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     Ein Schauspiel


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     Personen:
     Johann Wolfgang Goethe
     Gotz von Berlichingen
     mit der eisernen Hand
     Ein Schauspiel


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     Personen:
     Kaiser Maximilian
     Gotz von Berlichingen

     Elisabeth, seine Frau

     Maria, seine Schwester

     Karl, sein Sohnchen

     Georg, sein Bube

     Bischof von Bamberg

     Weislingen, Adelheid von Walldorf, Liebetraut an des Bischofs Hofe

     Abt von Fulda

     Olearius, beider Rechte Doktor

     Bruder Martin

     Hans von Selbitz

     Franz von Sickingen

     Lerse

     Franz, Weislingens Bube

     Kammerfraulein der Adelheid

     Metzler, Sievers, Link, Kohl, Wild, Anfuhrer der rebellischen Bauern

     Hoffrauen, Hofleute, am Bambergschen Hofe

     Kaiserliche Rate

     Ratsherrn von Heilbronn

     Richter des heimlichen Gerichts

     Zwei Nurnberger Kaufleute

     Max Stumpf, Pfalzgraflicher Diener

     Ein Unbekannter

     Brautvater und Brautigam, Bauern

     Berlichingsche, Weislingsche, Bambergsche Reiter

     Hauptleute, Offiziere, Knechte von der Reichsarmee

     Schenkwirt

     Gerichtsdiener

     Heilbronner Burger

     Stadtwache

     Gefangniswarter

     Bauern

     Zigeunerhauptmann

     Zigeuner, Zigeunerinnen






     Erster Akt
     Schwarzenberg in Franken
     Herberge
     Metzler, Sievers am Tische. Zwei Reitersknechte beim Feuer. Wirt.

     Sievers. Hansel, noch ein Glas Branntwein, und me? christlich.

     Wirt. Du bist der Nimmersatt.

     Metzler (leise zu Sievers).  Erzahl das noch einmal  vom  Berlichingen!
Die Bamberger dort argern sich, sie mochten schwarz werden.

     Sievers. Bamberger? Was tun die hier?

     Metzler. Der Weislingen ist oben auf'm  Schlo?  beim Herrn Grafen schon
zwei  Tage; dem haben sie das Gleit geben. Ich  wei? nicht,  wo er herkommt;
sie warten auf ihn; er geht zuruck nach Bamberg.

     Sievers. Wer ist der Weislingen?

     Metzler. Des Bischofs rechte  Hand, ein gewaltiger Herr,  der  dem Gotz
auch auf'n Dienst lauert.

     Sievers. Er mag sich in acht nehmen.

     Metzler  (leise). Nur immer  zu! (Laut.)  Seit wann  hat  denn der Gotz
wieder Handel mit dem Bischof von Bamberg? Es hie? ja, alles ware  vertragen
und geschlichtet.

     Sievers. Ja, vertrag du mit den  Pfaffen! Wie der Bischof sah, er richt
nichts  aus und  zieht  immer  den  kurzern,  kroch er  zum  Kreuz  und  war
geschaftig,   da?  der  Vergleich  zustand   kam.   Und   der  getreuherzige
Berlichingen gab unerhort nach, wie er immer tut, wenn er im Vorteil ist.

     Metzler. Gott erhalt ihn! Ein rechtschaffener Herr!

     Sievers. Nun  denk, ist das nicht  schandlich? Da werfen sie ihm  einen
Buben nieder, da er sich nichts weniger versieht. Wird sie aber schon wieder
dafur lausen!

     Metzler. Es ist doch dumm, da? ihm der letzte Streich mi?gluckt ist! Er
wird sich garstig erbost haben.

     Sievers. Ich glaub nicht,  da?  ihn lang  was so  verdrossen hat.  Denk
auch: alles war aufs genaueste  verkundschaft,  wann der Bischof aus dem Bad
kam, mit  wieviel Reitern, welchen Weg;  und wenn's nicht war durch  falsche
Leut  verraten worden,  wollt  er  ihm  das Bad gesegnet und ihn ausgerieben
haben.

     Erster  Reiter. Was rasoniert  ihr von unserm  Bischof? Ich glaub,  ihr
sucht Handel.

     Sievers. Kummert euch um eure Sachen! Ihr  habt an  unserm Tisch nichts
zu suchen.

     Zweiter Reiter. Wer hei?t euch von unserm Bischof despektierlich reden?

     Sievers. Hab ich euch Red und Antwort zu geben? Seht doch den Fratzen!

     Erster Reiter (schlagt ihn hinter die Ohren).

     Metzler. Schlag den Hund tot!

     (Sie fallen ubereinander her.)

     Zweiter Reiter. Komm her, wenn du 's Herz hast.

     Wirt (rei?t  sie voneinander). Wollt ihr Ruh haben! Tausend Schwerenot!
Schert euch  'naus,  wenn  ihr was auszumachen habt.  In  meiner Stub soll's
ehrlich und ordentlich zugehen. (Schiebt die Reiter zur Tur hinaus.) Und ihr
Esel, was fanget ihr an?

     Metzler. Nur nit viel geschimpft, Hansel, sonst kommen wir dir uber die
Glatze. Komm, Kamerad, wollen die drau?en bleuen.

     (Zwei Berlichingsche Reiter kommen.)

     Erster Reiter. Was gibt's da? .

     Sievers. Ei guten Tag, Peter! Veit, guten Tag! Woher?

     Zweiter  Reiter. Da?  du  dich  nit  unterstehst zu  verraten, wem  wir
dienen.

     Sievers (leise). Da ist euer Herr Gotz wohl auch nit weit?

     Erster Reiter. Halt dein Maul! Habt ihr Handel?

     Sievers. Ihr seid den Kerls begegnet drau?en, sind Bamberger.

     Erster Reiter. Was tun die hier?

     Metzler.  Der Weislingen ist  droben auf'm Schlo?, beim gnadigen Herrn,
den haben sie geleit.

     Erster Reiter. Der Weislingen?

     Zweiter Reiter (leise).  Peter! das ist ein  gefunden  Fressen! (Laut.)
Wie lang ist er da?

     Metzler. Schon zwei Tage. Aber er will  heut noch fort,  hort ich einen
von den Kerls sagen.

     Erster Reiter (leise).  Sagt ich  dir  nicht, er  war daher! Hatten wir
dort druben eine Weile passen konnen. Komm, Veit.

     Sievers. Helft uns doch erst die Bamberger ausprugeln.

     Zweiter Reiter. Ihr seid ja auch zu zwei. Wir mussen fort. Adies! (Ab.)

     Sievers. Lumpenhunde die Reiter! wann  man sie nit bezahlt, tun sie dir
keinen Streich.

     Metzler. Ich wollt schworen, sie haben einen Anschlag. Wem dienen sie?

     Sievers. Ich soll's nit sagen. Sie dienen dem Gotz.

     Metzler.  So! Nun wollen wir uber die drau?en. Komm! so lang ich  einen
Bengel hab, furcht ich ihre Bratspie?e nicht.

     Sievers.  Durften wir nur  so  einmal  an die Fursten, die uns die Haut
uber die Ohren ziehen.


     Herberge im Wald
     Gotz (vor der Tur unter  der Linde). Wo meine Knechte bleiben! Auf  und
ab mu? ich gehen, sonst ubermannt mich der Schlaf. Funf Tag und Nachte schon
auf der Lauer. Es wird einem sauer gemacht, das  bi?chen Leben und Freiheit.
Dafur, wenn  ich  dich habe, Weislingen, will  ich  mir's wohl  sein lassen.
(Schenkt  ein.)  Wieder leer!  Georg!  Solang's daran nicht  mangelt und  an
frischem  Mut, lach  ich der Fursten  Herrschsucht  und Ranke.  -  Georg!  -
Schickt ihr nur euern gefalligen Weislingen herum  zu Vettern und Gevattern,
la?t  mich anschwarzen. Nur immer zu. Ich bin wach. Du  warst mir entwischt,
Bischof!  So mag denn  dein lieber Weislingen  die Zeche  bezahlen. - Georg!
Hort der Junge nicht? Georg! Georg!

     Der Bube (im Panzer eines Erwachsenen). Gestrenger Herr!

     Gotz. Wo stickst du? Hast du geschlafen? Was zum  Henker treibst du fur
Mummerei? Komm  her, du siehst  gut  aus. Scham dich  nicht, Junge. Du  bist
brav! Ja, wenn du ihn ausfulltest! Es ist Hansens Kura??

     Georg. Er wollt ein wenig schlafen und schnallt' ihn aus.

     Gotz. Er ist bequemer als sein Herr.

     Georg. Zurnt nicht. Ich nahm ihn leise weg  und  legt ihn an, und holte
meines Vaters altes Schwert von der Wand, lief auf die Wiese und zog's aus.

     Gotz.  Und  hiebst  um  dich  herum?  Da  wird's den Hecken  und Dornen
gutgegangen sein. Schlaft Hans?

     Georg. Auf Euer Rufen sprang er auf und schrie mir, da? Ihr rieft.  Ich
wollt den Harnisch ausschnallen, da hort ich Euch zwei-, dreimal.

     Gotz. Geh! bring ihm seinen Panzer wieder  und sag ihm, er soll  bereit
sein, soll nach den Pferden sehen.

     Georg. Die hab ich recht ausgefuttert und wieder aufgezaumt. Ihr  konnt
aufsitzen, wann Ihr wollt.

     Gotz. Bring mir einen Krug Wein, gib Hansen auch ein Glas, sag  ihm, er
soll munter  sein, es gilt. Ich  hoffe jeden Augenblick, meine  Kundschafter
sollen zuruckkommen.

     Georg. Ach gestrenger Herr!

     Gotz. Was hast du?

     Georg. Darf ich nicht mit?

     Gotz.  Ein  andermal,  Georg,  wann  wir  Kaufleute  fangen und  Fuhren
wegnehmen.

     Georg. Ein andermal, das habt Ihr schon oft gesagt. O diesmal! diesmal!
Ich will nur hintendreinlaufen, nur auf der Seite  lauern. Ich will Euch die
verschossenen Bolzen wiederholen.

     Gotz.  Das  nachstemal, Georg.  Du  sollst erst  ein  Wams haben,  eine
Blechhaube und einen Spie?.

     Georg.  Nehmt  mich  mit! War ich letzt dabei  gewesen, Ihr hattet  die
Armbrust nicht verloren.

     Gotz. Wei?t du das?

     Georg. Ihr warft  sie dem Feind an Kopf,  und einer von den Fu?knechten
hob sie auf; weg war sie! Gelt ich wei??

     Gotz. Erzahlen dir das meine Knechte?

     Georg. Wohl. Dafur pfeif ich ihnen auch, wann wir die Pferde striegeln,
allerlei Weisen und lerne sie allerlei lustige Lieder.

     Gotz. Du bist ein braver Junge.

     Georg. Nehmt mich mit, da? ich's zeigen kann!

     Gotz. Das nachstemal, auf mein Wort. Unbewaffnet wie du bist, sollst du
nicht in Streit.  Die kunftigen Zeiten brauchen  auch  Manner. Ich sage dir,
Knabe, es wird eine teure Zeit werden: Fursten werden ihre Schatze bieten um
einen Mann, den sie jetzt hassen. Geh, Georg, gib Hansen seinen Kura? wieder
und  bring  mir   Wein.  (Georg  ab.)  Wo  meine  Knechte  bleiben!  Es  ist
unbegreiflich. Ein Monch! Wo kommt der noch her?

     (Bruder Martin kommt.)

     Gotz. Ehrwurdiger  Vater, guten Abend! woher so spat? Mann der heiligen
Ruhe, Ihr beschamt viel Ritter.

     Martin. Dank  Euch,  edler Herr!  Und bin  vor der Hand  nur  demutiger
Bruder,  wenn's ja Titel sein soll. Augustin  mit meinem  Klosternamen, doch
hor ich am liebsten Martin, meinen Taufnamen.

     Gotz. Ihr seid mude, Bruder  Martin, und ohne Zweifel durstig! (Der Bub
kommt.) Da kommt der Wein eben recht.

     Martin. Fur mich einen Trunk Wasser. Ich darf keinen Wein trinken.

     Gotz. Ist das Euer Gelubde?

     Martin. Nein, gnadiger Herr, es  ist nicht  wider mein Gelubde, Wein zu
trinken; weil  aber der Wein  wider mein Gelubde ist,  so  trinke ich keinen
Wein.

     Gotz. Wie versteht Ihr das?

     Martin. Wohl  Euch, da? Ihr's nicht  versteht. Essen und trinken,  mein
ich, ist des Menschen Leben.

     Gotz. Wohl!

     Martin. Wenn Ihr gegessen und getrunken habt, seid Ihr wie neu geboren;
seid starker,  mutiger, geschickter zu Euerm Geschaft. Der Wein erfreut  des
Menschen Herz,  und die Freudigkeit ist die Mutter  aller Tugenden. Wenn Ihr
Wein getrunken habt, seid Ihr alles doppelt, was Ihr sein sollt, noch einmal
so  leicht denkend,  noch  einmal  so unternehmend, noch  einmal  so schnell
ausfuhrend.

     Gotz. Wie ich ihn, trinke, ist es wahr.

     Martin. Davon red ich auch. Aber wir -

     (Georg mit Wasser.)

     Gotz (zu Georg heimlich). Geh  auf den Weg nach Dachsbach, und leg dich
mit  dem Ohr auf die Erde, ob du  nicht Pferde kommen horst,  und sei gleich
wieder hier.

     Martin. Aber wir, wenn wir gegessen  und getrunken haben, sind wir grad
das  Gegenteil von  dem, was wir  sein  sollen. Unsere  schlafrige Verdauung
stimmt den Kopf nach dem Magen, und in  der Schwache  einer uberfullten Ruhe
erzeugen sich Begierden, die ihrer Mutter leicht uber den Kopf wachsen.

     Gotz. Ein Glas, Bruder  Martin,  wird Euch nicht  im Schlaf storen. Ihr
seid heute viel gegangen. (Bringt's ihm.) Alle Streiter!

     Martin. In  Gottes Namen! (Sie sto?en an.) Ich  kann die mu?igen  Leute
nicht ausstehen; und doch kann ich nicht sagen, da? alle Monche  mu?ig sind;
sie tun, was sie konnen.  Da komm ich von St. Veit, wo ich die  letzte Nacht
schlief. Der Prior fuhrte mich in den Garten; das  ist  nun  ihr Bienenkorb.
Vortrefflicher Salat! Kohl nach Herzens  Lust! und  besonders Blumenkohl und
Artischocken, wie keine in Europa!

     Gotz.  Das ist  also  Eure Sache  nicht. (Er steht auf, sieht nach  dem
Jungen und kommt wieder.)

     Martin. Wollte,  Gott hatte mich  zum Gartner oder  Laboranten gemacht!
Ich konnte glucklich sein.  Mein Abt liebt mich, mein Kloster ist  Erfurt in
Sachsen; er wei?, ich kann  nicht ruhn; da schickt er mich herum, wo  was zu
betreiben ist. Ich geh zum Bischof von Konstanz.

     Gotz. Noch eins! Gute Verrichtung!

     Martin. Gleichfalls.

     Gotz. Was seht Ihr mich so an, Bruder?

     Martin. Da? ich in Euern Harnisch verliebt bin.

     Gotz.  Hattet Ihr Lust zu einem? Es ist  schwer und beschwerlich ihn zu
tragen.

     Martin.  Was ist  nicht  beschwerlich auf  dieser  Welt!  und mir kommt
nichts beschwerlicher  vor,  als nicht Mensch sein durfen. Armut, Keuschheit
und  Gehorsam - drei Gelubde, deren jedes, einzeln betrachtet, der Natur das
Unausstehlichste  scheint, so unertraglich  sind  sie  alle. Und sein ganzes
Leben  unter dieser  Last,  oder  der weit druckendern Burde  des  Gewissens
mutlos zu keuchen!  O Herr! was sind die Muhseligkeiten Eures  Lebens, gegen
die Jammerlichkeiten  eines Standes,  der die  besten Triebe, durch die  wir
werden, wachsen und  gedeihen,  aus mi?verstandener  Begierde Gott naher  zu
rucken, verdammt?

     Gotz. War Euer Gelubde nicht so heilig, ich  wollte Euch bereden, einen
Harnisch anzulegen, wollt Euch ein Pferd geben, und wir zogen miteinander.

     Martin.  Wollte  Gott, meine Schultern fuhlten  Kraft, den Harnisch  zu
ertragen, und  mein Arm  Starke, einen Feind vom  Pferd zu  stechen!  - Arme
schwache  Hand, von  jeher gewohnt, Kreuze und Friedensfahnen zu fuhren  und
Rauchfasser zu schwingen, wie wolltest  du Lanze und Schwert regieren! Meine
Stimme, nur zu Ave und Halleluja gestimmt, wurde dem Feind ein Herold meiner
Schwache sein,  wenn  ihn die Eurige uberwaltigte.  Kein Gelubde sollte mich
abhalten wieder in den Orden zu  treten,  den mein Schopfer selbst gestiftet
hat!

     Gotz. Gluckliche Wiederkehr!

     Martin. Das trinke  ich nur fur  Euch. Wiederkehr in  meinen  Kafig ist
allemal unglucklich.  Wenn  Ihr wiederkehrt, Herr,  in  Eure Mauern, mit dem
Bewu?tsein  Eurer Tapferkeit und Starke, der  keine Mudigkeit  etwas anhaben
kann, Euch zum erstenmal nach  langer Zeit, sicher vor feindlichem Uberfall,
entwaffnet  auf Euer Bette streckt  und Euch nach dem Schlaf dehnt, der Euch
besser schmeckt als mir der Trunk  nach langem Durst: da konnt Ihr von Gluck
sagen!

     Gotz. Dafur kommt's auch selten.

     Martin (feuriger). Und ist, wenn's kommt, ein Vorschmack des Himmels. -
Wenn Ihr zuruckkehrt, mit der Beute Eurer Feinde beladen, und Euch erinnert:
den stach ich vom Pferd, eh er schie?en konnte, und den rannt  ich  samt dem
Pferde nieder, und dann reitet Ihr zu Euerm Schlo? hinauf, und -

     Gotz. Was meint Ihr?

     Martin.  Und Eure  Weiber! (Er schenkt ein.) Auf Gesundheit Eurer Frau!
(Er wischt sich die Augen.) Ihr habt doch eine?

     Gotz. Ein edles vortreffliches Weib!

     Martin. Wohl  dem, der ein tugendsam Weib hat! des lebt er noch eins so
lange.  Ich kenne  keine  Weiber,  und  doch  war  die  Frau die  Krone  der
Schopfung!

     Gotz (vor sich). Er dauert mich!  Das  Gefuhl seines Standes fri?t  ihm
das Herz.

     Georg (gesprungen). Herr! ich hore Pferde im  Galopp! Zwei! Es sind sie
gewi?.

     Gotz. Fuhr mein Pferd heraus! Hans soll aufsitzen. -  Lebt wohl, teurer
Bruder,  Gott  geleit Euch! Seid  mutig und  geduldig. Gott  wird  Euch Raum
geben.

     Martin. Ich bitt um Euern Namen.

