz  sage ich es, denn  ich war von jeher der einzige, der geahnt
hat,  welch  goldenes  Herz  in seinem  Busen schl€gt: Es  war - Herr  Aaron
Wassertrum!" - -
     -  -  Ich verstand  natìrlich,  da  Charousek seine  Komædie  auf  den
Trædler,  der nebenan lauschte, gemìnzt hatte,  wenn mir auch unklar  blieb,
was er damit bezweckte; keinesfalls schien mir die allzuplumpe  Schmeichelei
geeignet, den mitrauischen Wassertrum  hinters Licht  zu fìhren.  Charousek
erriet offenbar aus meiner  bedenklichen Miene, was  ich dachte,  schìttelte
grinsend den Kopf, und auch seine n€chsten Worte sollten mir  wahrscheinlich
sagen,  da er seinen  Mann  genau kenne und wisse,  wie dick  er  auftragen
dìrfe.
     "Jawohl! Herr - Aaron - Wassertrum! Es drìckt mir fast das Herz ab, da
ich ihm nicht selbst  sagen  kann,  wie  unendlich  dankbar ich ihm bin, und
beschwære Sie, Meister, verraten Sie ihm niemals, da ich hier war und Ihnen
alles  erz€hlt  habe.  -  Ich wei,  die Selbstsucht der  Menschen  hat  ihn
verbittert  und tiefes, unheilbares  -  ach, leider  nur zu gerechtfertigtes
Mitrauen in seine Brust gepflanzt.
     Ich bin Seelenarzt,  aber auch mein Gefìhl sagt mir, es  ist am besten:
Herr Wassertrum erf€hrt nie - auch aus meinem Munde nicht - wie hoch ich von
ihm denke. - Es hiee das:  Zweifel in sein unglìckliches Herz s€en. Und das
sei ferne von mir. Lieber soll er mich fìr undankbar halten.
     Meister  Pernath!  Ich  bin  selbst  ein  Unglìcklicher  und  wei  von
Kindesbeinen an,  was es heit, einsam und verlassen in der Welt zu  stehen!
Ich kenne nicht einmal den  Namen  meines Vaters.  Auch mein Mìtterlein habe
ich niemals von Angesicht zu Angesicht gesehen. Sie mu frìhzeitig gestorben
sein -"  Charouseks Stimme wurde  seltsam geheimnisvoll und eindringlich,  -
"und  war,  wie  ich  bestimmt glaube,  eine  jener tiefseelisch  angelegten
Naturen, die nie sagen kænnen,  wie unendlich sie lieben, und zu denen  auch
Herr Aaron Wassertrum gehært.
     Ich besitze eine abgerissene Seite aus dem Tagebuch meiner Mutter - ich
trage das Blatt best€ndig auf  der Brust -  und  darin steht, da sie meinen
Vater, obschon er h€lich gewesen sein soll, geliebt hat, wie wohl noch  nie
ein sterbliches Weib auf Erden einen Mann geliebt hat.
     Dennoch scheint sie es nie gesagt  zu haben. - Vielleicht aus €hnlichen
Grìnden, weshalb ich z.  B. Herrn Wassertrum  nicht sagen kænnte -  und wenn
mir das Herz darìber br€che - was ich fìr ihn an Dankbarkeit fìhle.
     Aber noch eins geht aus dem Tagebuchblatt hervor,  wenn ich es auch nur
erraten  kann, denn die S€tze  sind  fast unleserlich vor Tr€nenspuren: mein
Vater  - sein  Andenken  mæge  vergehen  im  Himmel  und  auf  Erden! -  mu
scheulich an meiner Mutter gehandelt haben."
     - Charousek fiel  plætzlich  auf die Knie, da  der Boden  dræhnte, und
schrie in so markerschìtternden Tænen, da ich nicht wute, spielte  er noch
immer Komædie oder war er wahnsinnig geworden:
     "Du Allm€chtiger,  dessen Namen der Mensch nicht aussprechen soll, hier
auf meinen Knien liege ich vor Dir: verflucht, verflucht, verflucht sei mein
Vater in alle Ewigkeit!"
     Er  bi das letzte Wort færmlich entzwei  und horchte eine Sekunde lang
mit aufgerissenen Augen.
     Dann feixte er wie der Satan. Auch mir schien  es, als h€tte Wassertrum
nebenan leise gestæhnt.
     "Verzeihen Sie, Meister," fuhr Charousek nach einer Pause mit mimenhaft
erstickter Stimme fort, "verzeihen Sie, da  es mich  ìbermannt hat, aber es
ist  mein  Gebet  frìh  und sp€t, der Allm€chtige wolle  es  fìgen, da mein
Vater, wer immer er auch sein mæge, dereinst das gr€lichste Ende nehme, das
sich ausdenken l€t."
     Ich wollte unwillkìrlich  etwas erwidern,  allein  Charousek unterbrach
mich rasch:
     "Doch jetzt,  Meister Pernath, komme  ich zu  der Bitte, die  ich Ihnen
vorzutragen habe:
     Herr Wassertrum  besa einen Schìtzling, den er ìber die Maen ins Herz
geschlossen  hatte, - es  dìrfte  ein Neffe von  ihm gewesen sein. Es  heit
sogar, es sei sein Sohn gewesen,  aber ich will es nicht glauben, denn sonst
h€tte  er  doch  denselben  Namen  getragen, in  Wirklichkeit  aber hie er:
Wassory, Dr. Theodor Wassory.
     Die  Tr€nen treten mir in  die  Augen, wenn  ich ihn im Geiste vor  mir
sehe. Ich war ihm aus ganzer Seele zugetan, als h€tte mich ein unmittelbares
Band der Liebe und Verwandtschaft mit ihm verknìpft."