     Gotz. Verzeiht mir. Lebt wohl! (Er reicht ihm die linke Hand.)

     Martin. Warum reicht Ihr mir die  Linke? Bin ich die ritterliche Rechte
nicht wert?

     Gotz.   Und  wenn   Ihr  der  Kaiser   wart,   Ihr  mu?tet  mit  dieser
vorliebnehmen. Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen
den Druck  der  Liebe unempfindlich: sie ist  eins mit  ihrem Handschuh; Ihr
seht, er ist Eisen.

     Martin. So seid Ihr Gotz von Berlichingen! Ich danke dir, Gott, da?  du
mich ihn hast sehen lassen, diesen Mann, den die Fursten  hassen und  zu dem
die Bedrangten sich wenden!  (Er nimmt  ihm die rechte Hand.) La?t mir diese
Hand, la?t mich sie kussen!

     Gotz. Ihr sollt nicht.

     Martin.  La?t mich!  Du,  mehr  wert als Reliquienhand, durch  die  das
heiligste Blut geflossen  ist, totes  Werkzeug,  belebt  durch  des edelsten
Geistes Vertrauen auf Gott!

     Gotz (setzt den Helm auf und nimmt die Lanze).

     Martin. Es war ein Monch bei  uns vor Jahr  und Tag, der Euch besuchte,
wie sie Euch abgeschossen ward  vor Landshut. Wie  er  uns erzahlte, was Ihr
littet, und wie sehr es  Euch schmerzte, zu Eurem Beruf verstummelt zu sein,
und wie Euch einfiel,  von einem  gehort  zu  haben, der auch  nur eine Hand
hatte und als  tapferer Reitersmann doch  noch lange  diente - ich werde das
nie vergessen.

     (Die zwei Knechte kommen.)

     Gotz (zu ihnen. Sie reden heimlich).

     Martin  (fahrt inzwischen fort). Ich werde das nie vergessen, wie er im
edelsten  einfaltigsten Vertrauen auf  Gott sprach: >Und wenn ich zwolf Hand
hatte  und deine Gnad wollt mir nicht,  was wurden sie mir fruchten? So kann
ich mit einer< -

     Gotz.  In den Haslacher  Wald also. (Kehrt  sich zu Martin.) Lebt wohl,
werter Bruder Martin. (Ku?t ihn.)

     Martin. Verge?t mich nicht, wie ich Euer nicht vergesse.

     (Gotz ab.)

     Martin. Wie mir's  so  eng ums  Herz  ward, da ich  ihn sah.  Er redete
nichts, und  mein  Geist konnte doch den seinigen unterscheiden. Es ist eine
Wollust, einen gro?en Mann zu sehn.

     Georg. Ehrwurdiger Herr, Ihr schlaft doch bei uns?

     Martin. Kann ich ein Bett haben?

     Georg.  Nein,  Herr! ich  kenne  Betten nur  vom  Horensagen, in unsrer
Herberg ist nichts als Stroh.

     Martin. Auch gut. Wie hei?t du?

     Georg. Georg, ehrwurdiger Herr!

     Martin. Georg! da hast du einen tapfern Patron.

     Georg. Sie sagen, er sei ein Reiter gewesen; das will ich auch sein.

     Martin. Warte!  (Zieht ein Gebetbuch  hervor  und  gibt dem Buben einen
Heiligen.) Da hast du ihn. Folge seinem Beispiel, sei brav und furchte Gott!
(Martin geht.)

     Georg. Ach ein  schoner Schimmel! wenn ich einmal so einen hatte! - und
die goldene Rustung! -  Das ist ein garstiger Drach - Jetzt schie? ich  nach
Sperlingen - Heiliger  Georg! mach  mich  gro?  und  stark, gib  mir so eine
Lanze, Rustung und Pferd, dann la? mir die Drachen kommen!

     Jagsthausen. Gotzens Burg
     Elisabeth. Maria. Karl, sein Sohnchen.

     Karl.  Ich bitte dich, liebe Tante,  erzahl  mir  das  noch  einmal vom
frommen Kind, 's is gar zu schon.

     Maria.  Erzahl  du mir's,  kleiner  Schelm, da  will ich  horen,  ob du
achtgibst.

     Karl. Wart e bis, ich will mich bedenken. - Es war einmal - ja - es war
einmal ein Kind, und sein Mutter war krank, da ging das Kind hin -

     Maria. Nicht doch. Da sagte die Mutter: >Liebes Kind< -

     Karl. >Ich bin krank< -

     Maria. >Und kann nicht ausgehn< -

     Karl. Und gab ihm Geld und sagte. >Geh hin, und hol dir ein Fruhstuck.<
Da kam ein armer Mann -

     Maria. Das Kind ging, da  begegnet' ihm  ein alter Mann, der war -  nun
Karl!

     Karl. Der war - alt -

     Maria. Freilich! der kaum mehr gehen konnte, und sagte. >Liebes Kind< -

     Karl. >Schenk mir  was, ich habe kein Brot gessen gestern und heut.< Da
gab ihm 's Kind das Geld -

     Maria. Das fur sein Fruhstuck sein sollte.

     Karl. Da sagte der alte Mann -

     Maria. Da nahm der alte Mann das Kind -

     Karl. Bei  der Hand,  und  sagte  -  und  ward  ein  schoner glanzender
Heiliger, und sagte: - >Liebes Kind< -

     Maria. >Fur deine Wohltatigkeit belohnt  dich die Mutter  Gottes  durch
mich: welchen Kranken du an ruhrst< -

     Karl. >Mit der Hand< - es war die rechte, glaub ich.

     Maria. Ja.

     Karl. >Der wird gleich gesund.<

     Maria. Da lief das Kind nach Haus und konnt fur Freuden nichts reden.

     Karl. Und fiel seiner Mutter um den Hals und weinte fur Freuden -

     Maria. Da rief die Mutter: >Wie ist mir!< und war - nun Karl!

     Karl. Und war - und war -

     Maria.  Du gibst  schon  nicht  acht! -  und  war gesund. Und das  Kind
kurierte Konig  und Kaiser, und wurde so  reich, da?  es ein  gro?es Kloster
bauete.

     Elisabeth.  Ich kann nicht begreifen,  wo mein Herr  bleibt. Schon funf
Tag  und  Nachte, da?  er weg  ist,  und  er  hoffte so bald seinen  Streich
auszufuhren.

     Maria. Mich angstigt's lang. Wenn ich  so einen Mann haben  sollte, der
sich immer Gefahren aussetzte, ich sturbe im ersten Jahr.

     Elisabeth. Dafur dank ich Gott, da? er mich harter zusammengesetzt hat.

     Karl. Aber mu? dann der Vater ausreiten, wenn's so gefahrlich ist?

     Maria. Es ist sein guter Wille so.

     Elisabeth. Wohl mu? er, lieber Karl.

     Karl. Warum?

     Elisabeth. Wei?t du noch, wie er das letztemal ausritt, da  er dir Weck
mitbrachte?

     Karl. Bringt er mir wieder mit?

     Elisabeth.  Ich  glaub  wohl.  Siehst du,  da  war  ein  Schneider  von
Stuttgart, der  war  ein  trefflicher  Bogenschutz, und hatte  zu Koln auf'm
Schie?en das Beste gewonnen.

     Karl. War's viel?

     Elisabeth. Hundert Taler. Und darnach wollten sie's ihm nicht geben.

     Maria. Gelt, das ist garstig, Karl?

     Karl. Garstige Leut!

     Elisabeth. Da kam  der Schneider zu deinem Vater und bat ihn, er mochte
ihm zu seinem Geld verhelfen. Und da ritt er aus und  nahm den  Kolnern  ein
paar Kaufleute  weg, und plagte  sie so lang, bis sie das Geld  herausgaben.
Warst du nicht auch ausgeritten?

     Karl.  Nein! da mu? man durch einen dicken, dicken  Wald, sind Zigeuner
und Hexen drin.

     Elisabeth. Ist ein rechter Bursch, furcht sich vor Hexen!

     Maria. Du tust  besser, Karl! leb du  einmal auf  deinem Schlo? als ein
frommer  christlicher  Ritter.  Auf  seinen eigenen Gutern  findet  man  zum
Wohltun  Gelegenheit   genug.  Die  rechtschaffensten  Ritter  begehen  mehr
Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit auf ihren Zugen.

     Elisabeth. Schwester,  du wei?t nicht, was du redst. Gebe nur Gott, da?
unser Junge mit der Zeit braver wird, und dem Weislingen nicht  nachschlagt,
der so treulos an meinem Mann handelt.

     Maria.  Wir  wollen  nicht  richten,  Elisabeth.  Mein Bruder  ist sehr
erbittert, du auch.  Ich bin bei der ganzen  Sache  mehr Zuschauer, und kann
billiger sein.

     Elisabeth. Er ist nicht zu entschuldigen.

     Maria.  Was ich von  ihm  gehort, hat  mich eingenommen. Erzahlte nicht
selbst dein Mann so viel Liebes und Gutes  von  ihm!  Wie glucklich war ihre
Jugend, als sie zusammen Edelknaben des Markgrafen waren!

     Elisabeth.  Das mag sein. Nur sag, was kann der Mensch je Gutes  gehabt
haben, der  seinem  besten  treusten Freunde nachstellt,  seine Dienste  den
Feinden  meines  Mannes verkauft, und  unsern trefflichen  Kaiser der uns so
gnadig ist, mit falschen widrigen Vorstellungen einzunehmen sucht.

     Karl. Der Vater! der Vater! Der Turner blast 's Liedel: >Heisa, mach 's
Tor auf.<

     Elisabeth. Da kommt er mit Beute.

     (Ein Reiter kommt.)

     Reiter.  Wir haben,  gejagt! wir  haben gefangen!  Gott gru? Euch, edle
Frauen.

     Elisabeth. Habt ihr den Weislingen?

     Reiter. Ihn und drei Reiter.

     Elisabeth. Wie ging's zu, da? ihr so lang ausbleibt?

     Reiter. Wir lauerten auf ihn  zwischen Nurnberg und  Bamberg, er wollte
nicht kommen, und wir wu?ten doch, er war auf dem Wege. Endlich kundschaften
wir ihn  aus: er war seitwarts  gezogen, und sa? geruhig beim Grafen auf dem
Schwarzenberg.

     Elisabeth. Den mochten sie auch gern meinem Mann feind haben.

     Reiter. Ich sagt's gleich  dem  Herrn. Auf! und wir ritten in Haslacher
Wald. Und  da war's  kurios: wie  wir  so  in die Nacht reiten, hut just ein
Schafer da,  und fallen funf Wolf in die  Herd und  packten weidlich  an. Da
lachte unser Herr  und sagte: >Gluck  zu, liebe  Gesellen! Gluck uberall und
uns auch!<  Und  es freuet' uns  all das gute Zeichen.  Indem  so kommt  der
Weislingen hergeritten mit vier Knechten.

     Maria. Das Herz zittert mir im Leibe.

     Reiter.  Ich und mein Kamerad, wie's der Herr befohlen hatte, nistelten
uns an ihn,  als waren wir zusammengewachsen, da?  er sich nicht regen  noch
ruhren  konnte, und der Herr und der  Hans fielen  uber  die Knechte her und
nahmen sie in Pflicht. Einer ist entwischt.

     Elisabeth. Ich bin neugierig, ihn zu sehn. Kommen sie bald?

     Reiter. Sie reiten das Tal herauf, in einer Viertelstund sind sie hier.

     Maria. Er wird niedergeschlagen sein.

     Reiter. Finster genug sieht er aus.

     Maria. Sein Anblick wird mir im Herzen weh tun.

     Elisabeth.  Ah!  - Ich  will gleich das  Essen zurecht  machen. Hungrig
werdet ihr doch alle sein.

     Reiter. Rechtschaffen.

     Elisabeth. Nimm den Kellerschlussel und  hol vom besten Wein! Sie haben
ihn verdient. (Ab.)

     Karl. Ich will mit, Tante.

     Maria. Komm, Bursch. (Ab.)

     Reiter. Der wird nicht sein Vater, sonst ging' er mit in Stall!

     (Gotz. Weislingen. Reitersknechte.)

     Gotz (Helm und Schwert auf den Tisch legend). Schnallt mir den Harnisch
auf, und gebt  mir mein Wams. Die Bequemlichkeit wird mir  wohl tun.  Bruder
Martin, du sagtest recht - Ihr habt uns in Atem erhalten, Weislingen.

     Weislingen (antwortet nichts, auf und ab gehend).

     Gotz. Seid gutes Muts. Kommt, entwaffnet  Euch. Wo  sind Eure  Kleider?
Ich  hoffe,  es soll  nichts verlorengegangen sein. (Zum Knecht.) Frag seine
Knechte, und offnet das Gepacke, und seht zu, da? nichts abhanden komme. Ich
konnt Euch auch von den meinigen borgen.

     Weislingen. La?t mich so, es ist all eins.

     Gotz. Konnt Euch ein hubsches saubres Kleid geben, ist zwar nur leinen.
Mir ist's  zu  eng worden. Ich hatt's auf der Hochzeit meines gnadigen Herrn
des Pfalzgrafen an, eben damals, als Euer Bischof so giftig uber mich wurde.
Ich hatt' ihm, vierzehn Tag vorher, zwei Schiff auf dem Main niedergeworfen.
Und ich geh mit Franzen  von Sickingen im Wirtshaus zum Hirsch in Heidelberg
die Trepp hinauf. Eh man noch  ganz droben ist, ist ein Absatz und ein eisen
Gelanderlein,  da  stund  der  Bischof  und gab Franzen  die  Hand,  wie  er
vorbeiging,  und gab  sie mir  auch, wie  ich hintendrein kam. Ich  lacht in
meinem Herzen, und ging zum Landgrafen von Hanau,  der  mir  gar  ein lieber
Herr  war, und sagte:  >Der Bischof hat mir die Hand geben, ich wett, er hat
mich  nicht gekannt.< Das hort' der Bischof,  denn ich red't laut mit Flei?,
und kam zu uns trotzig -  und sagte: >Wohl, weil  ich Euch  nicht kannt hab,
gab ich Euch die Hand.< Da sagt ich: >Herre,  ich merkt's wohl, da? Ihr mich
nicht kanntet, und hiermit habt Ihr Eure Hand  wieder.< Da ward das Mannlein
so rot  am Hals wie ein Krebs vor  Zorn und  lief in die Stube  zu Pfalzgraf
Ludwig  und dem Fursten von Nassau und klagt's ihnen. Wir haben  nachher uns
oft was druber zugute getan.

     Weislingen. Ich wollt, Ihr lie?t mich allein.

     Gotz. Warum  das? Ich bitt Euch, seid aufgeraumt.  Ihr  seid  in meiner
Gewalt, und ich werd sie nicht mi?brauchen.

     Weislingen.  Dafur   war  mir's  noch  nicht   bange.   Das   ist  Eure
Ritterpflicht.

     Gotz. Und Ihr wi?t, da? die mir heilig ist.

     Weislingen. Ich bin gefangen; das ubrige ist eins.

     Gotz. Ihr solltet nicht so reden. Wenn Ihr's mit Fursten zu tun hattet,
und sie Euch in tiefen Turn  an Ketten  aufhingen, und der  Wachter Euch den
Schlaf wegpfeifen mu?te!

     (Die Knechte mit den Kleidern.)

     Weislingen (zieht sich aus und an).

     (Karl kommt.)

     Karl. Guten Morgen, Vater!

     Gotz (ku?t ihn). Guten Morgen, Junge. Wie habt ihr die Zeit gelebt?

     Karl. Recht geschickt, Vater! Die Tante sagt: ich sei recht geschickt.

     Gotz. So!

     Karl. Hast du mir was mitgebracht?

     Gotz. Diesmal nicht.

     Karl. Ich hab viel gelernt.

     Gotz. Ei!

     Karl. Soll ich dir vom frommen Kind erzahlen?

     Gotz. Nach Tische.

     Karl. Ich wei? noch was.

     Gotz. Was wird das sein?

     Karl.  Jagsthausen  ist ein Dorf und Schlo? an der Jagst,  gehort  seit
zweihundert Jahren den Herrn von Berlichingen erb- und eigentumlich zu.

     Gotz. Kennst du den Herrn von Berlichingen?

     Karl (sieht ihn starr an).

     Gotz (vor  sich). Er  kennt wohl vor lauter Gelehrsamkeit  seinen Vater
nicht. - Wem gehort Jagsthausen?

     Karl. Jagsthausen ist ein Dorf und Schlo? an der Jagst.

     Gotz.  Das frag ich nicht.  - Ich kannte alle Pfade, Weg und Furten, eh
ich wu?te, wie Flu?, Dorf und Burg hie?. - Die Mutter ist in der Kuche?

     Karl. Ja, Vater! Sie kocht wei?e Ruben und ein Lammsbraten.

     Gotz. Wei?t du's auch, Hans Kuchenmeister?

     Karl. Und fur mich zum Nachtisch hat die Tante einen Apfel gebraten.

     Gotz. Kannst du sie nicht roh essen?

     Karl. Schmeckt so besser.

     Gotz.  Du mu?t  immer  was Apartes haben. - Weislingen!  ich bin gleich
wieder bei Euch. Ich mu? meine Frau doch sehn. Komm mit, Karl.

     Karl. Wer ist der Mann?

     Gotz. Gru? ihn. Bitt ihn, er soll lustig sein.

     Karl. Da,  Mann! hast du eine  Hand, sei  lustig,  das Essen  ist  bald
fertig.

     Weislingen (hebt ihn in die Hoh  und ku?t  ihn).  Gluckliches Kind! das
kein Ubel kennt, als wenn die Suppe lang ausbleibt. Gott la? Euch viel Freud
am Knaben erleben, Berlichingen.

     Gotz.  Wo  viel  Licht  ist,  ist  starker Schatten  -  doch war  mir's
willkommen. Wollen sehn, was es gibt.

     (Sie gehn.)

     Weislingen. O  da? ich aufwachte!  und  das  alles ware  ein  Traum! In
Berlichingens Gewalt!  von  dem ich  mich kaum  losgearbeitet  habe,  dessen
Andenken ich mied wie Feuer, den ich hoffte zu  uberwaltigen! Und er  -  der
alte treuherzige  Gotz! Heiliger Gott,  was will, will aus dem allen werden?
Ruckgefuhrt,  Adelbert, in den Saal! wo wir als Buben unsere Jagd trieben  -
da du  ihn  liebtest, an ihm hingst wie an  deiner Seele. Wer kann ihm nahen
und ihn  hassen? Ach! ich bin so ganz nichts  hier! Gluckselige  Zeiten, ihr
seid vorbei, da noch der  alte Berlichingen hier am Kamin sa?, da wir um ihn
durcheinander  spielten und  uns liebten  wie die Engel. Wie  wird sich  der
Bischof angstigen, und meine Freunde. Ich wei?, das ganze Land nimmt teil an
meinem Unfall. Was ist's! Konnen sie mir geben, wornach ich strebe?

     Gotz (mit  einer Flasche Wein und  Becher). Bis  das Essen fertig wird,
wollen wir eins trinken. Kommt, setzt Euch, tut, als wenn Ihr zu Hause wart!
Denkt,  Ihr  seid   einmal   wieder  beim  Gotz.  Haben  doch   lange  nicht
beisammengesessen, lang  keine Flasche  miteinander ausgestochen.  (Bringt's
ihm.) Ein frohlich Herz!

     Weislingen. Die Zeiten sind vorbei.

     Gotz. Behute  Gott! Zwar vergnugtere Tage  werden wir wohl nicht wieder
finden  als an  des  Markgrafen Hof,  da  wir  noch  beisammenschliefen  und
miteinander umherzogen.  Ich erinnere mich mit  Freuden  meiner Jugend. Wi?t
Ihr noch, wie ich mit dem Polacken Handel kriegte,  dem ich sein gepicht und
gekrauselt Haar von ungefahr mit dem Armel verwischt?

     Weislingen. Es war bei Tische, und er stach nach Euch mit dem Messer.

     Gotz. Den schlug ich wacker aus  dazumal,  und  daruber wurdet Ihr  mit
seinem Kameraden  zu  Unfried. Wir hielten  immer redlich  zusammen als gute
brave Jungen, dafur erkennte uns auch jedermann. (Schenkt ein und bringt's.)
Kastor und Pollux! Mir tat's immer im Herzen wohl, wenn uns der Markgraf  so
nannte.

     Weislingen. Der Bischof von Wurzburg hatte es aufgebracht.

     Gotz. Das war ein  gelehrter Herr, und dabei so leutselig. Ich erinnere
mich seiner, so lange ich lebe, wie er uns liebkoste, unsere Eintracht lobte
und  den  Menschen glucklich pries, der ein Zwillingsbruder  seines Freundes
ware.

     Weislingen. Nichts mehr davon!

     Gotz.  Warum nicht?  Nach der  Arbeit  wu?t ich nichts Angenehmers, als
mich des Vergangenen zu erinnern. Freilich, wenn  ich wieder so bedenke, wie
wir  Liebs  und  Leids  zusammen trugen,  einander alles waren, und wie  ich
damals wahnte, so sollt's  unser ganzes Leben sein! War  das nicht  all mein
Trost,,  wie  mir diese  Hand weggeschossen ward vor Landshut,  und  du mein
pflegtest und mehr  als  Bruder fur mich sorgtest? Ich hoffte, Adelbert wird
kunftig meine rechte Hand sein. Und nun -

     Weislingen. Oh!

     Gotz.  Wenn du mir damals gefolgt hattest,  da ich  dir anlag, mit nach
Brabant  zu  ziehen,  es  ware  alles  gut  geblieben.  Da  hielt  dich  das
ungluckliche Hofleben und das Schlenzen und Scherwenzen mit den Weibern. Ich
sagt es dir immer, wenn du dich mit den eiteln garstigen Vetteln abgabst und
ihnen erzahltest von mi?vergnugten Ehen, verfuhrten Madchen, der rauhen Haut
einer Dritten, oder was sie sonst gerne horen: >Du wirst ein Spitzbub<, sagt
ich, >Adelbert.<

     Weislingen. Wozu soll das alles?

     Gotz. Wollte Gott, ich konnt's  vergessen, oder es war anders!  Bist du
nicht ebenso frei, so edel geboren als einer in Deutschland, unabhangig, nur
dem Kaiser untertan, und du schmiegst  dich unter Vasallen? Was  hast du von
dem  Bischof?  Weil er dein Nachbar ist?  dich necken  konnte? Hast du nicht
Arme  und  Freunde, ihn  wieder  zu necken? Verkennst  den Wert eines freien
Rittersmanns,  der nur  abhangt  von  Gott, seinem  Kaiser und sich  selbst!
Verkriechst  dich  zum ersten  Hofschranzen  eines eigensinnigen  neidischen
Pfaffen!

     Weislingen. La?t mich reden.

     Gotz. Was hast du zu sagen?

     Weislingen. Du  siehst die  Fursten an, wie der  Wolf  den  Hirten. Und
doch, darfst du sie schelten,  da? sie ihrer Leut und  Lander Bestes wahren?
Sind sie denn einen  Augenblick vor den ungerechten Rittern sicher, die ihre
Untertanen auf allen Stra?en anfallen, ihre Dorfer und  Schlosser verheeren?
Wenn nun auf  der andern Seite  unsers teuern Kaisers Lander der  Gewalt des
Erbfeindes  ausgesetzt sind, er von den Standen Hulfe begehrt, und  sie sich
kaum ihres Lebens  erwehren: ist's nicht ein guter Geist, der  ihnen einrat,
auf Mittel zu denken, Deutschland zu  beruhigen, Recht  und Gerechtigkeit zu
handhaben,  um einen jeden, Gro?en und  Kleinen, die  Vorteile des  Friedens
genie?en zu  machen? Und uns  verdenkst  du's, Berlichingen, da? wir  uns in
ihren  Schutz  begeben,  deren Hulfe  uns nah ist, statt  da? die  entfernte
Majestat sich selbst nicht beschutzen kann.

     Gotz. Ja! ja! Ich versteh! Weislingen,  waren die Fursten,  wie Ihr sie
schildert, wir hatten alle, was  wir begehren.  Ruh und Frieden! Ich glaub's
wohl!  Den  wunscht  jeder  Raubvogel,  die  Beute  nach  Bequemlichkeit  zu
verzehren. Wohlsein eines jeden! Da?  sie sich nur darum graue Haare wachsen
lie?en! Und  mit  unserm Kaiser spielen  sie auf eine  unanstandige  Art. Er
meint's  gut  und  mocht  gern bessern.  Da kommt denn alle  Tage  ein neuer
Pfannenflicker und  meint  so und so.  Und  weil  der  Herr geschwind  etwas
begreift,  und nur reden darf,  um tausend Hande  in Bewegung  zu setzen, so
denkt er, es war auch alles so geschwind und leicht  ausgefuhrt. Nun  ergehn
Verordnungen uber Verordnungen, und wird eine uber die andere vergessen; und
was den Fursten in ihren  Kram dient, da sind sie hinterher, und  gloriieren
von Ruh und Sicherheit des Reichs, bis sie die Kleinen unterm Fu? haben. Ich
will darauf  schworen, es dankt mancher  in seinem Herzen Gott, da? der Turk
dem Kaiser die Waage halt.

     Weislingen. Ihr seht's von Eurer Seite.

     Gotz. Das tut jeder. Es ist die Frage, auf welcher Licht und Recht ist,
und eure Gange scheuen wenigstens den Tag.

     Weislingen. Ihr durft reden, ich bin der Gefangne.

     Gotz. Wenn  Euer Gewissen rein ist, so seid Ihr frei. Aber wie war's um
den Landfrieden? Ich wei?  noch, als ein Bub von sechzehn Jahren war ich mit
dem  Markgrafen  auf dem  Reichstag.  Was  die  Fursten da fur weite  Mauler
machten,  und die Geistlichen am argsten. Euer Bischof larmte dem Kaiser die
Ohren voll, als wenn ihm wunder wie!  die  Gerechtigkeit ans  Herz gewachsen
ware; und jetzt wirft er  mir selbst  einen Buben nieder, zur Zeit da unsere
Handel  vertragen sind, ich an nichts Boses denke. Ist nicht alles  zwischen
uns geschlichtet? Was hat er mit dem Buben?

     Weislingen. Es geschah ohne sein Wissen.

     Gotz. Warum gibt er ihn nicht wieder los?

     Weislingen. Er hat sich nicht aufgefuhrt, wie er sollte.

     Gotz. Nicht wie er sollte? Bei meinem Eid, er hat getan, wie er sollte,
so gewi? er mit Eurer und des Bischofs Kundschaft  gefangen ist.  Meint Ihr,
ich  komm erst heut  auf die Welt, da? ich nicht sehen soll, wo alles hinaus
will?

     Weislingen. Ihr seid argwohnisch und tut uns unrecht.

     Gotz. Weislingen, soll ich von  der Leber weg reden? Ich  bin  euch ein
Dorn in den Augen,  so klein ich bin, und  der  Sickingen und  Selbitz nicht
weniger, weil  wir fest entschlossen sind, zu  sterben eh,  als jemanden die
Luft zu verdanken,  au?er Gott, und  unsere Treu und Dienst  zu leisten, als
dem Kaiser. Da ziehen  sie  nun um mich herum,  verschwarzen  mich  bei Ihro
Majestat und ihren Freunden und meinen Nachbarn, und spionieren nach Vorteil
uber  mich. Aus dem Wege  wollen sie mich haben, wie's ware. Darum nahmt ihr
meinen  Buben gefangen, weil  ihr  wu?tet,  ich  hatt'  ihn  auf  Kundschaft
ausgeschickt; und darum tat  er nicht, was er sollte, weil er mich nicht  an
euch verriet. Und du, Weislingen, bist ihr Werkzeug!

     Weislingen. Berlichingen!

     Gotz.  Kein Wort mehr davon! Ich  bin ein Feind von Explikationen;  man
betriegt sich oder den andern, und meist beide.

     Karl. Zu Tisch, Vater.

     Gotz. Frohliche Botschaft!  - Kommt! ich hoffe, meine Weibsleute sollen
Euch munter  machen. Ihr wart sonst  ein Liebhaber,  die Fraulein wu?ten von
Euch zu erzahlen. Kommt! (Ab.)


     Im bischoflichen Palaste zu Bamberg
     Der Speisesaal
     Bischof von Bamberg. Abt von Fulda. Olearius. Liebetraut. Hofleute.
     An Tafel. Der Nachtisch und die gro?en Pokale werden aufgetragen.

     Bischof. Studieren jetzt viele Deutsche von Adel zu Bologna?

     Olearius. Vom  Adel- und Burgerstande. Und ohne  Ruhm zu melden, tragen
sie  das gro?te  Lob davon. Man pflegt im  Sprichwort  auf  der Akademie  zu
sagen: >So flei?ig  wie ein Deutscher von Adel.< Denn indem die Burgerlichen
einen  ruhmlichen Flei? anwenden,  durch Talente  den  Mangel  der Geburt zu
ersetzen,  so  bestreben  sich  jene,  mit   ruhmlicher  Wetteiferung,  ihre
angeborne Wurde durch die glanzendsten Verdienste zu erhohen.

     Abt. Ei!

     Liebetraut.  Sag  einer,  was  man, nicht erlebet. So flei?ig  wie  ein
Deutscher von Adel! Das hab ich mein Tage nicht gehort.

     Olearius. Ja, sie sind die Bewunderung der ganzen  Akademie.  Es werden
ehestens  einige   von   den  altesten   und   geschicktesten  als  Doktores
zuruckkommen.  Der  Kaiser  wird  glucklich sein,  die ersten Stellen  damit
besetzen zu konnen.

     Bischof. Das kann nicht fehlen.

     Abt. Kennen Sie nicht zum Exempel einen Junker? - Er ist aus Hessen -

     Olearius. Es sind viel Hessen da.

     Abt. Er hei?t - er ist  - Wei? es keiner von  euch?  - Seine Mutter war
eine von - Oh! Sein Vater hatte nur ein Aug - und war Marschall.

     Liebetraut. Von Wildenholz?

     Abt. Recht - von Wildenholz.

     Olearius.  Den  kenn ich wohl, ein junger Herr von  vielen Fahigkeiten.
Besonders ruhmt man ihn wegen seiner Starke im Disputieren.

     Abt. Das hat er von seiner Mutter.

     Liebetraut. Nur wollte sie ihr Mann niemals drum ruhmen.

     Bischof. Wie sagtet Ihr, da?  der Kaiser hie?, der  Euer >Corpus Juris<
geschrieben hat?

     Olearius. Justinianus.

     Bischof. Ein trefflicher Herr! er soll leben!

     Olearius. Sein Andenken!

     (Sie trinken.)

     Abt. Es mag ein schon Buch sein.

     Olearius. Man mocht's wohl ein Buch aller  Bucher nennen; eine Sammlung
aller Gesetze;  bei jedem  Fall der  Urteilsspruch bereit;  und  was ja noch
abgangig oder  dunkel ware, ersetzen  die  Glossen,  womit die  gelehrtesten
Manner das vortrefflichste Werk geschmuckt haben.

     Abt.  Eine Sammlung aller Gesetze! Potz! Da  mussen wohl auch  die Zehn
Gebote drin sein.

     Olearius. Implicite wohl, nicht explicite.

     Abt. Das mein ich auch, an und vor sich, ohne weitere Explikation.

     Bischof. Und was  das Schonste ist, so konnte, wie  Ihr sagt, ein Reich
in sicherster  Ruhe  und  Frieden  leben, wo es vollig eingefuhrt und  recht
gehandhabt wurde.

     Olearius. Ohne Frage.

     Bischof. Alle Doctores Juris!

     Olearius. Ich werd's  zu ruhmen wissen. (Sie trinken.) Wollte Gott, man
sprache so in meinem Vaterlande!

     Abt. Wo seid Ihr her, hochgelahrter Herr?

     Olearius. Von Frankfurt am Main, Ihro Eminenz zu dienen.

     Bischof. Steht ihr Herrn da nicht wohl angeschrieben? Wie kommt das?

     Olearius.  Sonderbar  genug.   Ich  war  da,  meines  Vaters  Erbschaft
abzuholen; der Pobel hatte  mich fast gesteinigt, wie er  horte, ich sei ein
Jurist.

     Abt. Behute Gott!

     Olearius. Aber das kommt daher: Der Schoppenstuhl, der in gro?em Ansehn
weit umher  steht, ist mit  lauter Leuten besetzt, die der  Romischen Rechte
unkundig sind. Man glaubt, es sei genug, durch Alter und Erfahrung sich eine
genaue Kenntnis  des  innern und au?ern  Zustandes der Stadt zu erwerben. So
werden,  nach  altem  Herkommen  und wenigen Statuten, die  Burger  und  die
Nachbarschaft gerichtet.

     Abt. Das ist wohl gut.

     Olearius. Aber  lange nicht genug. Der  Menschen Leben ist kurz, und in
einer Generation  kommen nicht alle Kasus vor.  Eine Sammlung  solcher Falle
von vielen Jahrhunderten ist unser Gesetzbuch. Und dann  ist  der  Wille und
die Meinung der  Menschen  schwankend;  dem deucht heute das  recht, was der
andere  morgen  mi?billiget;  und  so  ist  Verwirrung  und  Ungerechtigkeit
unvermeidlich.  Das  alles  bestimmen  die  Gesetze; und  die  Gesetze  sind
unveranderlich.

     Abt. Das ist freilich besser.

     Olearius.  Das  erkennt  der  Pobel  nicht,  der,  so  gierig  er   auf
Neuigkeiten ist, das Neue hochst  verabscheuet, das  ihn  aus  seinem Gleise
leiten will, und  wenn er sich noch so sehr dadurch  verbessert.  Sie halten
den Juristen so arg, als einen  Verwirrer des Staats, einen Beutelschneider,
und sind wie rasend, wenn einer dort sich niederzulassen gedenkt.

     Liebetraut. Ihr seid von Frankfurt! Ich bin wohl da bekannt. Bei Kaiser
Maximilians Kronung haben wir  Euern Brautigams was vorgeschmaust. Euer Name
ist Olearius? Ich kenne so niemanden.

     Olearius.  Mein  Vater  hie? Ohlmann. Nur, den Mi?stand  auf  dem Titel
meiner lateinischen Schriften zu vermeiden, nenn ich mich, nach dem Beispiel
und auf Anraten wurdiger Rechtslehrer, Olearius.

     Liebetraut. Ihr tatet wohl, da? Ihr Euch ubersetztet.  Ein Prophet gilt
nichts in seinem Vaterlande, es hatt' Euch in Eurer  Muttersprache  auch  so
gehen konnen.

     Olearius. Es war nicht darum.

     Liebetraut. Alle Dinge haben ein paar Ursachen.

     Abt. Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande!

     Liebetraut. Wi?t Ihr auch warum, hochwurdiger Herr?

     Abt. Weil er da geboren und erzogen ist.

     Liebetraut. Wohl! Das mag die eine Ursache sein. Die andere  ist: Weil,
bei einer naheren Bekanntschaft mit den Herrn, der Nimbus  von Ehrwurdigkeit
und Heiligkeit wegschwindet, den  uns eine neblichte Ferne um sie herumlugt;
und dann sind sie ganz kleine Stumpfchen Unschlitt.

     Olearius. Es scheint, Ihr seid dazu bestellt, Wahrheiten. zu sagen.

     Liebetraut. Weil ich 's Herz dazu hab, so fehlt mir's nicht am Maul.

     Olearius. Aber doch an Geschicklichkeit, sie wohl anzubringen.

     Liebetraut. Schropfkopfe sind wohl angebracht, wo sie ziehen.

     Olearius. Bader erkennt man  an der Schurze  und  nimmt  in  ihrem Amte
ihnen nichts ubel. Zur Vorsorge tatet Ihr wohl, wenn Ihr eine  Schellenkappe
trugt.

     Liebetraut. Wo  habt Ihr promoviert? Es ist nur zur Nachfrage, wenn mir
einmal der Einfall kame, da? ich gleich vor die rechte Schmiede ginge.

     Olearius. Ihr seid verwegen.

     Liebetraut. Und Ihr sehr breit.

     (Bischof und Abt lachen.)

     Bischof. Von  was anders! - Nicht so hitzig, ihr Herrn. Bei Tisch  geht
alles drein - Einen andern Diskurs, Liebetraut!

     Liebetraut. Gegen Frankfurt liegt ein Ding uber, hei?t Sachsenhausen -

     Olearius  (zum Bischof). Was spricht man vom Turkenzug, Ihro Furstliche
Gnaden?

     Bischof. Der  Kaiser hat nichts Angelegners, als  vorerst  das Reich zu
beruhigen,  die  Fehden  abzuschaffen  und   das  Ansehn   der  Gerichte  zu
befestigen. Dann, sagt man, wird er personlich gegen die Feinde  des  Reichs
und  der  Christenheit ziehen. Jetzt  machen  ihm seine Privathandel noch zu
tun, und das  Reich  ist,  trotz ein  vierzig  Landfrieden, noch immer  eine
Mordergrube. Franken, Schwaben,  der Oberrhein  und die  angrenzenden Lander
werden von ubermutigen und kuhnen Rittern  verheeret. Sickingen, Selbitz mit
einem Fu?, Berlichingen mit der eisernen Hand spotten in diesen Gegenden des
kaiserlichen Ansehens -

     Abt. Ja,  wenn Ihro Majestat nicht bald  dazu tun, so stecken einen die
Kerl am End in Sack.

     Liebetraut.  Das  mu?t ein Kerl sein, der das  Weinfa? von Fuld  in den
Sack schieben wollte.

     Bischof.   Besonders  ist   der   letzte   seit  vielen   Jahren   mein
unversohnlicher Feind,  und molestiert mich unsaglich; aber  es  soll  nicht
lang  mehr wahren,  hoff ich. Der Kaiser halt jetzt seinen Hof  zu Augsburg.
Wir  haben unsere  Ma?regeln genommen,  es  kann  uns nicht  fehlen. -  Herr
Doktor, kennt Ihr Adelberten von Weislingen?

     Olearius. Nein, Ihro Eminenz.