     Charousek   schluchzte,   als   kænne   er   vor   Ergriffenheit   kaum
weitersprechen.
     "Ach, da dieser Edeling von der Erde gehen mute! - Ach! Ach!
     Was auch  der Grund gewesen sein mag, - ich habe ihn nie erfahren, - er
hat sich selbst den  Tod gegeben.  Und ich  war unter denen,  die  zu  Hilfe
gerufen wurden - - ach, ach, zu sp€t - zu  sp€t - zu sp€t! Und als ich  dann
allein  am  Totenlager  stand  und  seine  kalte,  bleiche Hand  mit  Kìssen
bedeckte,  da -  warum soll ich  es nicht eingestehen, Meister Pernath? - es
war ja doch kein Diebstahl - da nahm ich eine Rose von der  Brust der Leiche
und eignete mir das Fl€schchen an, mit dessen Inhalt der Unglìckliche seinem
blìhenden Leben ein schnelles Ende bereitet hatte."
     Charousek zog eine Medizinflasche hervor und fuhr bebend fort:
     "Beides lege  ich hier auf  Ihren  Tisch,  die verdorrte  Rose und  die
Phiole; sie waren mir ein Andenken an meinen dahingegangenen Freund.
     Wie  oft  in  Stunden  innerer Verlassenheit,  wenn  ich  mir  den  Tod
herbeiwìnschte  in  der Einsamkeit  meines  Herzens und  der  Sehnsucht nach
meiner toten Mutter, spielte ich mit diesem Fl€schchen, und es gab mir einen
seligen Trost, zu  wissen:  ich brauchte nur die Flìssigkeit auf ein Tuch zu
gieen und  einzuatmen und schwebte schmerzlos  hinìber in  die Gefilde,  wo
mein lieber, guter Theodor ausruht von den Mìhsalen unseres Jammertales.
     Und  nun  bitte ich Sie, hochverehrter Meister, - und  deswegen bin ich
hergekommen - nehmen Sie beides und bringen Sie es Herrn Wassertrum.
     Sagen  Sie,  Sie  h€tten  es  von  jemandem bekommen,  dem Dr.  Wassory
nahestand,  dessen  Namen  Sie  jedoch  gelobt  h€tten,  nie  zu  nennen,  -
vielleicht von einer Dame.
     Er  wird es glauben,  und  es wird  ihm ein Andenken sein,  wie es  ein
teures Andenken fìr mich war.
     Das soll der heimliche Dank sein, den ich ihm gebe. Ich bin arm  und es
ist  alles, was ich habe,  aber es macht mich  froh,  zu wissen: beides wird
jetzt ihm gehæren, und dennoch ahnt er nicht, da ich der Geber bin.
     Es liegt darin zugleich auch fìr mich etwas unendlich Sìes.
     Und  jetzt leben  Sie  wohl, teurer Meister, und  seien  Sie  im voraus
vieltausendmal bedankt."
     Er hielt  meine  Hand fest,  zwinkerte und flìsterte mir, als  ich noch
immer nicht verstand, kaum hærbar etwas zu.
     "Warten  Sie,   Herr   Charousek,   ich   werde   Sie   ein   Stìckchen
hinunterbegleiten", sagte ich  mechanisch die Worte nach, die ich von seinen
Lippen las, und ging mit ihm hinaus.
     Auf dem finsteren Treppenabsatz im ersten Stock blieben wir stehen, und
ich wollte mich von Charousek verabschieden.
     "Ich kann mir denken, was Sie mit der Komædie bezweckt haben. - - Sie -
Sie wollen,  da sich Wassertrum mit dem Fl€schchen vergiftet!" Ich sagte es
ihm ins Gesicht.
     "Freilich", gab Charousek aufger€umt zu.
     "Und dazu, glauben Sie, werde ich meine Hand bieten?"
     "Durchaus nicht nætig."
     "Aber ich  sollte  Wassertrum doch  die  Flasche  bringen,  sagten  Sie
vorhin!"
     Charousek schìttelte den Kopf:
     "Wenn  Sie  jetzt  zurìckgehen, werden Sie  sehen,  da  er sie bereits
eingesteckt hat."
     "Wie kænnen Sie das nur annehmen?",  fragte ich  erstaunt. "Ein  Mensch
wie Wassertrum  wird sich  niemals umbringen,  -  ist viel  zu  feig  dazu -
handelt nie nach plætzlichen Impulsen."
     "Da kennen Sie das schleichende Gift der  Suggestion nicht", unterbrach
mich Charousek ernst. "H€tte ich in allt€glichen Worten geredet,  wìrden Sie
vielleicht recht behalten, aber auch den kleinsten Tonfall habe  ich  vorher
berechnet. Nur das widerlichste Pathos wirkt auf solche Hundsfætter! Glauben
Sie mir! Sein Mienenspiel bei jedem meiner S€tze h€tte ich Ihnen hinzeichnen
kænnen.  - Kein Kitsch wie  es die Maler nennen, ist niedertr€chtig genug,
als da er nicht der bis  ins Mark  verlogenen Menge Tr€nen  entlockte - sie
ins Herz trifft! Glauben Sie denn, man h€tte nicht l€ngst  s€mtliche Theater
mit   Feuer  und  Schwert   ausgetilgt,   wenn   es  anders  w€re?  An   der
Sentimentalit€t  erkennt  man  die  Kanaille.  Tausende  armer Teufel kænnen
verhungern, da wird nicht geweint, aber wenn ein Schminkkamel auf der Buhne,
als Bauerntrampel  verkleidet, die Augen verdreht,  dann heulen  sie wie die
Schlohunde. - -  Wenn V€terchen Wassertrum vielleicht auch morgen vergessen
hat,  was ihm soeben  noch  - Herzjauche kostete:  jedes meiner  Worte  wird
wieder  in ihm  lebendig werden, wenn die Stunden  reifen, wo er sich selbst
unendlich bedauernswert vorkommt. - In solchen Momenten des groen Misereres
bedarf es blo eines leisen Anstoes, -  und fìr den werde  ich sorgen - und
selbst  die feigste Pfote  greift nach dem Gift. Es  mu nur zur Hand  sein!