     Bischof. Wenn Ihr die Ankunft  dieses Mannes  erwartet, werdet Ihr Euch
freuen, den edelsten, verstandigsten und angenehmsten Ritter in einer Person
zu sehen.

     Olearius.   Es   mu?  ein   vortrefflicher   Mann  sein,   der   solche
Lobeserhebungen aus solch einem Munde verdient.

     Liebetraut. Er ist auf keiner Akademie gewesen.

     Bischof. Das  wissen  wir. (Die  Bedienten  laufen  ans  Fenster.)  Was
gibt's?

     Ein  Bedienter.  Eben  reit  Farber,  Weislingens Knecht, zum Schlo?tor
herein.

     Bischof. Seht, was er bringt, er wird ihn melden.

     (Liebetraut geht. Sie stehn auf und trinken noch eins. -
     Liebetraut kommt zuruck.)

     Bischof. Was fur Nachrichten?

     Liebetraut.  Ich wollt, es mu?t sie Euch  ein andrer  sagen. Weislingen
ist gefangen.

     Bischof. Oh!

     Liebetraut.  Berlichingen   hat  ihn  und  drei  Knechte   bei  Haslach
weggenommen. Einer ist entronnen, Euch's anzusagen.

     Abt. Eine Hiobspost.

     Olearius. Es tut mir von Herzen leid.

     Bischof. Ich will den  Knecht  sehn,  bringt ihn herauf  - Ich will ihn
selbst sprechen. Bringt ihn in mein Kabinett. (Ab.)

     Abt (setzt sich). Noch einen Schluck.

     (Die Knechte schenken ein.)

     Olearius.  Belieben Ihro Hochwurden nicht eine kleine Promenade  in den
Garten zu machen? Post coenam stabis seu passus mille meabis.

     Liebetraut. Wahrhaftig, das Sitzen ist Ihnen nicht gesund. Sie kriegen.
noch einen Schlagflu?.

     Abt (hebt sich auf).

     Liebetraut (vor sich). Wann ich ihn nur drau?en  hab, will ich ihm furs
Exerzitium sorgen.

     (Gehn ab.)

     Jagsthausen
     Maria. Weislingen.

     Maria. Ihr liebt mich, sagt Ihr. Ich glaub es gerne und hoffe, mit Euch
glucklich zu sein und Euch glucklich zu machen.

     Weislingen. Ich fuhle nichts, als nur da? ich ganz dein bin. (Er umarmt
sie.)

     Maria.  Ich  bitte  Euch,  la?t  mich.  Einen  Ku?  hab  ich  Euch  zum
Gottespfennig  erlaubt; Ihr scheint  aber schon  von  dem  Besitz  nehmen zu
wollen, was nur unter Bedingungen Euer ist.

     Weislingen. Ihr seid zu  streng,  Maria!  Unschuldige Liebe erfreut die
Gottheit, statt sie zu beleidigen.

     Maria.  Es  sei! Aber ich bin  nicht dadurch  erbaut.  Man lehrte mich:
Liebkosungen  sein wie Ketten, stark durch ihre Verwandtschaft, und Madchen,
wenn sie liebten, sein schwacher als Simson nach Verlust seiner Locken.

     Weislingen. Wer lehrte Euch das?

     Maria. Die Abtissin  meines Klosters.  Bis in mein sechzehntes Jahr war
ich bei ihr, und nur mit Euch empfind ich das Gluck, das ich in ihrem Umgang
geno?.  Sie  hatte  geliebt  und  durfte  reden.  Sie  hatte ein  Herz  voll
Empfindung! Sie war eine vortreffliche Frau.

     Weislingen. Da  glich sie  dir!  (Er nimmt  ihre Hand.) Wie  wird mir's
werden, wenn ich Euch verlassen soll!

     Maria (zieht ihre  Hand zuruck). Ein bi?chen eng,  hoff ich,  denn  ich
wei?, wie's mir sein wird. Aber Ihr sollt fort.

     Weislingen. Ja, meine Teuerste,  und ich  will.  Denn ich fuhle, welche
Seligkeiten ich mir durch dies Opfer  erwerbe. Gesegnet sei dein Bruder, und
der Tag, an dem er auszog, mich zu fangen!

     Maria. Sein Herz war voll Hoffnung fur ihn und dich. >Lebt wohl!< sagt'
er beim Abschied, >ich will sehen, da? ich ihn wiederfinde.<

     Weislingen. Er hat's. Wie wunscht ich, die Verwaltung  meiner Guter und
ihre  Sicherheit nicht durch das leidige Hofleben so versaumt  zu haben!  Du
konntest gleich die Meinige sein.

     Maria. Auch der Aufschub hat seine Freuden.

     Weislingen.  Sage  das  nicht,  Maria,  ich  mu?  sonst  furchten,   du
empfindest  weniger  stark  als  ich.  Doch ich bu?e  verdient;  und  welche
Hoffnungen werden mich auf  jedem Schritt begleiten! Ganz der Deine zu sein,
nur in  dir und dem Kreise  von  Guten  zu  leben, von  der  Welt  entfernt,
getrennt, alle Wonne zu genie?en, die so zwei Herzen, einander gewahren! Was
ist  die Gnade  des Fursten, was der Beifall der Welt  gegen diese  einfache
Gluckseligkeit? Ich habe viel gehofft und gewunscht, das widerfahrt mir uber
alles Hoffen und Wunschen.

     (Gotz kommt.)

     Gotz. Euer Knab ist wieder da. Er konnte vor Mudigkeit und Hunger  kaum
etwas vorbringen. Meine Frau gibt  ihm zu essen. So viel hab ich verstanden:
der  Bischof  will  den  Knaben  nicht  herausgeben, es  sollen  Kaiserliche
Kommissarien  ernannt und  ein  Tag ausgesetzt  werden,  wo  die  Sache dann
verglichen  werden mag. Dem sei, wie ihm wolle, Adelbert, Ihr seid frei; ich
verlange  weiter  nichts als Eure Hand, da? Ihr  ins kunftige meinen Feinden
weder offentlich noch heimlich Vorschub tun wollt.

     Weislingen.  Hier fa?  ich Eure Hand. La?t, von  diesem  Augenblick an,
Freundschaft   und   Vertrauen,  gleich  einem  ewigen  Gesetz  der   Natur,
unveranderlich unter uns sein! Erlaubt  mir zugleich,  diese Hand  zu fassen
(er nimmt Mariens Hand) und den Besitz des edelsten Frauleins.

     Gotz. Darf ich ja fur Euch sagen?

     Maria. Wenn Ihr es mit mir sagt.

     Gotz. Es ist ein Gluck,  da? unsere  Vorteile diesmal miteinander gehn.
Du  brauchst nicht rot  zu werden. Deine Blicke sind Beweis genug. Ja  denn,
Weislingen! Gebt Euch  die Hande, und so sprech ich Amen!  - Mein Freund und
Bruder! - Ich danke dir, Schwester! Du kannst mehr als Hanf spinnen. Du hast
einen Faden gedreht, diesen Paradiesvogel zu fesseln. Du siehst  nicht  ganz
frei,  Adelbert! Was fehlt  dir?  Ich  -  bin  ganz  glucklich; was  ich nur
traumend hoffte, seh ich, und bin wie traumend. Ach! nun ist mein Traum aus.
Mir  war's heute  nacht,  ich  gab  dir meine rechte  eiserne  Hand, und  du
hieltest mich so fest, da? sie aus den Armschienen ging wie abgebrochen. Ich
erschrak und wachte druber auf. Ich  hatte nur  forttraumen  sollen, da wurd
ich gesehen  haben, wie  du  mir  eine neue lebendige Hand ansetztest  -  Du
sollst mir jetzo fort,  dein Schlo? und deine Guter in vollkommenen Stand zu
setzen.  Der  verdammte Hof hat dich beides versaumen machen. Ich mu? meiner
Frau rufen. Elisabeth!

     Maria. Mein Bruder ist in voller Freude.

     Weislingen. Und doch darf ich ihm den Rang streitig machen.

     Gotz. Du wirst anmutig wohnen.

     Maria. Franken ist ein gesegnetes Land.

     Weislingen.  Und  ich  darf  wohl  sagen,  mein  Schlo?  liegt  in  der
gesegnetsten und anmutigsten Gegend.

     Gotz. Das  durft  Ihr, und ich will's behaupten. Hier flie?t  der Main,
und allmahlich  hebt der Berg an, der, mit  Ackern und Weinbergen bekleidet,
von Euerm Schlo? gekront wird,  dann biegt sich der Flu? schnell um die Ecke
hinter dem Felsen  Eures Schlosses hin. Die Fenster  des  gro?en Saals gehen
steil herab aufs Wasser, eine Aussicht viel Stunden weit.

     (Elisabeth kommt.)

     Elisabeth. Was schafft ihr?

     Gotz. Du  sollst deine  Hand  auch dazu  geben  und sagen: >Gott  segne
euch!< Sie sind ein Paar.

     Elisabeth. So geschwind!

     Gotz. Aber nicht unvermutet.

     Elisabeth. Moget Ihr Euch so  immer nach ihr sehnen als  bisher, da ihr
um  sie  warbt! Und dann! Mochtet  Ihr so glucklich sein, als Ihr  sie  lieb
behaltet!

     Weislingen. Amen! Ich begehre kein Gluck als unter diesem Titel.

     Gotz. Der Brautigam, meine liebe Frau, tut eine  kleine Reise; denn die
gro?e Veranderung zieht viel geringe nach sich. Er entfernt  sich zuerst vom
Bischoflichen  Hof, um diese Freundschaft nach und nach  erkalten zu lassen.
Dann rei?t  er seine  Guter  eigennutzigen Pachtern  aus den  Handen.  Und -
kommt, Schwester, komm, Elisabeth! Wir wollen  ihn allein lassen.  Sein Knab
hat ohne Zweifel geheime Auftrage an ihn.

     Weislingen. Nichts, als was Ihr wissen durft.

     Gotz.   Braucht's  nicht.   -  Franken  und  Schwaben!   Ihr  seid  nun
verschwisterter  als  jemals. Wie wollen wir den  Fursten den Daumen auf dem
Aug halten!

     (Die drei gehn.)

     Weislingen.  Gott im  Himmel! Konntest  du  mir Unwurdigem  solch  eine
Seligkeit bereiten? Es ist zu  viel fur mein Herz. Wie  ich von  den elenden
Menschen  abhing, die  ich  zu  beherrschen  glaubte,  von  den Blicken  des
Fursten,  von dem  ehrerbietigen  Beifall  umher! Gotz, teurer Gotz, du hast
mich  mir   selbst  wiedergegeben,   und,   Maria,   du   vollendest   meine
Sinnesanderung. Ich fuhle mich  so frei wie  in heiterer Luft. Bamberg  will
ich nicht mehr sehen, will all die schandlichen Verbindungen durchschneiden,
die mich unter mir selbst hielten. Mein  Herz erweitert sich,  hier ist kein
beschwerliches  Streben  nach  versagter  Gro?e.  So gewi?  ist  der  allein
glucklich und  gro?,  der weder zu  herrschen  noch zu gehorchen braucht, um
etwas zu sein!

     (Franz tritt auf.)

     Franz. Gott gru? Euch, gestrenger  Herr! Ich  bring Euch so viel Gru?e,
da? ich  nicht wei?, wo anzufangen.  Bamberg  und zehn  Meilen in  die Runde
entbieten Euch ein tausendfaches: Gott gru? Euch!

     Weislingen. Willkommen, Franz! Was bringst du mehr?

     Franz. Ihr steht in einem Andenken bei Hof und uberall, da? es nicht zu
sagen. ist.

     Weislingen. Das wird nicht lange dauern.

     Franz. So  lang Ihr lebt! und nach Eurem Tod  wird's heller blinken als
die messingenen Buchstaben auf einem Grabstein. Wie man sich Euern Unfall zu
Herzen nahm!

     Weislingen. Was sagte der Bischof?

     Franz.  Er  war  so  begierig  zu  wissen,  da?  er  mit   geschaftiger
Geschwindigkeit der Fragen meine Antwort verhinderte. Er wu?t es zwar schon;
denn  Farber,  der von  Haslach  entrann, brachte ihm die Botschaft. Aber er
wollte alles wissen. Er fragte  so angstlich, ob  Ihr nicht versehrt  waret?
Ich  sagte: >Er ist  ganz,  von der au?ersten Haarspitze  bis  zum Nagel des
kleinen Zehs.<

     Weislingen. Was sagte er zu den Vorschlagen?

     Franz. Er  wollte gleich alles  herausgeben,  den Knaben und  noch Geld
darauf, nur  Euch zu befreien.  Da er  aber  horte,  Ihr  solltet  ohne  das
loskommen und nur Euer  Wort das Aquivalent gegen den. Buben sein, da wollte
er  absolut den Berlichingen vertagt haben. Er  sagte mir hundert  Sachen an
Euch - ich  hab sie wieder vergessen.  Es  war eine  lange Predigt uber  die
Worte: >Ich kann Weislingen nicht entbehren.<

     Weislingen. Er wird's lernen mussen!

     Franz. Wie  meint Ihr? Er  sagte:  >Mach ihn eilen, es wartet alles auf
ihn.<

     Weislingen. Es kann warten. Ich gehe nicht nach Hof.

     Franz. Nicht nach Hof?  Herr! Wie kommt Euch das?  Wenn Ihr wu?tet, was
ich wei?. Wenn Ihr nur traumen konntet, was ich gesehen habe.

     Weislingen. Wie wird dir's?

     Franz. Nur von der blo?en  Erinnerung komm ich  au?er mir. Bamberg  ist
nicht mehr  Bamberg,  ein  Engel in Weibesgestalt macht es  zum Vorhofe  des
Himmels.

     Weislingen. Nichts weiter?

     Franz. Ich will ein Pfaff  werden,  wenn Ihr sie sehet  und nicht au?er
Euch kommt.

     Weislingen. Wer ist's denn?

     Franz. Adelheid von Walldorf.

     Weislingen. Die! Ich habe viel von ihrer Schonheit gehort.

     Franz.  Gehort? Das ist eben,  als wenn Ihr  sagtet: >Ich hab die Musik
gesehen.<  Es  ist  der  Zunge   so   wenig   moglich,   eine   Linie  ihrer
Vollkommenheiten  auszudrucken,  da  das Aug sogar  in ihrer  Gegenwart sich
nicht selbst genug ist.

     Weislingen. Du bist nicht gescheit.

     Franz.  Das kann wohl  sein. Das letztemal,  da ich sie sahe, hatte ich
nicht  mehr  Sinne als  ein Trunkener. Oder  vielmehr, kann  ich  sagen, ich
fuhlte in dem  Augenblick, wie's den Heiligen bei himmlischen  Erscheinungen
sein mag. Alle Sinne starker, hoher, vollkommener, und doch den Gebrauch von
keinem.

     Weislingen. Das ist seltsam.

     Franz. Wie  ich  von dem Bischof Abschied nahm,  sa? sie bei  ihm.  Sie
spielten Schach. Er war sehr gnadig,  reichte mir seine Hand  zu kussen, und
sagte  mir vieles, davon ich  nichts vernahm. Denn ich sah seine  Nachbarin,
sie  hatte ihr Auge aufs  Brett geheftet,  als wenn sie einem gro?en Streich
nachsanne. Ein feiner  lauernder  Zug  um  Mund  und  Wange!  Ich  hatt' der
elfenbeinerne Konig sein mogen. Adel und Freundlichkeit herrschten auf ihrer
Stirn. Und das blendende Licht des Angesichts und des Busens, wie es von den
finstern Haaren erhoben ward!

     Weislingen. Du bist druber gar zum Dichter geworden.

     Franz. So fuhl ich denn in  dem Augenblick, was den Dichter macht,  ein
volles, ganz von einer Empfindung volles Herz! Wie der  Bischof endigte  und
ich mich  neigte, sah sie  mich  an  und  sagte:  >Auch von mir  einen  Gru?
unbekannterweise! Sag ihm, er mag ja bald kommen. Es warten neue Freunde auf
ihn; er soll  sie nicht  verachten, wenn er schon an alten so reich  ist.< -
Ich wollte  was  antworten, aber  der  Pa?  vom Herzen  nach  der Zunge  war
versperrt,  ich neigte  mich. Ich hatte mein  Vermogen gegeben,  die  Spitze
ihres kleinen Fingers kussen  zu durfen! Wie ich so stund, warf der  Bischof
einen  Bauern  herunter, ich fuhr darnach und  ruhrte  im Aufheben den  Saum
ihres Kleides, das fuhr mir durch alle Glieder, und ich wei?  nicht, wie ich
zur Tur hinausgekommen bin.

     Weislingen. Ist ihr Mann bei Hofe?

     Franz. Sie ist schon vier Monat Witwe. Um sich zu zerstreuen,  halt sie
sich  in Bamberg auf. Ihr werdet  sie  sehen. Wenn sie einen ansieht, ist's,
als wenn man in der Fruhlingssonne stunde.

     Weislingen. Es wurde eine schwachere Wirkung auf mich haben.

     Franz. Ich hore, Ihr seid so gut als verheiratet.

     Weislingen. Wollte, ich war's. Meine sanfte Marie wird das Gluck meines
Lebens machen. Ihre su?e Seele bildet  sich in ihren blauen  Augen. Und wei?
wie ein Engel des Himmels, gebildet aus Unschuld und Liebe, leitet sie  mein
Herz  zur Ruhe und Gluckseligkeit.  Pack zusammen! und dann auf mein Schlo?!
Ich will Bamberg nicht sehen, und wenn Sankt Veit in Person meiner begehrte.
(Geht ab.)

     Franz. Da sei Gott  vor! Wollen das  Beste  hoffen! Maria ist liebreich
und schon, und einem Gefangenen und Kranken kann ich's nicht ubelnehmen, der
sich  in  sie   verliebt.  In  ihren  Augen   ist  Trost,  gesellschaftliche
Melancholie. - Aber um dich, Adelheid,  ist Leben, Feuer, Mut - Ich wurde! -
Ich bin  ein Narr - dazu machte mich ein  Blick von  ihr. Mein Herr mu? hin!
Ich mu? hin! Und da will ich mich wieder gescheit oder vollig rasend gaffen.

     Zweiter Akt
     Bamberg. Ein Saal
     Bischof, Adelheid spielen  Schach. Liebetraut mit einer Zither. Frauen,
Hofleute um ihn herum am Kamin.

     Liebetraut (spielt und singt).
     Mit Pfeilen und Bogen
     Cupido geflogen,
     Die Fackel in Brand,
     Wollt mutilich kriegen
     Und mannilich siegen
     Mit sturmender Hand.
     Auf! Auf!
     An! An!
     Die Waffen erklirrten,
     Die Flugelein schwirrten,
     Die Augen entbrannt.
     Da fand er die Busen
     Ach leider so blo?,
     Sie nahmen so willig
     Ihn all auf den Scho?.
     Er schuttet' die Pfeile
     Zum Feuer hinein,
     Sie herzten und druckten
     Und wiegten ihn ein.
     Hei ei o! Popeio!



     Adelheid. Ihr seid nicht bei Eurem Spiele. Schach dem Konig!

     Bischof. Es ist noch Auskunft.

     Adelheid. Lange werdet Ihr's nicht mehr treiben. Schach dem Konig!

     Liebetraut. Dies Spiel spielt ich nicht, wenn ich ein gro?er  Herr war,
und verbot's am Hofe und im ganzen Land.

     Adelheid. Es ist wahr, dies Spiel ist ein Probierstein des Gehirns.

     Liebetraut.  Nicht darum! Ich  wollte lieber das Geheul der Totenglocke
und  ominoser Vogel, lieber  das  Gebell des knurrischen Hofhunds  Gewissen,
lieber  wollt  ich  sie durch den  tiefsten Schlaf  horen, als von  Laufern,
Springern und andern Bestien das ewige: >Schach dem Konig!<

     Bischof. Wem wird auch das einfallen!

     Liebetraut.  Einem zum Exempel, der schwach ware und ein stark Gewissen
hatte, wie denn das meistenteils beisammen ist. Sie  nennen's  ein koniglich
Spiel und sagen, es  sei fur einen  Konig erfunden worden,  der den Erfinder
mit  einem Meer von Uberflu? belohnt habe.  Wenn das wahr ist, so ist mir's,
als wenn ich ihn sahe. Er war minorenn an Verstand oder an Jahren, unter der
Vormundschaft  seiner  Mutter oder seiner Frau, hatte Milchhaare im Bart und
Flachshaare um die  Schlafe, er war so gefallig wie ein  Weidenscho?ling und
spielte gern Dame und mit  den Damen, nicht  aus  Leidenschaft, behute Gott!
nur  zum  Zeitvertreib.  Sein Hofmeister,  zu  tatig,  um ein  Gelehrter, zu
unlenksam, ein Weltmann zu sein, erfand  das Spiel in usum  Delphini, das so
homogen mit Seiner Majestat war - und so ferner.

     Adelheid.   Matt!  Ihr  solltet   die  Lucken  unsrer  Geschichtsbucher
ausfullen, Liebetraut.

     (Sie stehen auf.)

     Liebetraut.   Die   Lucken   unsrer   Geschlechtsregister,   das   ware
profitabler.  Seitdem die Verdienste unserer Vorfahren mit ihren Portrats zu
einerlei Gebrauch dienen, die leeren Seiten namlich unsrer Zimmer und unsers
Charakters zu tapezieren; da ware was zu verdienen.

     Bischof. Er will nicht kommen, sagtet Ihr!

     Adelheid. Ich bitt Euch, schlagt's Euch aus dem Sinn.

     Bischof. Was das sein mag?

     Liebetraut.  Was?  Die  Ursachen  lassen  sich  herunterbeten  wie  ein
Rosenkranz. Er ist in eine Art von Zerknirschung gefallen,  von der ich  ihn
leicht kurieren wollt.

     Bischof. Tut das, reitet zu ihm.

     Liebetraut. Meinen Auftrag!

     Bischof.  Er  soll  unumschrankt  sein.  Spare   nichts,  wenn  du  ihn
zuruckbringst.

     Liebetraut. Darf ich Euch auch hineinmischen, gnadige Frau?

     Adelheid. Mit Bescheidenheit.

     Liebetraut. Das ist eine weitlaufige Kommission.

     Adelheid. Kennt Ihr  mich so wenig, oder seid Ihr  so jung, um nicht zu
wissen, in welchem Ton Ihr mit Weislingen von mir zu reden habt?

     Liebetraut. Im Ton einer Wachtelpfeife, denk ich.

     Adelheid. Ihr werdet nie gescheit werden!

     Liebetraut. Wird man das, gnadige Frau?

     Bischof. Geht, geht. Nehmt das beste Pferd aus meinem Stall, wahlt Euch
Knechte, und schafft mir ihn her!

     Liebetraut. Wenn ich ihn nicht herbanne, so sagt: ein altes  Weib,  das
Warzen und Sommerflecken vertreibt, verstehe mehr von der Sympathie als ich.

     Bischof. Was wird das helfen!  Berlichingen hat  ihn ganz  eingenommen.
Wenn er herkommt, wird er wieder fort wollen.

     Liebetraut.  Wollen,  das  ist  keine  Frage,  aber  ob  er  kann.  Der
Handedruck eines Fursten, und das Lacheln einer schonen Frau! Da rei?t  sich
kein Weisling los. Ich eile und empfehle mich zu Gnaden.

     Bischof. Reist wohl.

     Adelheid. Adieu.

     (Er geht.)

     Bischof. Wenn er einmal hier ist, verla? ich mich auf Euch.

     Adelheid. Wollt Ihr mich zur Leimstange brauchen?

     Bischof. Nicht doch.

     Adelheid. Zum Lockvogel denn?

     Bischof. Nein, den spielt Liebetraut. Ich bitt Euch, versagt mir nicht,
was mir sonst niemand gewahren kann.

     Adelheid. Wollen sehn.


     Jagsthausen
     Hans von Selbitz. Gotz.

     Selbitz. Jedermann  wird  Euch  loben, da? Ihr denen von Nurnberg  Fehd
angekundigt habt.

     Gotz. Es hatte  mir das Herz abgefressen, wenn ich's  ihnen  hatte lang
schuldig bleiben  sollen.  Es ist am Tag, sie  haben  den  Bambergern meinen
Buben verraten. Sie sollen an mich denken!

     Selbitz. Sie haben einen alten Groll gegen Euch.

     Gotz. Und ich wider sie; mir ist gar recht, da? sie angefangen haben.

     Selbitz. Die Reichsstadte und Pfaffen halten doch von jeher zusammen.

     Gotz. Sie haben's Ursach.

     Selbitz. Wir wollen ihnen die Holle hei? machen.

     Gotz. Ich zahlte  auf Euch. Wollte Gott, der Burgemeister von Nurnberg,
mit der guldenen Kett um  den Hals, kam  uns in Wurf,  er sollt sich mit all
seinem Witz verwundern.

     Selbitz.  Ich hore, Weislingen ist wieder auf Eurer  Seite. Tritt er zu
uns?

     Gotz. Noch  nicht; es  hat seine  Ursachen,  warum  er  uns  noch nicht
offentlich Vorschub tun darf; doch ist's  eine  Weile  genug,  da?  er nicht
wider uns ist. Der Pfaff ist ohne ihn, was das Me?gewand ohne den Pfaffen.

     Selbitz. Wann ziehen wir aus?

     Gotz.  Morgen oder ubermorgen. Es kommen nun bald Kaufleute von Bamberg
und Nurnberg aus der Frankfurter Messe. Wir werden einen guten Fang tun.

     Selbitz. Will's Gott. (Ab.)


     Bamberg. Zimmer der Adelheid
     Adelheid. Kammerfraulein.

     Adelheid. Er ist da! sagst du. Ich glaub es kaum.

     Fraulein. Wenn ich ihn  nicht selbst gesehn hatte, wurd ich  sagen, ich
zweifle.

     Adelheid. Den Liebetraut mag der Bischof in Gold einfassen:  er hat ein
Meisterstuck gemacht.

     Fraulein. Ich sah ihn,  wie er zum  Schlo?  hereinreiten wollte, er sa?
auf einem Schimmel. Das Pferd  scheute,  wie's an die Brucke kam, und wollte
nicht von der Stelle. Das Volk war aus allen  Stra?en gelaufen, ihn zu sehn.
Sie  freuten  sich uber des Pferds Unart. Von allen  Seiten ward er gegru?t,
und  er  dankte  allen. Mit einer angenehmen Gleichgultigkeit sa? er droben,
und mit Schmeicheln und  Drohen bracht er  es  endlich zum  Tor  herein, der
Liebetraut mit, und wenig Knechte.

     Adelheid. Wie gefallt er dir?

     Fraulein.  Wie mir  nicht leicht ein Mann gefallen  hat.  Er  glich dem
Kaiser hier  (deutet auf Maximilians Portrat), als wenn er  sein Sohn  ware.
Die Nase nur etwas kleiner, ebenso freundliche lichtbraune Augen, ebenso ein
blondes  schones Haar, und gewachsen wie eine Puppe. Ein halb trauriger  Zug
auf seinem Gesicht - ich wei? nicht - gefiel mir so wohl!

     Adelheid. Ich bin neugierig, ihn zu sehen.

     Fraulein. Das war ein Herr fur Euch.

     Adelheid. Narrin!

     Fraulein. Kinder und Narren -

     (Liebetraut kommt.)

     Liebetraut. Nun, gnadige Frau, was verdien ich?

     Adelheid. Horner von deinem  Weibe. Denn nach  dem zu rechnen, habt Ihr
schon   manches   Nachbars    ehrliches   Hausweib    aus    ihrer   Pflicht
hinausgeschwatzt.

     Liebetraut.  Nicht  doch,  gnadige  Frau! Auf ihre  Pflicht,  wollt Ihr
sagen; denn wenn's ja geschah, schwatzt ich sie auf ihres Mannes Bette.

     Adelheid. Wie habt Ihr's gemacht, ihn herzubringen?

     Liebetraut. Ihr wi?t zu gut, wie  man  Schnepfen  fangt;  soll ich Euch
meine Kunststuckchen noch dazu  lehren? - Erst tat ich, als wu?t ich nichts,
verstund  nichts  von  seiner  Auffuhrung, und  setzt  ihn  dadurch  in  den
Nachteil, die ganze Historie zu erzahlen. Die sah  ich nun gleich  von einer
ganz andern Seite an als er, konnte nicht finden - nicht einsehen  -  und so
weiter. Dann  redete  ich  von  Bamberg  allerlei  durcheinander, Gro?es und
Kleines,  erweckte   gewisse  alte   Erinnerungen,   und   wie   ich   seine
Einbildungskraft beschaftigt hatte, knupfte ich wirklich  eine Menge Fadchen
wieder an, die ich  zerrissen fand. Er wu?te nicht, wie ihm  geschah, fuhlte
einen neuen Zug nach Bamberg, er wollte - ohne zu wollen. Wie er nun in sein
Herz  ging  und  das  zu  entwickeln  suchte, und  viel  zu  sehr  mit  sich
beschaftigt war, um auf sich achtzugeben, warf ich ihm ein Seil um den Hals,
aus  drei  machtigen  Stricken,  Weiber-,   Furstengunst  und  Schmeichelei,
gedreht, und so hab ich ihn hergeschleppt.

     Adelheid. Was sagtet Ihr von mir?

     Liebetraut.  Die  lautre  Wahrheit.   Ihr  hattet  wegen  Eurer   Guter
Verdrie?lichkeiten - hattet gehofft, da er  beim Kaiser so viel gelte, werde
er das leicht enden konnen.

     Adelheid. Wohl.

     Liebetraut. Der Bischof wird ihn Euch bringen.

     Adelheid. Ich erwarte sie. (Liebetraut  ab.)  Mit einem Herzen, wie ich
selten Besuch erwarte.


     Im Spessart
     Berlichingen. Selbitz. Georg als Reitersknecht.

     Gotz. Du hast ihn nicht angetroffen, Georg!

     Georg. Er war tags vorher mit Liebetraut nach Bamberg geritten und zwei
Knechte mit.

     Gotz. Ich seh nicht ein, was das geben soll.

     Selbitz.  Ich wohl. Eure Versohnung war  ein wenig zu schnell, als  da?
sie  dauerhaft hatte sein sollen. Der Liebetraut ist ein pfiffiger Kerl; von
dem hat er sich beschwatzen lassen.

     Gotz. Glaubst du, da? er bundbruchig werden wird?

     Selbitz. Der erste Schritt ist getan.

     Gotz. Ich glaub's  nicht. Wer wei?, wie notig es war,  an Hof zu gehen;
man ist ihm noch schuldig; wir wollen das Beste hoffen.

     Selbitz. Wollte Gott, er verdient' es und tate das Beste!

     Gotz. Mir fallt eine List ein. Wir wollen Georgen des Bamberger Reiters
erbeuteten  Kittel  anziehen  und ihm das Geleitzeichen  geben;  er mag nach
Bamberg reiten und sehen, wie's steht.

     Georg. Da hab ich lange drauf gehofft.

     Gotz. Es  ist dein erster Ritt. Sei vorsichtig, Knabe! Mir  ware  leid,
wenn dir ein Unfall begegnen sollt.

     Georg.  La?t  nur,  mich irrt's  nicht,  wenn  noch  so  viel  um  mich
herumkrabbeln, mir ist's, als wenn's Ratten und Mause waren. (Ab.)


     Bamberg
     Bischof. Du willst dich nicht langer halten lassen!

     Weislingen.  Ihr  werdet  nicht  verlangen,  da? ich meinen Eid brechen
soll.

     Bischof. Ich  hatte verlangen  konnen, du solltest ihn  nicht schworen.
Was fur ein Geist  regierte dich? Konnt  ich  dich ohne das  nicht befreien?
Gelt ich so wenig am Kaiserlichen Hofe?

     Weislingen. Es ist geschehen; verzeiht mir, wenn Ihr konnt.

     Bischof. Ich  begreif  nicht, was nur im geringsten  dich notigte,  den
Schritt   zu  tun!  Mir  zu  entsagen?  Waren  denn  nicht   hundert  andere
Bedingungen, loszukommen? Haben wir nicht seinen Buben? Hatt ich nicht Gelds
genug gegeben und ihn wieder  beruhigt?  Unsere  Anschlage auf ihn und seine
Gesellen waren  fortgegangen  -  Ach ich  denke  nicht,  da?  ich mit seinem
Freunde rede,  der nun wider  mich arbeitet und  die Minen leicht entkraften
kann, die er selbst gegraben hat.

     Weislingen. Gnadiger Herr!

     Bischof. Und  doch -  wenn ich wieder dein Angesicht sehe, deine Stimme
hore. Es ist nicht moglich, nicht moglich.

     Weislingen. Lebt wohl, gnadiger Herr.

     Bischof. Ich gebe dir meinen  Segen.  Sonst, wenn du  gingst, sagt ich:
>Auf Wiedersehn!< Jetzt - Wollte Gott, wir sahen einander nie wieder!

     Weislingen. Es kann sich vieles andern.

     Bischof.  Vielleicht  seh ich  dich noch einmal, als Feind  vor  meinen
Mauern, die Felder verheeren, die ihren bluhenden Zustand dir jetzo danken.

     Weislingen. Nein, gnadiger Herr.

     Bischof. Du  kannst  nicht  nein sagen.  Die  weltlichen Stande,  meine
Nachbarn, haben alle  einen  Zahn  auf  mich. Solang ich dich hatte  - Geht,
Weislingen! Ich habe Euch nichts mehr  zu  sagen.  Ihr  habt vieles zunichte
gemacht. Geht!

     Weislingen. Und ich wei? nicht, was ich sagen soll.

     (Bischof ab. - Franz tritt auf.)

     Franz.  Adelheid erwartet Euch.  Sie  ist nicht wohl. Und doch will sie
Euch ohne Abschied nicht lassen.

     Weislingen. Komm.

     Franz. Gehn wir denn gewi??

     Weislingen. Noch diesen Abend. -

     Franz. Mir ist, als wenn ich aus der Welt sollte.

     Weislingen. Mir auch, und noch darzu, als wu?t ich nicht wohin.

     Adelheidens Zimmer
     Adelheid. Fraulein.

     Fraulein. Ihr seht bla?, gnadige Frau.

     Adelheid. - Ich lieb ihn nicht,  und wollte doch, da? er bliebe. Siehst
du,  ich  konnte mit  ihm leben,  ob  ich ihn gleich nicht  zum Manne  haben
mochte.

     Fraulein. Glaubt Ihr, er geht?

     Adelheid. Er ist zum Bischof, um Lebewohl zu sagen.

     Fraulein. Er hat darnach noch einen schweren Stand.

     Adelheid. Wie meinst du?

     Fraulein. Was fragt Ihr, gnadige Frau? Ihr habt sein Herz geangelt, und
wenn er sich losrei?en will, verblutet er.

     (Adelheid. Weislingen.)

     Weislingen. Ihr seid nicht wohl, gnadige Frau?

     Adelheid. Das kann Euch einerlei sein. Ihr verla?t uns, verla?t uns auf
immer. Was fragt Ihr, ob wir leben oder sterben.

     Weislingen. Ihr verkennt mich.

     Adelheid. Ich nehme Euch, wie Ihr Euch gebt.

     Weislingen. Das Ansehn trugt.

     Adelheid. So seid Ihr ein Chamaleon?

     Weislingen. Wenn Ihr mein Herz sehen konntet!

     Adelheid. Schone Sachen wurden mir vor die Augen kommen.

     Weislingen. Gewi?! Ihr wurdet Euer Bild drin finden.

     Adelheid.  In  irgendeinem  Winkel  bei  den  Portraten  ausgestorbener
Familien.  Ich  bitt Euch,  Weislingen, bedenkt,  Ihr redet mit mir. Falsche
Worte  gelten  zum  hochsten,  wenn  sie  Masken  unserer  Taten  sind.  Ein
Vermummter, der kenntlich ist, spielt eine armselige Rolle. Ihr leugnet Eure
Handlungen nicht und redet das Gegenteil; was soll man von Euch halten?

     Weislingen. Was Ihr wollt. Ich bin so geplagt mit dem, was ich bin, da?
mir wenig bang ist, fur was man mich nehmen mag.

     Adelheid. Ihr kommt, um Abschied zu nehmen.

     Weislingen. Erlaubt  mir, Eure Hand zu kussen, und ich will sagen. Lebt
wohl. Ihr erinnert mich! Ich  bedachte nicht - Ich bin beschwerlich, gnadige
Frau.

     Adelheid.  Ihr legt's falsch aus: ich wollte Euch forthelfen;  denn Ihr
wollt fort.

     Weislingen.  O sagt: ich mu?.  Zoge mich nicht  die Ritterpflicht,  der
heilige Handschlag -

     Adelheid.  Geht!  Geht! Erzahlt das Madchen, die den >Theuerdank< lesen
und sich so einen Mann wunschen. Ritterpflicht! Kinderspiel!

     Weislingen. Ihr denkt nicht so.

     Adelheid. Bei meinem Eid, Ihr verstellt Euch! Was habt Ihr versprochen?
Und wem?  Einem  Mann, der seine  Pflicht  gegen den Kaiser  und  das  Reich
verkennt,  in  eben dem  Augenblick  Pflicht  zu leisten,  da  er durch Eure
Gefangennehmung  in  die Strafe der Acht verfallt. Pflicht  zu  leisten! die
nicht gultiger  sein  kann als ungerechter gezwungener Eid.  Entbinden nicht
unsere  Gesetze  von  solchen Schwuren?  Macht  das Kindern  weis,  die  den
Rubezahl glauben. Es stecken andere Sachen dahinter. Ein Feind des Reichs zu
werden, ein  Feind der  burgerlichen  Ruh und Gluckseligkeit! Ein Feind  des
Kaisers! Geselle eines Raubers! du, Weislingen, mit deiner sanften Seele!

     Weislingen. Wenn Ihr ihn kenntet -

     Adelheid. Ich wollt ihm Gerechtigkeit  widerfahren  lassen. Er hat eine
hohe unbandige  Seele. Eben darum wehe  dir,  Weislingen! Geh und  bilde dir
ein,  Geselle von  ihm  zu  sein.  Geh! und  la?  dich beherrschen.  Du bist
freundlich, gefallig -

     Weislingen. Er ist's auch.