Theodorchen h€tte wahrscheinlich auch nicht zugegrapst, wenn ich's ihm nicht
so bequem gemacht h€tte."
     "Charousek,  Sie  sind ein  furchtbarer  Mensch",  rief  ich  entsetzt.
"Empfinden Sie denn gar kein - - -"
     Er hielt mir schnell den Mund zu und dr€ngte mich in eine Mauernische!
     "Still! Da ist er!"
     Mit taumelnden Schritten, sich an der Wand stìtzend, kam Wassertrum die
Stiege herunter und wankte an uns vorìber.
     Charousek schìttelte mir fluchtig die Hand und schlich ihm nach. - -
     Als ich in mein Zimmer zurìckgekehrt war, sah ich, da die Rose und das
Fl€schchen verschwunden waren und an ihrer Stelle die goldene, zerbeulte Uhr
des Trædlers auf dem Tisch lag.
      "Acht Tage mìsse ich warten, ehe  ich mein Geld bekommen  kænne; es sei
das die ìbliche Kìndigungsfrist", hatte man mir auf der Bank gesagt.
     Man solle den Direktor holen, denn ich sei in græter Eile und ged€chte
in einer Stunde abzureisen, hatte ich eine Ausrede gebraucht.
     Er sei nicht zu sprechen und kænne an den Gepflogenheiten der Bank auch
nichts  €ndern,  hie es, und ein  Kerl mit einem Glasauge, der zugleich mit
mir an den Schalter getreten war, hatte darìber gelacht.
     Acht graue, furchtbare Tage auf den Tod sollte ich also warten!
     Wie ein Zeitraum ohne Ende kam es mir vor. - - -
     Ich  war so niedergeschlagen, da ich mir gar  nicht bewut wurde,  wie
lange ich schon  vor der  Tìre eines Kaffeehauses auf und nieder geschritten
sein mochte.
     Endlich trat ich ein, blo  um  den widerw€rtigen Kerl mit dem Glasauge
los zu werden,  der mir von der Bank her nachgekommen war und sich immer  in
meiner  N€he  hielt  und,  wenn  ich  ihn  anblickte, sofort auf  dem  Boden
herumsuchte, als habe er etwas verloren.
     Er  hatte  einen  hellkarierten,  viel zu engen Rock  an und  schwarze,
speckgl€nzende  Hosen, die  ihm  wie  S€cke um  die  Beine schlotterten. Auf
seinem linken Stiefel war ein  eifærmiger, gewælbter Lederfleck aufgesteppt,
da es aussah, als trìge er darunter einen Siegelring auf der Zehe.
     Kaum hatte ich mich niedergesetzt, kam auch  er herein und lie sich an
einem Nebentisch nieder.
     Ich glaubte,  er wolle mich  anbetteln, und  suchte  schon  nach meinem
Portemonnai,  da  sah  ich  einen  groen  Brillanten  an  seinen  wulstigen
Metzgerfingern aufblitzen.
     Stunden und Stunden sa ich in  dem Kaffeehaus und glaubte vor  innerer
Nervosit€t wahnsinnig werden zu mìssen,  - aber wohin sollte ich gehen? Nach
Hause? Herumschlendern? Eines schien mir gr€licher als das andere.
     Die veratmete  Luft, das ewige,  alberne Klappen der Billardkugeln, das
trockene,  unaufhærliche  Gerausper  eines  halbblinden  Zeitungstigers  mir
gegenìber, ein storchbeiniger Infanteneleutnant, der abwechselnd in der Nase
bohrte oder sich mit gelben Zigarettenfingern  vor einem  Taschenspiegel den
Schnurrbart k€mmte, ein braunsammetenes Gebrodel ekelhafter,  verschwitzter,
schnatternder  Italiener  um  den  Kartentisch in der Ecke,  die  bald unter
gellem Gekreisch  ihre Trumpfe mit dem Faustknochel hinschlugen, bald  unter
Brecherscheinungen ins Zimmer  spuckten. Und  das alles in den  Wandspiegeln
doppelt und  dreifach sehen zu mìssen! Es sog mir  langsam das Blut aus  den
Adern. -
     Es wurde  allm€hlich dunkel  und ein plattfuiger, knieweicher  Kellner
tastete mit einer Stange nach den Gaslìstern, um sich endlich kopfschìttelnd
zu ìberzeugen, da sie nicht brennen wollten.
     So oft  ich das Gesicht wandte,  immer  begegnete  ich  dem schielenden
Wolfsblick des Glas€ugigen, der sich dann jedesmal rasch hinter eine Zeitung
versteckte oder seinen schmutzigen Schnurrbart  in die langst  ausgetrunkene
Kaffeetasse tauchte.
     Er hatte seinen steifen, runden Hut tief aufgestìlpt, da ihm die Ohren
fast waagerecht abstanden, machte aber keine Miene, aufzubrechen.
     Es war nicht mehr auszuhalten.
     Ich zahlte und ging.