     Adelheid. Aber  du bist  nachgebend  und er  nicht! Unversehens wird er
dich wegrei?en, du  wirst  ein Sklave eines Edelmanns werden, da du Herr von
Fursten   sein   konntest.  -  Doch  es  ist  Unbarmherzigkeit,  dir  deinen
zukunftigen Stand zu verleiden.

     Weislingen. Hattest du gefuhlt, wie liebreich er mir begegnete.

     Adelheid. Liebreich! Das rechnest du ihm an? Es war seine Schuldigkeit;
und was hattest du verloren, wenn er widerwartig gewesen ware? Mir hatte das
willkommner sein sollen. Ein ubermutiger Mensch wie der -

     Weislingen. Ihr redet von Euerm Feind.

     Adelheid. Ich redete fur Eure  Freiheit - Und wei? uberhaupt nicht, was
ich vor einen Anteil dran nehme. Lebt wohl.

     Weislingen. Erlaubt noch einen  Augenblick.  (Er  nimmt  ihre Hand  und
schweigt.)

     Adelheid. Habt Ihr mir noch was zu sagen?

     Weislingen. - - Ich mu? fort.

     Adelheid. So geht.

     Weislingen. Gnadige Frau! - Ich kann nicht.

     Adelheid. Ihr mu?t.

     Weislingen. Soll das Euer letzter Blick sein?

     Adelheid. Geht, ich bin krank, sehr zur ungelegnen Zeit.

     Weislingen. Seht mich nicht so an.

     Adelheid. Willst du unser Feind sein, und wir sollen dir lacheln? Geh!

     Weislingen. Adelheid!

     Adelheid. Ich hasse Euch!

     (Franz kommt.)

     Franz. Gnadiger Herr! Der Bischof la?t Euch rufen.

     Adelheid. Geht! Geht!

     Franz. Er bittet Euch, eilend zu kommen.

     Adelheid. Geht! Geht!

     Weislingen. Ich nehme nicht Abschied, ich sehe Euch wieder! (Ab.)

     Adelheid. Mich wieder? Wir wollen dafur sein. Margarete, wenn er kommt,
weis ihn ab. Ich bin krank, habe Kopfweh, ich schlafe - Weis ihn ab. Wenn er
noch zu gewinnen ist, so ist's auf diesem Wege. (Ab.)


     Vorzimmer
     Weislingen. Franz.

     Weislingen. Sie will mich nicht sehn?

     Franz. Es wird Nacht, soll ich die Pferde satteln?

     Weislingen. Sie will mich nicht sehn?

     Franz. Wann befehlen Ihro Gnaden die Pferde?

     Weislingen. Es ist zu spat! Wir bleiben hier.

     Franz. Gott sei Dank! (Ab.)

     Weislingen. Du bleibst! Sei auf,  deiner Hut, die Versuchung ist  gro?.
Mein Pferd scheute, wie ich zum  Schlo?tor  herein wollte,  mein guter Geist
stellte sich ihm entgegen, er kannte die Gefahren, die mein hier warteten. -
Doch  ist's  nicht   recht,  die  vielen  Geschafte,  die  ich  dem  Bischof
unvollendet liegen  lie?, nicht wenigstens  so zu ordnen, da? ein Nachfolger
da  anfangen kann, wo ich's  gelassen  habe.  Das kann ich  doch alles  tun,
unbeschadet Berlichingen und unserer Verbindung. Denn halten sollen sie mich
hier nicht. - Ware doch besser  gewesen,  wenn ich nicht gekommen ware. Aber
ich will fort - morgen oder ubermorgen. (Geht ab.)


     Im Spessart
     Gotz. Selbitz. Georg.

     Selbitz. Ihr seht, es ist gegangen, wie ich gesagt habe.

     Gotz. Nein! Nein! Nein!

     Georg. Glaubt,  ich  berichte Euch mit  der Wahrheit. Ich tat, wie  Ihr
befahlt, nahm den Kittel des Bambergischen  und sein Zeichen, und  damit ich
doch mein  Essen und Trinken  verdiente,  geleitete  ich Reineckische Bauern
hinauf nach Bamberg.

     Selbitz. In der Verkappung? Das hatte dir ubel geraten konnen.

     Georg.  So denk ich  auch hintendrein. Ein Reitersmann,  der das voraus
denkt, wird keine weiten Sprunge machen. Ich kam nach Bamberg, und gleich im
Wirtshaus horte  ich erzahlen:  Weislingen und der Bischof seien ausgesohnt,
und man redte viel von einer Heirat mit der Witwe des von Walldorf.

     Gotz. Gesprache.

     Georg. Ich  sah ihn, wie  er  sie zur  Tafel fuhrte. Sie ist schon, bei
meinem  Eid, sie ist  schon. Wir  buckten uns alle, sie dankte uns allen, er
nickte  mit dem  Kopf, sah  sehr  vergnugt, sie gingen vorbei, und das  Volk
murmelte: >Ein schones Paar!<

     Gotz. Das kann sein.

     Georg. Hort weiter. Da er des andern Tags  in die  Messe ging, pa?t ich
meine Zeit ab. Er war allein mit einem Knaben. Ich stund unten an der Treppe
und sagte leise zu ihm:  >Ein paar Worte von Euerm  Berlichingen.<  Er  ward
besturzt; ich sahe das Gestandnis seines Lasters in seinem Gesicht, er hatte
kaum das Herz, mich anzusehen, mich, einen schlechten Reitersjungen.

     Selbitz. Das macht, sein Gewissen war schlechter als dein Stand.

     Georg. >Du  bist  Bambergisch?< sagt' er. - >Ich  bring einen  Gru? vom
Ritter Berlichingen<,  sagt ich, >und soll fragen  -< -  >Komm morgen fruh<,
sagt' er, >an mein Zimmer, wir wollen weiterreden.<

     Gotz. Kamst du?

     Georg.  Wohl kam ich, und mu?t  im Vorsaal stehn, lang,  lang. Und  die
seidnen Buben  beguckten mich  von vorn und hinten. Ich dachte, guckt ihr  -
Endlich fuhrte man mich hinein, er schien bose, mir war's einerlei. Ich trat
zu ihm und legte meine  Kommission ab. Er tat feindlich bose, wie einer, der
kein  Herz hat und 's nit will merken  lassen.  Er verwunderte sich, da? Ihr
ihn durch einen Reitersjungen zur Rede setzen lie?t. Das  verdro?  mich. Ich
sagte, es gabe nur zweierlei Leut, brave und Schurken, und ich diente Gotzen
von Berlichingen. Nun  fing er an,  schwatzte allerlei verkehrtes Zeug,  das
darauf hinausging:  Ihr hattet  ihn  ubereilt,  er sei  Euch  keine  Pflicht
schuldig und wolle nichts mit Euch zu tun haben.

     Gotz. Hast du das aus seinem Munde?

     Georg. Das und noch mehr - Er drohte mir -

     Gotz.  Es  ist genug!  Der ware  nun auch verloren! Treu und Glaube, du
hast mich wieder betrogen. Arme Marie! Wie werd ich dir's beibringen!

     Selbitz. Ich  wollte lieber  mein ander Bein dazu verlieren, als so ein
Hundsfott sein. (Ab.)


     Bamberg
     Adelheid. Weislingen.

     Adelheid. Die Zeit  fangt mir an unertraglich lang zu werden; reden mag
ich nicht,  und ich  schame mich,  mit Euch zu  spielen. Langeweile, du bist
arger als ein kaltes Fieber.

     Weislingen. Seid Ihr mich schon mude?

     Adelheid. Euch nicht sowohl als Euern  Umgang. Ich wollte, Ihr wart, wo
Ihr hinwolltet, und wir hatten Euch nicht gehalten.

     Weislingen.  Das ist  Weibergunst! Erst  brutet  sie, mit  Mutterwarme,
unsere  liebsten  Hoffnungen  an; dann,  gleich  einer unbestandigen  Henne,
verla?t sie das Nest und ubergibt ihre schon  keimende Nachkommenschaft  dem
Tode und der Verwesung.

     Adelheid.  Scheltet  die  Weiber! Der unbesonnene  Spieler zerbei?t und
zerstampft  die Karten,  die ihn  unschuldigerweise verlieren machten.  Aber
la?t  mich  Euch was  von Mannsleuten erzahlen.  Was  seid denn ihr,  um von
Wankelmut  zu  sprechen?  Ihr, die  ihr  selten  seid,  was ihr sein  wollt,
niemals, was  ihr sein solltet. Konige im Festtagsornat, vom Pobel beneidet.
Was gab eine Schneidersfrau drum, eine Schnur Perlen um ihren Hals zu haben,
von dem Saum eures Kleids, den eure Absatze verachtlich zurucksto?en!

     Weislingen. Ihr seid bitter.

     Adelheid. Es ist die  Antistrophe von Eurem Gesang. Eh ich Euch kannte,
Weislingen, ging mir's wie  der Schneidersfrau. Der Ruf, hundertzungig, ohne
Metapher gesprochen, hatte  Euch so zahnarztma?ig herausgestrichen,  da? ich
mich uberreden lie? zu  wunschen:  mochtest  du doch  diese Quintessenz  des
mannlichen Geschlechts,  den Phonix Weislingen zu Gesicht kriegen!  Ich ward
meines Wunsches gewahrt.

     Weislingen.  Und  der  Phonix  prasentierte  sich   als  ein  ordinarer
Haushahn.

     Adelheid. Nein, Weislingen, ich nahm Anteil an Euch.

     Weislingen. Es schien so -

     Adelheid. Und  war.  Denn wirklich, ihr  ubertraft Euern Ruf. Die Menge
schatzt  nur  den Widerschein des Verdienstes. Wie  mir's denn nun geht, da?
ich uber die Leute nicht denken mag, denen  ich wohlwill; so lebten wir eine
Zeitlang nebeneinander, es fehlte mir  was,  und ich wu?te nicht, was ich an
Euch vermi?te. Endlich gingen  mir die Augen auf. Ich sah statt des  aktiven
Mannes,  der die  Geschafte eines Furstentums  belebte, der sich  und seinen
Ruhm  dabei nicht  verga?,  der auf  hundert gro?en  Unternehmungen, wie auf
ubereinander gewalzten  Bergen, zu  den Wolken hinaufgestiegen  war: den sah
ich auf  einmal, jammernd wie einen  kranken  Poeten, melancholisch  wie ein
gesundes Madchen und mu?iger als  einen  alten Junggesellen. Anfangs schrieb
ich's  Euerm  Unfall  zu,  der  Euch  noch  neu  auf  dem  Herzen  lag,  und
entschuldigte Euch, so  gut  ich konnte.  Jetzt,  da  es  von  Tag  zu  Tage
schlimmer mit Euch zu werden scheint, mu?t Ihr mir verzeihen, wenn ich  Euch
meine Gunst entrei?e. Ihr besitzt sie ohne Recht,  ich  schenkte  sie  einem
andern auf Lebenslang, der sie Euch nicht ubertragen konnte.

     Weislingen. So la?t mich los.

     Adelheid. Nicht,  bis alle Hoffnung verloren ist. Die Einsamkeit ist in
diesen  Umstanden gefahrlich. - Armer  Mensch!  Ihr  seid  so mi?mutig,  wie
einer,  dem  sein erstes Madchen  untreu wird, und  eben  darum geb ich Euch
nicht auf. Gebt mir die Hand, verzeiht mir, was ich aus Liebe gesagt habe.

     Weislingen.  Konntest  du  mich  lieben,  konntest  du   meiner  hei?en
Leidenschaft einen Tropfen Linderung gewahren! Adelheid! deine Vorwurfe sind
hochst ungerecht. Konntest du  den  hundertsten Teil ahnen von dem, was  die
Zeit  her   in  mir  arbeitet,  du  wurdest  mich  nicht  mit  Gefalligkeit,
Gleichgultigkeit und Verachtung so unbarmherzig hin und  her zerrissen haben
- Du lachelst! - Nach dem ubereilten Schritt  wieder mit mir selbst einig zu
werden, kostete mehr  als einen Tag. Wider den Menschen zu  arbeiten, dessen
Andenken so lebhaft neu in Liebe bei mir ist.

     Adelheid.  Wunderlicher  Mann,  der  du  den  lieben   kannst,  den  du
beneidest! Das ist, als wenn ich meinem Feinde Proviant zufuhrte.

     Weislingen.  Ich  fuhl's  wohl,  es gilt  hier,  kein  Saumen.  Er  ist
berichtet, da? ich wieder  Weislingen bin, und  er wird sich seines Vorteils
uber uns ersehen. Auch, Adelheid,  sind wir  nicht  so trag, als  du meinst.
Unsere Reiter sind verstarkt und wachsam, unsere Unterhandlungen gehen fort,
und  der Reichstag zu Augsburg soll  hoffentlich  unsere Projekte  zur Reife
bringen.

     Adelheid. Ihr geht hin?

     Weislingen. Wenn ich eine Hoffnung mitnehmen konnte! (Ku?t ihre Hand.)

     Adelheid. O ihr Unglaubigen! Immer Zeichen und Wunder! Geh, Weislingen,
und  vollende das Werk. Der Vorteil des Bischofs,  der deinige, der meinige,
sie sind so verwebt, da?, ware es auch nur der Politik wegen -

     Weislingen. Du kannst scherzen.

     Adelheid. Ich scherze nicht. Meine Guter hat  der stolze  Herzog  inne,
die  deinigen wird Gotz nicht  lange  ungeneckt lassen; und  wenn wir  nicht
zusammenhalten wie unsere  Feinde  und den Kaiser auf  unsere  Seite lenken,
sind wir verloren.

     Weislingen.  Mir ist's  nicht  bange.  Der  gro?te Teil der Fursten ist
unserer Gesinnung.  Der Kaiser  verlangt Hulfe gegen die Turken,  und  dafur
ist's  billig, da? er  uns wieder beisteht. Welche  Wollust wird mir's sein,
deine  Guter  von ubermutigen  Feinden  zu befreien, die unruhigen  Kopfe in
Schwaben  aufs  Kissen  zu  bringen,  die  Ruhe  des  Bistums,  unser  aller
herzustellen. Und dann -?

     Adelheid. Ein  Tag  bringt  den andern,  und  beim Schicksal steht  das
Zukunftige.

     Weislingen. Aber wir mussen wollen.

     Adelheid. Wir wollen ja.

     Weislingen. Gewi??

     Adelheid. Nun ja. Geht.

     Weislingen. Zauberin!


     Herberge
     Bauernhochzeit. Musik und Tanz drau?en
     Der Brautvater, Gotz, Selbitz am Tische. Brautigam tritt zu ihnen.

     Gotz.  Das  Gescheitste  war,  da? ihr  euern Zwist  so  glucklich  und
frohlich durch eine Heirat endigt.

     Brautvater. Besser,  als  ich mir's hatte traumen  lassen.  In Ruh  und
Fried mit meinem Nachbar, und eine Tochter wohl versorgt dazu!

     Brautigam.  Und ich  im  Besitz des  strittigen Stucks, und  druber den
hubschten Backfisch im ganzen Dorf. Wollte Gott, Ihr hattet Euch eher  drein
geben.

     Selbitz. Wie lange habt ihr prozessiert?

     Brautvater. An die acht Jahre. Ich  wollte  lieber noch einmal  so lang
das Frieren haben, als von vorn anfangen. Das ist ein  Gezerre, Ihr glaubt's
nicht, bis man den Perucken ein Urteil  vom  Herzen  rei?t;  und was hat man
darnach? Der Teufel hol den Assessor Sapupi! 's is ein verfluchter schwarzer
Italiener.

     Brautigam. Ja, das ist ein toller Kerl. Zweimal war ich dort.

     Brautvater.  Und ich  dreimal. Und  seht,  ihr Herrn: kriegen  wir  ein
Urteil endlich, wo ich so viel Recht hab als er, und er so viel als ich, und
wir eben stunden wie die Maulaffen, bis mir unser Herrgott eingab, ihm meine
Tochter zu geben und das Zeug dazu.

     Gotz (trinkt). Gut Vernehmen kunftig.

     Brautvater. Geb's Gott!  Geh aber, wie's will, prozessieren tu ich mein
Tag nit mehr. Was  das  ein  Geldspiel kost!  Jeden  Reverenz, den  euch ein
Prokurator macht, mu?t ihr bezahlen.

     Selbitz. Sind ja jahrlich Kaiserliche Visitationen da.

     Brautvater.  Hab  nichts  davon gehort. Ist  mir mancher  schone  Taler
nebenaus gangen. Das unerhorte Blechen!

     Gotz. Wie meint Ihr?

     Brautvater.  Ach, da macht  alles  hohle Pfotchen. Der Assessor allein,
Gott verzeih's ihm, hat mir achtzehn Goldgulden abgenommen.

     Brautigam. Wer?

     Brautvater. Wer anders als der Sapupi?

     Gotz. Das ist schandlich.

     Brautvater. Wohl, ich mu?t  ihm  zwanzig  erlegen. Und da ich  sie  ihm
hingezahlt  hatte, in  seinem Gartenhaus, das  prachtig ist, im gro?en Saal,
wollt mir vor Wehmut fast  das Herz brechen.  Denn seht, eines Haus und  Hof
steht gut,  aber  wo  soll bar Geld herkommen?  Ich stund da, Gott wei?, wie
mir's war. Ich hatte keinen roten Heller Reisegeld im Sack. Endlich nahm ich
mir 's Herz und stellt's ihm vor. Nun er sah, da? mir 's Wasser an die Seele
ging, da warf er mir zwei davon zuruck und schickt' mich fort.

     Brautigam. Es ist nicht moglich! Der Sapupi?

     Brautvater. Wie stellst du dich! Freilich! Kein andrer!

     Brautigam.  Den  soll der  Teufel  holen,  er  hat  mir  auch  funfzehn
Goldgulden abgenommen.

     Brautvater. Verflucht!

     Selbitz. Gotz! Wir sind Rauber!

     Brautvater. Drum fiel das Urteil so scheel aus. Du Hund!

     Gotz. Das mu?t ihr nicht ungerugt lassen.

     Brautvater. Was sollen wir tun?

     Gotz. Macht euch auf nach Speier, es ist eben  Visitationszeit, zeigt's
an, sie mussen's untersuchen und euch zu dem Eurigen helfen.

     Brautigam. Denkt Ihr, wir treiben's durch?

     Gotz. Wenn ich ihm uber die Ohren durfte, wollt ich's euch versprechen.

     Selbitz. Die Summe ist wohl einen Versuch wert.

     Gotz. Bin ich wohl eher um des vierten Teils willen ausgeritten.

     Brautvater. Wie meinst du?

     Brautigam. Wir wollen, geh's wie's geh.

     (Georg kommt.)

     Georg. Die Nurnberger sind im Anzug.

     Gotz. Wo?

     Georg. Wenn wir ganz  sachte  reiten, packen  wir sie zwischen Beerheim
und Muhlbach im Wald.

     Selbitz. Trefflich!

     Gotz. Kommt, Kinder. Gott gru? euch! Helf uns allen zum Unsrigen!

     Bauer. Gro?en Dank! Ihr wollt nicht zum Nacht-Ims bleiben?

     Gotz. Konnen nicht. Adies.

     Dritter Akt
     Augsburg. Ein Garten
     Zwei Nurnberger Kaufleute.

     Erster Kaufmann. Hier wollen wir stehn, denn da  mu? der Kaiser vorbei.
Er kommt eben den langen Gang herauf.

     Zweiter Kaufmann. Wer ist bei ihm?

     Erster Kaufmann. Adelbert von Weislingen!

     Zweiter Kaufmann. Bambergs Freund! Das ist gut.

     Erster Kaufmann. Wir wollen einen Fu?fall tun, und ich will reden.

     Zweiter Kaufmann. Wohl, da kommen sie.

     (Kaiser. Weislingen.)

     Erster Kaufmann. Er sieht verdrie?lich aus.

     Kaiser. Ich bin  unmutig, Weislingen, und wenn ich auf mein vergangenes
Leben  zurucksehe,  mocht  ich  verzagt  werden;  so  viel  halbe,  so  viel
verungluckte  Unternehmungen!  und das  alles, weil  kein  Furst im Reich so
klein ist,  dem nicht mehr an  seinen  Grillen  gelegen  ware als an  meinen
Gedanken.

     (Die Kaufleute werfen sich ihm zu Fu?en.)

     Kaufmann. Allerdurchlauchtigster! Gro?machtigster!

     Kaiser. Wer seid ihr? Was gibt's?

     Kaufmann.  Arme Kaufleute  von  Nurnberg, Eurer  Majestat Knechte,  und
flehen um  Hulfe. Gotz  von Berlichingen und  Hans von  Selbitz haben  unser
drei?ig, die  von der  Frankfurter  Messe kamen,  im  Bambergischen  Geleite
niedergeworfen und beraubt; wir bitten Eure  Kaiserliche Majestat  um Hulfe,
um Beistand, sonst sind wir alle  verdorbene Leute, genotigt,  unser Brot zu
betteln.

     Kaiser.  Heiliger Gott! Heiliger Gott!  Was  ist  das? Der eine hat nur
eine  Hand,  der andere nur ein Bein;  wenn sie denn erst zwei Hande hatten,
und zwei Beine, was wolltet ihr dann tun?

     Kaufmann. Wir bitten Eure Majestat  untertanigst, auf unsere bedrangten
Umstande ein mitleidiges Auge zu werfen.

     Kaiser. Wie geht's zu! Wenn ein  Kaufmann einen  Pfeffersack  verliert,
soll  man  das ganze Reich aufmahnen; und wenn  Handel vorhanden sind, daran
Kaiserlicher  Majestat und dem  Reich viel gelegen ist, da?  es  Konigreich,
Furstentum,  Herzogtum  und  anders  betrifft,  so  kann  euch  kein  Mensch
zusammenbringen.

     Weislingen.  Ihr  kommt  zur  ungelegnen Zeit. Geht und verweilt einige
Tage hier.

     Kaufleute. Wir empfehlen uns zu Gnaden. (Ab.)

     Kaiser. Wieder neue Handel. Sie wachsen nach wie die Kopfe der Hydra.

     Weislingen. Und sind  nicht auszurotten als mit Feuer  und  Schwert und
einer mutigen Unternehmung.

     Kaiser. Glaubt Ihr?

     Weislingen. Ich halte nichts fur  tunlicher, wenn Eure Majestat und die
Fursten sich uber andern unbedeutenden Zwist vereinigen konnten. Es ist  mit
nichten ganz Deutschland, das uber Beunruhigung klagt.  Franken und Schwaben
allein   glimmt   noch  von   den  Resten   des  innerlichen   verderblichen
Burgerkriegs. Und  auch  da sind viele der Edeln  und  Freien, die sich nach
Ruhe sehnen. Hatten  wir einmal diesen Sickingen, Selbitz - Berlichingen auf
die Seite geschafft,  das ubrige wurde bald von  sich selbst zerfallen. Denn
sie sind's, deren Geist die aufruhrische Menge belebt.

     Kaiser. Ich mochte die  Leute gerne schonen, sie sind tapfer  und edel.
Wenn ich Krieg fuhrte, mu?ten sie mit mir zu Felde.

     Weislingen.  Es  ware zu  wunschen, da?  sie von  jeher gelernt hatten,
ihrer  Pflicht  zu gehorchen.  Und  dann  war  es  hochst  gefahrlich,  ihre
aufruhrischen Unternehmungen durch Ehrenstellen zu belohnen. Denn eben diese
kaiserliche Mild und Gnade ist's, die sie bisher  so ungeheuer mi?brauchten,
und ihr Anhang, der sein Vertrauen und Hoffnung darauf setzt, wird nicht ehe
zu bandigen  sein, bis wir sie ganz vor den Augen der Welt zunichte  gemacht
und  ihnen alle Hoffnung, jemals wieder  emporzukommen, vollig abgeschnitten
haben.

     Kaiser. Ihr ratet also zur Strenge?

     Weislingen. Ich  sehe  kein ander Mittel, den Schwindelgeist, der ganze
Landschaften  ergreift,  zu bannen. Horen wir  nicht schon hier und  da  die
bittersten Klagen der Edeln, da? ihre Untertanen, ihre Leibeignen sich gegen
sie auflehnen und mit ihnen  rechten, ihnen  die hergebrachte Oberherrschaft
zu schmalern drohen, so da? die gefahrlichsten Folgen zu furchten sind?

     Kaiser. Jetzt war  eine schone Gelegenheit  wider den  Berlichingen und
Selbitz; nur wollt ich nicht, da? ihnen was  zuleid geschehe. Gefangen mocht
ich sie haben,  und dann mu?ten sie  Urfehde schworen, auf  ihren Schlossern
ruhig zu bleiben und nicht aus ihrem Bann zu gehen. Bei der nachsten Session
will ich's vortragen.

     Weislingen. Ein freudiger beistimmender Zuruf  wird Eurer  Majestat das
Ende der Rede ersparen. (Ab.)


     Jagsthausen
     Sickingen. Berlichingen.

     Sickingen. Ja, ich komme, Eure edle Schwester um ihr Herz und ihre Hand
zu bitten.

     Gotz.  So  wollt  ich,  Ihr  wart  eher  kommen.  Ich mu?  Euch  sagen:
Weislingen hat  wahrend seiner  Gefangenschaft ihre  Liebe gewonnen,  um sie
angehalten, und ich sagt sie ihm zu. Ich hab ihn losgelassen, den Vogel, und
er verachtet die gutige Hand, die ihm in der Not Futter reichte. Er schwirrt
herum, wei? Gott auf welcher Hecke seine Nahrung zu suchen.

     Sickingen. Ist das so?

     Gotz. Wie ich sage.

     Sickingen. Er hat ein doppeltes Band zerrissen. Wohl Euch,  da? Ihr mit
dem Verrater nicht naher verwandt worden.

     Gotz. Sie sitzt, das arme Madchen, verjammert und verbetet ihr Leben.

     Sickingen. Wir wollen sie singen machen.

     Gotz. Wie! Entschlie?et Ihr Euch, eine Verla?ne zu heiraten?

     Sickingen. Es macht euch beiden  Ehre, von ihm betrogen worden zu sein.
Soll darum das arme Madchen in  ein  Kloster gehn,  weil der erste Mann, den
sie kannte, ein Nichtswurdiger  war?  Nein doch! ich bleibe darauf, sie soll
Konigin von meinen Schlossern werden.

     Gotz. Ich sage Euch, sie war nicht gleichgultig gegen ihn.

     Sickingen. Traust du mir nicht zu,  da? ich den Schatten  eines Elenden
sollte verjagen konnen? La? uns zu ihr! (Ab.)


     Lager der Reichsexekution
     Hauptmann. Offiziere.

     Hauptmann. Wir mussen  behutsam  gehn  und unsere Leute so viel moglich
schonen. Auch  ist unsere  gemessene Order,  ihn in die  Enge zu treiben und
lebendig gefangenzunehmen. Es wird schwerhalten, denn  wer mag  sich  an ihn
machen?

     Erster  Offizier. Freilich!  Und  er wird  sich  wehren wie  ein wildes
Schwein.  Uberhaupt hat er uns sein Lebelang nichts zuleid getan,  und jeder
wird's  von  sich  schieben,  Kaiser und  Reich  zu Gefallen  Arm  und  Bein
daranzusetzen.

     Zweiter  Offizier.  Es ware eine Schande,  wenn wir ihn nicht kriegten.
Wenn ich ihn nur einmal beim Lappen habe, er soll nicht loskommen.

     Erster  Offizier. Fa?t ihn nur nicht  mit  Zahnen,  er mochte Euch  die
Kinnbacken ausziehen. Guter junger Herr,  dergleichen Leut packen sich nicht
wie ein fluchtiger Dieb.

     Zweiter Offizier. Wollen sehn.

     Hauptmann. Unsern Brief  mu? er nun haben. Wir wollen nicht  saumen und
einen Trupp ausschicken, der ihn beobachten soll.

     Zweiter Offizier. La?t mich ihn fuhren.

     Hauptmann. Ihr seid der Gegend unkundig.

     Zweiter Offizier. Ich hab einen  Knecht,  der hier geboren und  erzogen
ist.

     Hauptmann. Ich bin's zufrieden. (Ab.)


     Jagsthausen
     Sickingen.

     Sickingen. Es  geht  alles  nach  Wunsch; sie war  etwas besturzt  uber
meinen Antrag  und sah  mich  vom Kopf bis  auf die  Fu?e an; ich wette, sie
verglich mich mit ihrem Wei?fisch. Gott sei Dank, da? ich mich stellen darf.
Sie  antwortete  wenig und  durcheinander;  desto besser!  Es  mag eine Zeit
kochen.  Bei  Madchen,  die  durch  Liebesungluck  gebeizt  sind,  wird  ein
Heiratsvorschlag bald gar.

     (Gotz kommt.)

     Sickingen. Was bringt Ihr, Schwager?

     Gotz. In die Acht erklart!

     Sickingen. Was?

     Gotz. Da lest  den  erbaulichen  Brief. Der  Kaiser hat Exekution gegen
mich verordnet, die mein Fleisch den Vogeln unter dem  Himmel und den Tieren
auf dem Felde zu fressen vorschneiden soll.

     Sickingen. Erst sollen sie dran. Just zur gelegenen Zeit bin ich hier.

     Gotz. Nein,  Sickingen, Ihr  sollt fort. Eure  gro?en Anschlage konnten
daruber zugrunde  gehn, wenn  Ihr  zu  so  ungelegner Zeit  des Reichs Feind
werden wolltet. Auch mir werdet Ihr  weit mehr nutzen, wenn  Ihr neutral  zu
sein scheint. Der  Kaiser liebt  Euch, und das Schlimmste, das  mir begegnen
kann, ist,  gefangen zu werden; dann braucht Euer Vorwort und rei?t mich aus
einem  Elend, in das  unzeitige Hulfe  uns beide  sturzen  konnte. Denn  was
war's? Jetzo  geht der Zug  gegen  mich; erfahren sie, du  bist  bei mir, so
schicken sie mehr, und wir sind um nichts gebessert. Der Kaiser sitzt an der
Quelle,  und  ich  war  schon  jetzt  unwiederbringlich  verloren, wenn  man
Tapferkeit  so   geschwind   einblasen   konnte,   als   man   einen  Haufen
zusammenblasen kann.

     Sickingen.  Doch  kann  ich  heimlich ein zwanzig Reiter zu Euch sto?en
lassen.

     Gotz. Gut. Ich hab schon Georgen nach  dem Selbitz geschickt, und meine
Knechte  in der  Nachbarschaft  herum.  Lieber  Schwager,  wenn  meine Leute
beisammen  sind,  es  wird ein  Haufchen  sein,  dergleichen  wenig  Fursten
beisammen gesehen haben.

     Sickingen. Ihr werdet gegen die Menge wenig sein.

     Gotz. Ein Wolf ist einer ganzen Herde Schafe zu viel.

     Sickingen. Wenn sie aber einen guten Hirten haben?

     Gotz. Sorg du. Es sind lauter Mietlinge. Und dann kann der beste Ritter
nichts  machen, wenn er nicht  Herr von seinen Handlungen ist.  So kamen sie
mir  auch  einmal, wie  ich dem  Pfalzgrafen  zugesagt  hatte, gegen  Konrad
Schotten zu dienen; da legt' er mir einen  Zettel aus  der  Kanzlei vor, wie
ich reiten und mich halten  sollt; da warf ich  den Raten das Papier  wieder
dar und sagt: ich  wu?t nicht darnach zu handlen,  ich wei?  nicht,  was mir
begegnen mag, das steht nicht im Zettel, ich mu? die Augen selbst auftun und
sehn, was ich zu schaffen hab.

     Sickingen. Gluck zu, Bruder! Ich will gleich fort und dir schicken, was
ich in der Eil zusammentreiben kann.

     Gotz. Komm noch zu den Frauen, ich lie? sie beisammen. Ich wollte,  da?
du ihr Wort hattest, ehe  du gingst.  Dann schick  mir die Reiter, und  komm
heimlich wieder, Marien abzuholen,  denn mein Schlo?, furcht ich, wird  bald
kein Aufenthalt fur Weiber mehr sein.

     Sickingen. Wollen das Beste hoffen. (Ab.)


     Bamberg. Adelheidens Zimmer
     Adelheid. Franz.

     Adelheid. So sind die beiden Exekutionen schon aufgebrochen?

     Franz. Ja, und mein Herr hat  die Freude, gegen  Eure Feinde zu ziehen.
Ich wollte gleich mit, so gern ich zu  Euch gehe. Auch will ich jetzt wieder
fort, um  bald mit frohlicher  Botschaft wiederzukehren. Mein Herr hat mir's
erlaubt.

     Adelheid. Wie steht's mit ihm?

     Franz. Er ist munter. Mir befahl er, Eure Hand zu kussen.

     Adelheid. Da - deine Lippen sind warm.

     Franz  (vor sich,  auf die Brust  deutend).  Hier  ist's  noch  warmer!
(Laut.) Gnadige Frau, Eure Diener sind  die glucklichsten Menschen unter der
Sonne.

     Adelheid. Wer fuhrt gegen Berlichingen?

     Franz.  Der  von  Sirau. Lebt wohl, beste gnadige Frau! Ich will wieder
fort. Verge?t mich nicht.

     Adelheid. Du mu?t was essen, trinken, und rasten.

     Franz. Wozu  das?  Ich hab  Euch  ja gesehen.  Ich  bin nicht mud  noch
hungrig.

     Adelheid. Ich kenne deine Treu.

     Franz. Ach, gnadige Frau!

     Adelheid. Du haltst's nicht aus, beruhige dich, und nimm was zu dir.

     Franz. Eure Sorgfalt fur einen armen Jungen! (Ab.)

     Adelheid. Die Tranen stehn ihm  in den Augen. Ich  lieb ihn von Herzen.
So wahr und warm hat noch niemand an mir gehangen. (Ab.)


     Jagsthausen
     Gotz. Georg.

     Georg. Er will selbst mit Euch sprechen. Ich kenn ihn nicht; es ist ein
stattlicher Mann, mit schwarzen feurigen Augen.

     Gotz. Bring ihn herein.

     (Lerse kommt.)

     Gotz. Gott gru? Euch! Was bringt Ihr?

     Lerse.  Mich  selbst, das ist  nicht viel, doch alles, was es ist, biet
ich Euch an.

     Gotz. Ihr seid mir willkommen, doppelt willkommen, ein braver Mann, und
zu  dieser Zeit,  da  ich nicht  hoffte, neue  Freunde zu gewinnen, eher den
Verlust der alten stundlich furchtete. Gebt mir Euern Namen.

     Lerse. Franz Lerse.

     Gotz. Ich danke Euch, Franz, da? Ihr mich mit einem braven Mann bekannt
macht.

     Lerse.  Ich  machte  Euch  schon einmal  mit mir  bekannt, aber  damals
danktet Ihr mir nicht dafur.

     Gotz. Ich erinnere mich Eurer nicht.

     Lerse. Es  ware mir leid.  Wi?t  Ihr noch, wie  Ihr um des  Pfalzgrafen
willen Konrad Schotten  feind wart und nach Ha?furt auf die Fastnacht reiten
wolltet?

     Gotz. Wohl wei? ich es.

     Lerse.  Wi?t  Ihr,  wie  Ihr  unterwegs bei einem  Dorf  funfundzwanzig
Reitern entgegenkamt?

     Gotz. Richtig. Ich hielt sie anfangs  nur fur  zwolfe  und teilt meinen
Haufen,  waren unser sechzehn, und  hielt am  Dorf  hinter  der Scheuer,  in
willens,  sie sollten bei mir vorbeiziehen. Dann wollt ich ihnen nachrucken,
wie ich's mit dem andern Haufen abgeredt hatte.

     Lerse.  Aber wir sahn  Euch und  zogen auf  eine Hohe am Dorf. Ihr zogt
herbei  und hieltet unten. Wie wir  sahn,  Ihr  wolltet  nicht heraufkommen,
ritten wir herab.

     Gotz.  Da sah  ich erst, da?  ich mit der Hand in die Kohlen geschlagen
hatte. Funfundzwanzig gegen acht! Da  galt's  kein  Feiern.  Erhard Truchse?
durchstach mir einen Knecht, dafur rannt ich ihn vom Pferde. Hatten sie sich
alle gehalten  wie  er und  ein  Knecht,  es ware mein  und  meines  kleinen
Haufchens ubel gewahrt gewesen.

     Lerse. Der Knecht, wovon Ihr sagtet -

     Gotz. Es war der bravste,  den ich gesehen habe. Er setzte mir hei? zu.
Wenn  ich  dachte,  ich  hatt ihn von mir  gebracht, wollte  mit  andern  zu
schaffen haben, war  er  wieder  an mir und schlug feindlich zu. Er hieb mir
auch durch den Panzerarmel hindurch, da? es ein wenig gefleischt hatte.

     Lerse. Habt Ihr's ihm verziehen?

     Gotz. Er gefiel mir mehr als zu wohl.

     Lerse. Nun, so hoff ich, da? Ihr mit mir zufrieden sein werdet; ich hab
mein Probstuck an Euch selbst abgelegt.

     Gotz. Bist du's? O willkommen, willkommen! Kannst du sagen, Maximilian,
du hast unter deinen Dienern einen so geworben!

     Lerse. Mich wundert, da? Ihr nicht eh auf mich gefallen seid.

     Gotz. Wie sollte  mir einkommen,  da?  der mir  seine Dienste  anbieten
wurde, der auf das feindseligste mich zu uberwaltigen trachtete?

     Lerse. Eben  das, Herr! Von Jugend auf dien ich  als Reitersknecht, und
hab's mit  manchem  Ritter aufgenommen. Da  wir auf Euch stie?en, freut  ich
mich. Ich kannte Euern  Namen, und da lernt ich  Euch  kennen. Ihr wi?t, ich
hielt nicht stand; Ihr saht, es war nicht Furcht, denn ich kam wieder. Kurz,
ich lernt Euch kennen, und von Stund an beschlo? ich, Euch zu dienen.

     Gotz. Wie lange wollt Ihr bei mir aushalten?