     Als ich die Glastìr hinter mir  zumachen  wollte, nahm mir  jemand  die
Klinke aus der Hand - Ich drehte mich um:
     Wieder der Kerl!
     rgerlich wollte  ich nach links biegen, in der Richtung der Judenstadt
zu, da dr€ngte er sich an meine Seite und hinderte mich daran.
     "Da hært denn doch alles auf!" schrie ich ihn an.
     "Nach rechts geht's," sagte er kurz.
     "Was soll das heien?"
     Er fixierte mich frech:
     "Sie sind der Pernath!"
     "Sie wollen wahrscheinlich sagen: Herr Pernath?"
     Er lachte nur h€misch:
     "Alsdann keine Faxen jetz! Sie gah'n Sie mit!"
     "Ja, sind Sie toll? Wer sind Sie eigentlich?", fuhr ich auf.
     Er gab keine Antwort, schlug seinen Rock zurìck  und zeigte  vorsichtig
auf einen abgeschabten Blechadler, der im Futter festgesteckt war.
     Ich begriff: der Falott war Geheimpolizist und verhaftete mich.
     "So sagen Sie doch, um Himmels willen, was ist denn los?"
     "Sie werden sich's  schonn erfahrr€hn. Auf  dem D€partem€nt", erwiderte
er grob. "Alla marsch jetz!"
     Ich schlug ihm vor, ich wollte einen Wagen nehmen.
     "Nix da!"
     Wir gingen zur Polizei.
     "Acht Tage mìsse ich warten, ehe  ich mein Geld bekommen  kænne; es sei
das die ìbliche Kìndigungsfrist", hatte man mir auf der Bank gesagt.
     Man solle den Direktor holen, denn ich sei in græter Eile und ged€chte
in einer Stunde abzureisen, hatte ich eine Ausrede gebraucht.
     Er sei nicht zu sprechen und kænne an den Gepflogenheiten der Bank auch
nichts  €ndern,  hie es, und ein  Kerl mit einem Glasauge, der zugleich mit
mir an den Schalter getreten war, hatte darìber gelacht.
     Acht graue, furchtbare Tage auf den Tod sollte ich also warten!
     Wie ein Zeitraum ohne Ende kam es mir vor. - - -
     Ich  war so niedergeschlagen, da ich mir gar  nicht bewut wurde,  wie
lange ich schon  vor der  Tìre eines Kaffeehauses auf und nieder geschritten
sein mochte.
     Endlich trat ich ein, blo  um  den widerw€rtigen Kerl mit dem Glasauge
los zu werden,  der mir von der Bank her nachgekommen war und sich immer  in
meiner  N€he  hielt  und,  wenn  ich  ihn  anblickte, sofort auf  dem  Boden
herumsuchte, als habe er etwas verloren.
     Er  hatte  einen  hellkarierten,  viel zu engen Rock  an und  schwarze,
speckgl€nzende  Hosen, die  ihm  wie  S€cke um  die  Beine schlotterten. Auf
seinem linken Stiefel war ein  eifærmiger, gewælbter Lederfleck aufgesteppt,
da es aussah, als trìge er darunter einen Siegelring auf der Zehe.
     Kaum hatte ich mich niedergesetzt, kam auch  er herein und lie sich an
einem Nebentisch nieder.
     Ich glaubte,  er wolle mich  anbetteln, und  suchte  schon  nach meinem
Portemonnai,  da  sah  ich  einen  groen  Brillanten  an  seinen  wulstigen
Metzgerfingern aufblitzen.
     Stunden und Stunden sa ich in  dem Kaffeehaus und glaubte vor  innerer
Nervosit€t wahnsinnig werden zu mìssen,  - aber wohin sollte ich gehen? Nach
Hause? Herumschlendern? Eines schien mir gr€licher als das andere.
     Die veratmete  Luft, das ewige,  alberne Klappen der Billardkugeln, das
trockene,  unaufhærliche  Gerausper  eines  halbblinden  Zeitungstigers  mir
gegenìber, ein storchbeiniger Infanteneleutnant, der abwechselnd in der Nase
bohrte oder sich mit gelben Zigarettenfingern  vor einem  Taschenspiegel den
Schnurrbart k€mmte, ein braunsammetenes Gebrodel ekelhafter,  verschwitzter,
schnatternder  Italiener  um  den  Kartentisch in der Ecke,  die  bald unter
gellem Gekreisch  ihre Trumpfe mit dem Faustknochel hinschlugen, bald  unter
Brecherscheinungen ins Zimmer  spuckten. Und  das alles in den  Wandspiegeln
doppelt und  dreifach sehen zu mìssen! Es sog mir  langsam das Blut aus  den
Adern. -
     Es wurde  allm€hlich dunkel  und ein plattfuiger, knieweicher  Kellner
tastete mit einer Stange nach den Gaslìstern, um sich endlich kopfschìttelnd
zu ìberzeugen, da sie nicht brennen wollten.
     So oft  ich das Gesicht wandte,  immer  begegnete  ich  dem schielenden
Wolfsblick des Glas€ugigen, der sich dann jedesmal rasch hinter eine Zeitung
versteckte oder seinen schmutzigen Schnurrbart  in die langst  ausgetrunkene
Kaffeetasse tauchte.
     Er hatte seinen steifen, runden Hut tief aufgestìlpt, da ihm die Ohren
fast waagerecht abstanden, machte aber keine Miene, aufzubrechen.
     Es war nicht mehr auszuhalten.
     Ich zahlte und ging.
     Als ich die Glastìr hinter mir  zumachen  wollte, nahm mir  jemand  die
Klinke aus der Hand - Ich drehte mich um:
     Wieder der Kerl!
     rgerlich wollte  ich nach links biegen, in der Richtung der Judenstadt
zu, da dr€ngte er sich an meine Seite und hinderte mich daran.
     "Da hært denn doch alles auf!" schrie ich ihn an.
     "Nach rechts geht's," sagte er kurz.
     "Was soll das heien?"
     Er fixierte mich frech:
     "Sie sind der Pernath!"
     "Sie wollen wahrscheinlich sagen: Herr Pernath?"
     Er lachte nur h€misch:
     "Alsdann keine Faxen jetz! Sie gah'n Sie mit!"
     "Ja, sind Sie toll? Wer sind Sie eigentlich?", fuhr ich auf.
     Er gab keine Antwort, schlug seinen Rock zurìck  und zeigte  vorsichtig
auf einen abgeschabten Blechadler, der im Futter festgesteckt war.
     Ich begriff: der Falott war Geheimpolizist und verhaftete mich.
     "So sagen Sie doch, um Himmels willen, was ist denn los?"
     "Sie werden sich's  schonn erfahrr€hn. Auf  dem D€partem€nt", erwiderte
er grob. "Alla marsch jetz!"
     Ich schlug ihm vor, ich wollte einen Wagen nehmen.
     "Nix da!"
     Wir gingen zur Polizei.
      Ein Gendarm fìhrte mich vor eine Tìr.
     ALOIS OTSCHIN
     Polizeirat
     las ich auf der Porzellantafel.
     "Sie k€nnen sich eintr€tten", sagte der Gendarm.
     Zwei schmierige Schreibtische mit meterhohen Aufs€tzen standen einander
gegenìber.
     Ein paar verkraxte Stìhle dazwischen.
     Das Bild des Kaisers an der Wand.
     Ein Glas mit Goldfischen auf dem Fensterbrett.
     Sonst nichts im Zimmer.
     Ein Klumpfu und daneben ein  dicker Filzschuh unter zerfransten grauen
Hosen hinter dem linken Schreibpult.
     Ich  hærte  rascheln.  Jemand  murmelte  ein paar Worte  in  bæhmischer
Sprache  und  gleich darauf  tauchte  der  Herr Polizeirat aus  dem  rechten
Schreibtisch auf und trat vor mich hin.
     Er war ein  kleiner Mann mit grauem Spitzbart  und hatte die sonderbare
Manier, bevor er anfing zu reden, die Z€hne  zu fletschen wie jemand, der in
grelles Sonnenlicht schaut.
     Dabei kniff er  die  Augen hinter den Brillenglasern  zusammen, was ihm
den Ausdruck furchterregender Niedertracht verlieh.
     "Sie heien  Athanasius Pernath  und sind"  - er blickte auf  ein Blatt
Papier, auf dem nichts stand - "Gemmenschneider."
     Sofort  kam Leben in den Klumpfu unter dem  anderen  Schreibtisch:  er
wetzte sich an dem Stuhlbein, und ich hærte das Rauschen einer Schreibfeder.
     Ich bejahte:
     "Pernath. Gemmenschneider."
     "No, da  sin  wir ja  gleich beisammen, Herr  - -  -  Pernath, - jawohl
Pernath. Ja  wohl  ja."  -  Der  Herr Polizeirat war  mit  einem Schlag  von
erstaunlicher Liebenswìrdigkeit,  als  h€tte er die erfreulichste  Nachricht
von der Welt bekommen, streckte mir beide H€nde entgegen und bemìhte sich in
l€cherlicher Weise, die Miene eines Biedermannes aufzusetzen.
     "Also, Herr Pernath,  erz€hlen Sie mir einmal,  was treiben Sie so  den
ganzen Tag?"
     "Ich glaube,  da Sie das nichts angeht, Herr  Otschin", antwortete ich
kalt.
     Er kniff die Augen zusammen, wartete einen Moment und fuhr blitzschnell
los:
     "Seit wann hat die Gr€fin ihr Verh€ltnis mit dem Savioli?"
     Ich war auf  etwas hnliches gefat gewesen  und zuckte  nicht  mit der
Wimper.
     Er suchte mich geschickt durch Kreuz- und Querfragen in Widersprìche zu
verwickeln, aber, so sehr mir auch vor Entsetzen das Herz  im  Halse schlug,
ich verriet mich nicht und kam immer wieder darauf zurìck, da ich den Namen
Savioli nie gehært  h€tte, mit Angelina von meinem Vater her befreundet sei,
und da sie schon æfter Kameen bei mir bestellt habe.
     Ich fìhlte trotzdem  genau,  da der Polizeirat mir ansah, wie  ich ihn
belog,  und  innerlich  sch€umte vor Wut, nichts  aus mir  herausbekommen zu
kænnen.
     Er dachte eine  Weile nach, dann zog er  mich am  Rock dicht  an  sich,
deutete warnend mit dem Daumen auf den linken Schreibtisch und flìsterte mir
ins Ohr:
     "Athanasius! Ihr  seliger  Vater war mein bester  Freund. Ich  will Sie
retten, Athanasius! Aber Sie mìssen mir alles sagen ìber die Gr€fin. - Hæren
Sie: alles."
     Ich begriff nicht, was das  bedeuten sollte. "Was meinen Sie damit: Sie
wollen mich retten?", fragte ich laut.
     Der Klumpfu  stampfte €rgerlich  auf den  Boden.  Der Polizeirat wurde
aschgrau im Gesicht vor Ha. Zog die Lippe empor. Wartete.  - Ich wute, da
er gleich wieder losspringen wìrde;  (sein Verblìffungssystem erinnerte mich
an  Wassertrum)  und wartete  ebenfalls,  - sah,  da ein  Bocksgesicht, der
Inhaber des Klumpfues, lauernd hinter dem Schreibpulte  auftauchte - - dann
schrie mich der Polizeirat plætzlich gellend an:
     "Mærder".
     Ich war sprachlos vor Verblìffung.
     Mimutig zog sich das Bocksgesicht wieder hinter sein Pult zurìck.
     Auch der  Herr Polizeirat  schien ziemlich  betreten  ìber  meine Ruhe,
versteckte es  aber  geschickt,  indem  er einen Stuhl  herbeizog  und  mich
aufforderte, Platz zu nehmen.
     "Sie verweigern also, ìber  die Gr€fin die von  mir gewìnschte Auskunft
zu geben, Herr Pernath?"
     "Ich kann sie nicht geben,  Herr Polizeirat,  wenigstens nicht  in  dem
Sinne, wie Sie erwarten. Erstens kenne  ich niemand namens Savioli, und dann
bin ich felsenfest ìberzeugt,  da  es  eine Verleumdung ist,  wenn man  der
Gr€fin nachsagt, sie hintergehe ihren Gatten."
     "Sind Sie bereit, das zu beeiden?"
     Mir stockte der Atem. "Ja! Jederzeit."
     "Gut. Hm."
     Eine  l€ngere  Pause  entstand,   w€hrend  der  Polizeirat  angestrengt
nachzugrìbeln schien.
     Als  er  mich  wieder  anblickte, lag  ein  komædiantenhafter  Zug  von
Schmerzlichkeit  in  seiner  Fratze. Unwillkìrlich  mute  ich  an Charousek
denken, wie er dann mit tr€nenerstickter Stimme anfing:
     "Mir kænnen Sie  es doch  sagen,  Athanasius, - mir, dem  alten  Freund
Ihres Vaters -  mir,  der Sie auf den  Armen getragen  hat -" ich konnte das
Lachen kaum verbeien:  er war hæchstens zehn Jahre  €lter als ich -  "nicht
wahr, Athanasius, es war Notwehr?"
     Das Bocksgesicht erschien abermals.
     "Was war Notwehr?", fragte ich verst€ndnislos.
     "Das mit dem - - - Zottmann!" schrie mir der Polizeirat einen Namen ins
Gesicht.
     Das Wort traf mich wie ein Dolchstich: Zottmann! Zottmann! Die Uhr! Der
Name Zottmann stand doch in der Uhr eingraviert.
     Ich fìhlte,  wie  mir alles Blut  zum Herzen  stræmte:  Der grauenhafte
Wassertrum hatte mir die Uhr gegeben, um den Verdacht des Mordes auf mich zu
lenken.
     Sofort warf der Polizeirat die Maske ab, fletschte  die Z€hne und kniff
die Augen zusammen:
     "Sie gestehen also den Mord ein, Pernath?"
     "Das ist alles ein Irrtum.  Ein entsetzlicher Irrtum.  Um Gottes willen
hæren Sie mich an. Ich kann es Ihnen erkl€ren, Herr Polizeirat - -!", schrie
ich.
     "Werden Sie mir jetzt alles  mitteilen  in bezug  auf die Frau Gr€fin",
unterbrach  er  mich rasch: "ich mache Sie aufmerksam: Sie  verbessern  Ihre
Lage damit."
     "Ich  kann nicht  mehr sagen, als bereits geschehen ist: die Gr€fin ist
unschuldig."
     Er bi die Z€hne zusammen und wandte sich an das Bocksgesicht:
     "Schreiben   Sie:  -   Also,   Pernath   gesteht   den   Mord  an   dem
Versicherungsbeamten Karl Zottmann ein."
     Mich packte eine besinnungslose Wut.
     "Sie Polizeikanaille!" brìllte ich los, "was unterstehen Sie sich?!"
     Ich suchte nach einem schweren Gegenstand.
     Im  n€chsten  Augenblick  hatten mich  zwei Schutzleute gepackt und mir
Handschellen angelegt.
     Der Polizeirat bl€hte sich jetzt wie der Hahn auf dem Mist:
     "Und die Uhr da?", - er hielt plætzlich die  verbeulte Uhr in der Hand,
- "hat  der  unglìckliche Zottmann noch gelebt, als Sie  ihn beraubten, oder
nicht?"
     Ich  war  wieder  ganz ruhig geworden  und gab  mit  klarer  Stimme  zu
Protokoll: "Die Uhr hat  mir  heute vormittag der Trædler Aaron Wassertrum -
geschenkt."
     Ein  wieherndes Gel€chter brach los,  und ich sah, wie der Klumpfu und
der  Filzpantoffel  mitsammen  einen  Freudentanz  unter  dem   Schreibtisch
auffìhrten.
        Qual
     Die  H€nde  gefesselt,   hinter  mir  ein  Gendarm  mit  aufgepflanztem
Bajonett, mute ich durch die abendlich beleuchteten Straen gehen.
     Gassenjungen  zogen in Scharen  johlend  links und  rechts  mit, Weiber
rissen die  Fenster auf, drohten  mit  Kochlæffeln  herunter  und schimpften
hinter mir drein.
     Schon von weitem sah ich  den massigen Steinwìrfel des Gerichtsgeb€udes
mit der Inschrift auf dem Giebel herannahen:
     "Die strafende Gerechtigkeit ist die Beschirmung aller Braven."
     Dann nahm mich ein riesiges Tor auf und ein Flurzimmer, in  dem es nach
Kìche stank.
     Ein vollb€rtiger Mann mit S€bel, Beamtenrock und -mìtze, barfu und die
Beine  in langen, um die Knæchel zusammengebundenen  Unterhosen,  stand auf,
stellte  die  Kaffeemìhle,  die er zwischen den Knien hielt, weg  und befahl
mir, mich auszuziehen.
     Dann visitierte er meine Taschen, nahm alles heraus, was er darin fand,
und fragte mich, ob ich - Wanzen h€tte.
     Als  ich verneinte, zog er mir die Ringe von den Fingern und sagte,  es
sei gut, ich kænnte mich wieder ankleiden.
     Man  fìhrte mich  mehrere Stockwerke  hinauf und durch  G€nge, in de
     Ein Gendarm fìhrte mich vor eine Tìr.
     ALOIS OTSCHIN
     Polizeirat
     las ich auf der Porzellantafel.
     "Sie k€nnen sich eintr€tten", sagte der Gendarm.
     Zwei schmierige Schreibtische mit meterhohen Aufs€tzen standen einander
gegenìber.
     Ein paar verkraxte Stìhle dazwischen.
     Das Bild des Kaisers an der Wand.
     Ein Glas mit Goldfischen auf dem Fensterbrett.
     Sonst nichts im Zimmer.
     Ein Klumpfu und daneben ein  dicker Filzschuh unter zerfransten grauen
Hosen hinter dem linken Schreibpult.
     Ich  hærte  rascheln.  Jemand  murmelte  ein paar Worte  in  bæhmischer
Sprache  und  gleich darauf  tauchte  der  Herr Polizeirat aus  dem  rechten
Schreibtisch auf und trat vor mich hin.
     Er war ein  kleiner Mann mit grauem Spitzbart  und hatte die sonderbare
Manier, bevor er anfing zu reden, die Z€hne  zu fletschen wie jemand, der in
grelles Sonnenlicht schaut.
     Dabei kniff er  die  Augen hinter den Brillenglasern  zusammen, was ihm
den Ausdruck furchterregender Niedertracht verlieh.
     "Sie heien  Athanasius Pernath  und sind"  - er blickte auf  ein Blatt
Papier, auf dem nichts stand - "Gemmenschneider."
     Sofort  kam Leben in den Klumpfu unter dem  anderen  Schreibtisch:  er
wetzte sich an dem Stuhlbein, und ich hærte das Rauschen einer Schreibfeder.
     Ich bejahte:
     "Pernath. Gemmenschneider."
     "No, da  sin  wir ja  gleich beisammen, Herr  - -  -  Pernath, - jawohl
Pernath. Ja  wohl  ja."  -  Der  Herr Polizeirat war  mit  einem Schlag  von
erstaunlicher Liebenswìrdigkeit,  als  h€tte er die erfreulichste  Nachricht
von der Welt bekommen, streckte mir beide H€nde entgegen und bemìhte sich in
l€cherlicher Weise, die Miene eines Biedermannes aufzusetzen.
     "Also, Herr Pernath,  erz€hlen Sie mir einmal,  was treiben Sie so  den
ganzen Tag?"
     "Ich glaube,  da Sie das nichts angeht, Herr  Otschin", antwortete ich
kalt.
     Er kniff die Augen zusammen, wartete einen Moment und fuhr blitzschnell
los:
     "Seit wann hat die Gr€fin ihr Verh€ltnis mit dem Savioli?"
     Ich war auf  etwas hnliches gefat gewesen  und zuckte  nicht  mit der
Wimper.
     Er suchte mich geschickt durch Kreuz- und Querfragen in Widersprìche zu
verwickeln, aber, so sehr mir auch vor Entsetzen das Herz  im  Halse schlug,
ich verriet mich nicht und kam immer wieder darauf zurìck, da ich den Namen
Savioli nie gehært  h€tte, mit Angelina von meinem Vater her befreundet sei,
und da sie schon æfter Kameen bei mir bestellt habe.
     Ich fìhlte trotzdem  genau,  da der Polizeirat mir ansah, wie  ich ihn
belog,  und  innerlich  sch€umte vor Wut, nichts  aus mir  herausbekommen zu
kænnen.
     Er dachte eine  Weile nach, dann zog er  mich am  Rock dicht  an  sich,
deutete warnend mit dem Daumen auf den linken Schreibtisch und flìsterte mir
ins Ohr:
     "Athanasius! Ihr  seliger  Vater war mein bester  Freund. Ich  will Sie
retten, Athanasius! Aber Sie mìssen mir alles sagen ìber die Gr€fin. - Hæren
Sie: alles."
     Ich begriff nicht, was das  bedeuten sollte. "Was meinen Sie damit: Sie
wollen mich retten?", fragte ich laut.
     Der Klumpfu  stampfte €rgerlich  auf den  Boden.  Der Polizeirat wurde
aschgrau im Gesicht vor Ha. Zog die Lippe empor. Wartete.  - Ich wute, da
er gleich wieder losspringen wìrde;  (sein Verblìffungssystem erinnerte mich
an  Wassertrum)  und wartete  ebenfalls,  - sah,  da ein  Bocksgesicht, der
Inhaber des Klumpfues, lauernd hinter dem Schreibpulte  auftauchte - - dann
schrie mich der Polizeirat plætzlich gellend an:
     "Mærder".
     Ich war sprachlos vor Verblìffung.
     Mimutig zog sich das Bocksgesicht wieder hinter sein Pult zurìck.
     Auch der  Herr Polizeirat  schien ziemlich  betreten  ìber  meine Ruhe,
versteckte es  aber  geschickt,  indem  er einen Stuhl  herbeizog  und  mich
aufforderte, Platz zu nehmen.
     "Sie verweigern also, ìber  die Gr€fin die von  mir gewìnschte Auskunft
zu geben, Herr Pernath?"
     "Ich kann sie nicht geben,  Herr Polizeirat,  wenigstens nicht  in  dem
Sinne, wie Sie erwarten. Erstens kenne  ich niemand namens Savioli, und dann
bin ich felsenfest ìberzeugt,  da  es  eine Verleumdung ist,  wenn man  der
Gr€fin nachsagt, sie hintergehe ihren Gatten."
     "Sind Sie bereit, das zu beeiden?"
     Mir stockte der Atem. "Ja! Jederzeit."
     "Gut. Hm."
     Eine  l€ngere  Pause  entstand,   w€hrend  der  Polizeirat  angestrengt
nachzugrìbeln schien.
     Als  er  mich  wieder  anblickte, lag  ein  komædiantenhafter  Zug  von
Schmerzlichkeit  in  seiner  Fratze. Unwillkìrlich  mute  ich  an Charousek
denken, wie er dann mit tr€nenerstickter Stimme anfing:
     "Mir kænnen Sie  es doch  sagen,  Athanasius, - mir, dem  alten  Freund
Ihres Vaters -  mir,  der Sie auf den  Armen getragen  hat -" ich konnte das
Lachen kaum verbeien:  er war hæchstens zehn Jahre  €lter als ich -  "nicht
wahr, Athanasius, es war Notwehr?"
     Das Bocksgesicht erschien abermals.
     "Was war Notwehr?", fragte ich verst€ndnislos.
     "Das mit dem - - - Zottmann!" schrie mir der Polizeirat einen Namen ins
Gesicht.
     Das Wort traf mich wie ein Dolchstich: Zottmann! Zottmann! Die Uhr! Der
Name Zottmann stand doch in der Uhr eingraviert.
     Ich fìhlte,  wie  mir alles Blut  zum Herzen  stræmte:  Der grauenhafte
Wassertrum hatte mir die Uhr gegeben, um den Verdacht des Mordes auf mich zu
lenken.
     Sofort warf der Polizeirat die Maske ab, fletschte  die Z€hne und kniff
die Augen zusammen:
     "Sie gestehen also den Mord ein, Pernath?"
     "Das ist alles ein Irrtum.  Ein entsetzlicher Irrtum.  Um Gottes willen
hæren Sie mich an. Ich kann es Ihnen erkl€ren, Herr Polizeirat - -!", schrie
ich.
     "Werden Sie mir jetzt alles  mitteilen  in bezug  auf die Frau Gr€fin",
unterbrach  er  mich rasch: "ich mache Sie aufmerksam: Sie  verbessern  Ihre
Lage damit."
     "Ich  kann nicht  mehr sagen, als bereits geschehen ist: die Gr€fin ist
unschuldig."
     Er bi die Z€hne zusammen und wandte sich an das Bocksgesicht:
     "Schreiben   Sie:  -   Also,   Pernath   gesteht   den   Mord  an   dem
Versicherungsbeamten Karl Zottmann ein."
     Mich packte eine besinnungslose Wut.
     "Sie Polizeikanaille!" brìllte ich los, "was unterstehen Sie sich?!"
     Ich suchte nach einem schweren Gegenstand.
     Im  n€chsten  Augenblick  hatten mich  zwei Schutzleute gepackt und mir
Handschellen angelegt.
     Der Polizeirat bl€hte sich jetzt wie der Hahn auf dem Mist:
     "Und die Uhr da?", - er hielt plætzlich die  verbeulte Uhr in der Hand,
- "hat  der  unglìckliche Zottmann noch gelebt, als Sie  ihn beraubten, oder
nicht?"
     Ich  war  wieder  ganz ruhig geworden  und gab  mit  klarer  Stimme  zu
Protokoll: "Die Uhr hat  mir  heute vormittag der Trædler Aaron Wassertrum -
geschenkt."
     Ein  wieherndes Gel€chter brach los,  und ich sah, wie der Klumpfu und
der  Filzpantoffel  mitsammen  einen  Freudentanz  unter  dem   Schreibtisch
auffìhrten.
        Qual
     Die  H€nde  gefesselt,   hinter  mir  ein  Gendarm  mit  aufgepflanztem
Bajonett, mute ich durch die abendlich beleuchteten Straen gehen.
     Gassenjungen  zogen in Scharen  johlend  links und  rechts  mit, Weiber
rissen die  Fenster auf, drohten  mit  Kochlæffeln  herunter  und schimpften
hinter mir drein.
     Schon von weitem sah ich  den massigen Steinwìrfel des Gerichtsgeb€udes
mit der Inschrift auf dem Giebel herannahen:
     "Die strafende Gerechtigkeit ist die Beschirmung aller Braven."
     Dann nahm mich ein riesiges Tor auf und ein Flurzimmer, in  dem es nach
Kìche stank.
     Ein vollb€rtiger Mann mit S€bel, Beamtenrock und -mìtze, barfu und die
Beine  in langen, um die Knæchel zusammengebundenen  Unterhosen,  stand auf,
stellte  die  Kaffeemìhle,  die er zwischen den Knien hielt, weg  und befahl
mir, mich auszuziehen.
     Dann visitierte er meine Taschen, nahm alles heraus, was er darin fand,
und fragte mich, ob ich - Wanzen h€tte.
     Als  ich verneinte, zog er mir die Ringe von den Fingern und sagte,  es
sei gut, ich kænnte mich wieder ankleiden.
     Man  fìhrte mich  mehrere Stockwerke  hinauf und durch  G€nge, in de