     Lerse. Auf ein Jahr. Ohne Entgelt.

     Gotz. Nein,  Ihr sollt gehalten werden wie ein anderer, und druber, wie
der, der mir bei Remlin zu schaffen machte.

     (Georg kommt.)

     Georg.  Hans  von  Selbitz la?t  Euch gru?en.  Morgen ist  er  hier mit
funfzig Mann.

     Gotz. Wohl.

     Georg.  Es  zieht  am  Kocher  ein  Trupp  Reichsvolker herunter;  ohne
Zweifel, Euch zu beobachten.

     Gotz. Wieviel?

     Georg. Ihrer funfzig.

     Gotz. Nicht mehr! Komm, Lerse,  wir wollen sie zusammenschmei?en,  wenn
Selbitz kommt, da? er schon ein Stuck Arbeit getan findet.

     Lerse. Das soll eine reichliche Vorlese werden.

     Gotz. Zu Pferde! (Ab.)

     Wald an einem Morast
     Zwei Reichsknechte begegnen einander.

     Erster Knecht. Was machst du hier?

     Zweiter Knecht. Ich  hab Urlaub gebeten,  meine Notdurft zu verrichten.
Seit dem  blinden Larmen gestern abends ist mir's in die Gedarme geschlagen,
da? ich alle Augenblicke vom Pferd mu?.

     Erster Knecht. Halt der Trupp hier in der Nahe?

     Zweiter Knecht. Wohl eine Stunde den Wald hinauf.

     Erster Knecht. Wie verlaufst du dich denn hieher?

     Zweiter  Knecht.  Ich bitte dich,  verrat  mich  nicht.  Ich will  aufs
nachste  Dorf  und  sehn, ob  ich nit  mit  warmen Uberschlagen meinem  Ubel
abhelfen kann. Wo kommst du her?

     Erster Knecht. Vom nachsten Dorf. Ich hab unserm Offizier Wein und Brot
geholt.

     Zweiter Knecht. So, er tut sich was zugut vor unserm Angesicht, und wir
sollen fasten! Schon Exempel!

     Erster Knecht. Komm mit zuruck, Schurke.

     Zweiter Knecht. War ich ein Narr! Es sind noch viele unterm Haufen, die
gern fasteten, wenn sie so weit davon waren als ich.

     Erster Knecht. Horst du! Pferde!

     Zweiter Knecht. O weh!

     Erster Knecht. Ich klettere auf den Baum.

     Zweiter Knecht. Ich steck mich ins Rohr.

     (Gotz, Lerse, Georg, Knechte zu Pferde.)

     Gotz.  Hier am  Teich weg und linker  Hand in  den Wald, so  kommen wir
ihnen in Rucken.

     (Sie ziehen vorbei.)

     Erster Knecht (steigt  vom  Baum). Da  ist nicht  gut  sein. Michel! Er
antwortet nicht?  Michel, sie sind fort! (Er geht nach dem Sumpf.) Michel! O
weh, er ist versunken.  Michel! Er hort mich  nicht, er  ist erstickt.  Bist
doch krepiert, du Memme. - Wir sind geschlagen. Feinde, uberall Feinde!

     (Gotz, Georg zu Pferde.)

     Gotz. Halt, Kerl, oder du bist des Todes!

     Knecht. Schont meines Lebens!

     Gotz. Dein Schwert! Georg, fuhr ihn zu den andern Gefangenen, die Lerse
dort unten am Wald hat. Ich mu? ihren fluchtigen Fuhrer erreichen. (Ab.)

     Knecht. Was ist aus unserm Ritter geworden, der uns fuhrte?

     Georg. Unterst zu  oberst sturzt'  ihn  mein  Herr vom Pferd,  da?  der
Federbusch im  Kot stak. Seine Reiter huben ihn  aufs Pferd  und  fort,  wie
besessen. (Ab.)


     Lager
     Hauptmann. Erster Ritter.

     Erster Ritter. Sie fliehen von weitem dem Lager zu.

     Hauptmann. Er wird ihnen an den Fersen sein. La?t ein funfzig ausrucken
bis  an  die  Muhle;  wenn  er  sich  zu  weit  verliert, erwischt  Ihr  ihn
vielleicht.

     (Ritter ab. - Zweiter Ritter gefuhrt.)

     Hauptmann. Wie geht's, junger Herr? Habt Ihr ein paar Zinken abgerennt?

     Ritter.  Da? dich  die  Pest! Das  starkste Geweih ware gesplittert wie
Glas. Du Teufel! Er rannt auf mich los, es war mir, als wenn mich der Donner
in die Erd hineinschlug.

     Hauptmann. Dankt Gott, da? Ihr noch davongekommen seid.

     Ritter. Es ist nichts zu danken, ein  paar Rippen sind entzwei.  Wo ist
der Feldscher? (Ab.)


     Jagsthausen
     Gotz. Selbitz.

     Gotz. Was sagst du zu der Achtserklarung, Selbitz?

     Selbitz. Es ist ein Streich von Weislingen.

     Gotz. Meinst du?

     Selbitz. Ich meine nicht, ich wei?.

     Gotz. Woher?

     Selbitz. Er war auf dem Reichstag, sag ich dir, er war um den Kaiser.

     Gotz. Wohl, so machen wir ihm wieder einen Anschlag zunichte.

     Selbitz. Hoff's.

     Gotz. Wir wollen fort! und soll die Hasenjagd angehn.


     Lager
     Hauptmann. Ritter.

     Hauptmann. Dabei kommt nichts heraus, ihr  Herrn. Er  schlagt uns einen
Haufen nach dem andern, und was  nicht umkommt und gefangen wird,  das lauft
in Gottes  Namen lieber nach der Turkei als ins Lager zuruck.  So werden wir
alle Tag schwacher. Wir mussen einmal fur allemal ihm zu Leib gehen, und das
mit Ernst; ich  will selbst dabei sein, und er soll  sehn, mit wem er zu tun
hat.

     Ritter. Wir  sind's all zufrieden; nur ist er  der Landsart  so kundig,
wei?  alle Gange  und Schliche im Gebirg, da? er so wenig zu  fangen ist wie
eine Maus auf dem Kornboden.

     Hauptmann. Wollen ihn  schon kriegen.  Erst  auf Jagsthausen zu. Mag er
wollen oder nicht, er mu? herbei, sein Schlo? zu verteidigen.

     Ritter. Soll unser ganzer Hauf marschieren?

     Hauptmann.  Freilich!  Wi?t  Ihr, da?  wir schon um hundert geschmolzen
sind?

     Ritter. Drum geschwind, eh der ganze Eisklumpen auftaut;  es macht warm
in der Nahe, und wir stehn da wie Butter an der Sonne. (Ab.)


     Gebirg und Wald
     Gotz. Selbitz. Trupp.

     Gotz.  Sie kommen mit  hellem Hauf. Es war  hohe  Zeit,  da? Sickingens
Reiter zu uns stie?en.

     Selbitz.  Wir wollen  uns  teilen. Ich will linker  Hand  um  die  Hohe
ziehen.

     Gotz. Gut. Und du, Franz,  fuhre mir die funfzig rechts durch den  Wald
hinauf; sie kommen uber  die Heide,  ich will  gegen ihnen halten. Georg, du
bleibst  um mich.  Und  wenn Ihr  seht,  da?  sie mich  angreifen, so  fallt
ungesaumt in  die Seiten. Wir wollen sie patschen. Sie denken nicht, da? wir
ihnen die Spitze bieten konnen. (Ab.)


     Heide
     Auf der einen Seite eine Hohe, auf der andern Wald.

     Hauptmann. Exekutionszug.

     Hauptmann. Er halt auf der Heide! Das ist impertinent. Er soll's bu?en.
Was! Den Strom nicht zu furchten, der auf ihn losbraust?

     Ritter.  Ich wollt nicht, da?  Ihr  an der Spitze  rittet; er  hat  das
Ansehn, als ob er den ersten, der ihn ansto?en mochte, umgekehrt in die Erde
pflanzen wollte. Reitet hinterdrein.

     Hauptmann. Nicht gern.

     Ritter.  Ich  bitt Euch. Ihr  seid noch  der Knoten  von diesem  Bundel
Haselruten; lost ihn auf, so knickt er sie Euch einzeln wie Riedgras.

     Hauptmann. Trompeter, blas! Und ihr blast ihn weg! (Ab.)

     (Selbitz hinter der Hohe hervor im Galopp.)

     Selbitz.  Mir nach!  Sie sollen zu  ihren Handen rufen:  >Multipliziert
euch!< (Ab.)

     (Lerse aus dem Wald.)

     Lerse.  Gotzen zu Hulf ! Er ist fast umringt. Braver Selbitz,  du  hast
schon  Luft  gemacht.  Wir wollen die Heide  mit ihren  Distelkopfen besaen.
(Vorbei.)

     (Getummel.)


     Eine Hohe mit einem Wartturn
     Selbitz verwundet. Knechte.

     Selbitz. Legt mich hieher und kehrt zu Gotzen.

     Erster Knecht. La?t uns bleiben, Herr, Ihr braucht unser.

     Selbitz. Steig einer auf die Warte und seh, wie's geht.

     Erster Knecht. Wie will ich hinaufkommen?

     Zweiter Knecht. Steig  auf  meine  Schultern,  da  kannst du die  Lucke
reichen und dir bis zur Offnung hinaufhelfen.

     Erster Knecht (steigt hinauf). Ach, Herr!

     Selbitz. Was siehest du?

     Erster Knecht. Eure Reiter fliehen der Hohe zu.

     Selbitz. Hollische Schurken! Ich wollt, sie stunden  und ich  hatt eine
Kugel  vorm Kopf. Reit einer hin! und fluch  und wetter sie zuruck.  (Knecht
ab.) Siehest du Gotzen?

     Knecht. Die drei schwarzen Federn seh ich mitten im Getummel.

     Selbitz. Schwimm, braver Schwimmer. Ich liege hier!

     Knecht. Ein wei?er Federbusch, wer ist das?

     Selbitz. Der Hauptmann.

     Knecht. Gotz drangt sich an ihn - Bauz! Er sturzt.

     Selbitz. Der Hauptmann?

     Knecht. Ja, Herr.

     Selbitz. Wohl! Wohl!

     Knecht. Weh! Weh! Gotzen seh ich nicht mehr.

     Selbitz. So stirb, Selbitz!

     Knecht. Ein furchterlich  Gedrang,  wo  er  stund. Georgs blauer  Busch
verschwindt auch.

     Selbitz. Komm herunter. Siehst du Lersen nicht?

     Knecht. Nichts. Es geht alles drunter und druber.

     Selbitz. Nichts mehr. Komm! Wie halten sich Sickingens Reiter?

     Knecht.  Gut. - Da flieht einer nach  dem  Wald. Noch einer! Ein ganzer
Trupp! Gotz ist hin.

     Selbitz. Komm herab.

     Knecht.  Ich  kann  nicht. -  Wohl! Wohl!  Ich  sehe  Gotzen!  Ich sehe
Georgen!

     Selbitz. Zu Pferd?

     Knecht. Hoch zu Pferd! Sieg! Sieg! Sie fliehn.

     Selbitz. Die Reichstruppen?

     Knecht. Die  Fahne mittendrin, Gotz hintendrein.  Sie zerstreuen  sich.
Gotz  erreicht  den Fahndrich  - Er hat  die Fahn - Er halt.  Eine  Handvoll
Menschen um ihn herum. Mein Kamerad erreicht ihn - Sie ziehn herauf.

     (Gotz. Georg. Lerse. Ein Trupp.)

     Selbitz. Gluck zu, Gotz! Sieg! Sieg!

     Gotz (steigt vom Pferd). Teuer! Teuer! Du bist verwundt, Selbitz?

     Selbitz. Du lebst und siegst! Ich habe wenig getan. Und meine Hunde von
Reitern! Wie bist du davongekommen?

     Gotz.  Diesmal galt's! Und hier  Georgen dank ich  das Leben, und  hier
Lersen dank ich's. Ich  warf den Hauptmann vom Gaul. Sie stachen  mein Pferd
nieder und drangen auf mich  ein.  Georg hieb sich zu mir und sprang ab, ich
wie der Blitz auf seinen Gaul, wie der Donner sa?  er auch wieder. Wie kamst
du zum Pferd?

     Georg.  Einem, der  nach  Euch  hieb, stie?  ich  meinen Dolch  in  die
Gedarme, wie sich sein  Harnisch  in die Hohe zog. Er sturzt',  und ich half
Euch von einem Feind und mir zu einem Pferde.

     Gotz. Nun staken wir, bis sich Franz zu uns hereinschlug, und da mahten
wir von innen heraus.

     Lerse.  Die Hunde,  die ich fuhrte, sollten  von au?en hineinmahen, bis
sich unsere Sensen begegnet hatten; aber sie flohen wie Reichsknechte.

     Gotz. Es flohe Freund  und Feind. Nur du  kleiner Hauf hieltest mir den
Rucken frei; ich hatte mit  den Kerls vor mir genug  zu  tun. Der Fall ihres
Hauptmanns half mir sie schutteln, und  sie flohen. Ich habe ihre  Fahne und
wenig Gefangene.

     Selbitz. Der Hauptmann ist Euch entwischt?

     Gotz.  Sie  hatten  ihn  inzwischen  gerettet.  Kommt,  Kinder!  kommt,
Selbitz!  - Macht eine  Bahre von Asten; - du kannst nicht aufs Pferd. Kommt
in  mein Schlo?.  Sie  sind zerstreut. Aber unser sind wenig, und  ich  wei?
nicht,  ob  sie Truppen nachzuschicken haben. Ich will euch bewirten,  meine
Freunde. Ein Glas Wein schmeckt auf so einen Strau?.


     Lager
     Hauptmann.

     Hauptmann.  Ich  mocht  euch  alle  mit  eigner  Hand  umbringen!  Was,
fortlaufen!  Er hatte keine  Handvoll  Leute  mehr! Fortzulaufen,  vor einem
Mann! Es wird's niemand glauben, als wer uber uns zu lachen Lust hat. - Reit
herum, Ihr, und Ihr, und Ihr. Wo  ihr von unsern zerstreuten Knechten findt,
bringt  sie  zuruck  oder  stecht  sie  nieder.  Wir mussen  diese  Scharten
auswetzen, und wenn die Klingen druber zugrunde gehen sollten.


     Jagsthausen
     Gotz. Lerse. Georg.

     Gotz.  Wir durfen keinen Augenblick  saumen! Arme Jungen, ich darf euch
keine Rast gonnen. Jagt  geschwind herum und sucht noch Reiter aufzutreiben.
Bestellt sie alle nach Weilern, da sind sie  am sichersten. Wenn wir zogern,
so ziehen  sie mir vors Schlo?. (Die  zwei ab.) Ich mu? einen auf Kundschaft
ausjagen. Es fangt an  hei? zu  werden.  Und wenn  es nur noch  brave  Kerls
waren! aber so ist's die Menge. (Ab.)

     (Sickingen. Maria.)

     Maria. Ich bitte Euch, lieber Sickingen, geht  nicht von meinem Bruder!
Seine Reiter, Selbitzens, Eure sind  zerstreut; er  ist  allein, Selbitz ist
verwundet auf sein Schlo? gebracht, und ich furchte alles.

     Sickingen. Seid ruhig, ich gehe nicht weg.

     (Gotz kommt.)

     Gotz. Kommt  in die Kirch,  der  Pater wartet. Ihr  sollt mir  in einer
Viertelstund ein Paar sein.

     Sickingen. La?t mich hier.

     Gotz. In die Kirch sollt Ihr jetzt.

     Sickingen. Gern - und darnach?

     Gotz. Darnach sollt Ihr Eurer Wege gehn.

     Sickingen. Gotz!

     Gotz. Wollt Ihr nicht in die Kirche?

     Sickingen. Kommt, kommt!


     Lager
     Hauptmann. Ritter.

     Hauptmann. Wie viel sind's in allem?

     Ritter. Hundertundfunfzig.

     Hauptmann. Von vierhunderten! Das ist  arg.  Jetzt gleich auf und  grad
gegen Jagsthausen zu, eh er sich erholt und sich uns wieder in Weg stellt.

     Jagsthausen
     Gotz. Elisabeth. Maria. Sickingen.

     Gotz. Gott segne euch, geb  euch gluckliche  Tage, und behalte die, die
er euch abzieht, fur eure Kinder.

     Elisabeth.  Und die la? er sein, wie ihr  seid: rechtschaffen! Und dann
la?t sie werden, was sie wollen.

     Sickingen. Ich  dank euch. Und dank Euch, Maria. Ich fuhrte Euch an den
Altar, und Ihr sollt mich zur Gluckseligkeit fuhren.

     Maria.  Wir  wollen zusammen  eine Pilgrimschaft  nach  diesem  fremden
gelobten Lande antreten.

     Gotz. Gluck auf die Reise!

     Maria. So ist's nicht gemeint, wir verlassen Euch nicht.

     Gotz. Ihr sollt, Schwester.

     Maria. Du bist sehr unbarmherzig, Bruder!

     Gotz. Und Ihr zartlicher als vorsehend.

     (Georg kommt.)

     Georg  (heimlich).  Ich  kann  niemand  auftreiben.  Ein  einziger  war
geneigt; darnach veranderte er sich und wollte nicht.

     Gotz. Gut,  Georg. Das Gluck fangt mir an wetterwendisch zu werden. Ich
ahnt's  aber.  (Laut.)  Sickingen,  ich bitt Euch, geht  noch  diesen Abend.
Beredet  Marie. Sie ist Eure Frau. La?t sie's fuhlen. Wenn  Weiber  quer  in
unsere Unternehmung treten, ist unser Feind im freien Feld sichrer als sonst
in der Burg.

     (Knecht kommt.)

     Knecht  (leise). Herr,  das  Reichsfahnlein  ist auf  dem Marsch,  grad
hieher, sehr schnell.

     Gotz. Ich hab sie mit Rutenstreichen geweckt! Wieviel sind ihrer?

     Knecht.  Ungefahr  zweihundert. Sie konnen  nicht zwei Stunden mehr von
hier sein.

     Gotz. Noch uberm Flu??

     Knecht. Ja, Herr.

     Gotz. Wenn  ich nur funfzig  Mann hatte, sie sollten mir nicht heruber.
Hast du Lersen nicht gesehen?

     Knecht. Nein, Herr.

     Gotz. Biet allen, sie  sollen sich bereit  halten.  - Es mu? geschieden
sein, meine Lieben. Weine, meine gute  Marie,  es werden Augenblicke kommen,
wo du dich freuen wirst. Es ist besser, du weinst an deinem Hochzeittag, als
da? ubergro?e Freude  der Vorbote kunftigen Elends  ware. Lebt wohl,  Marie.
Lebt wohl, Bruder.

     Maria.  Ich  kann nicht von  Euch, Schwester.  Lieber Bruder,  la? uns.
Achtest du meinen Mann  so wenig, da? du  in  dieser  Extremitat seine Hulfe
verschmahst?

     Gotz. Ja, es ist weit mit mir gekommen. Vielleicht bin ich meinem Sturz
nahe. Ihr beginnt zu leben, und ihr sollt euch von meinem Schicksal trennen.
Ich hab eure Pferde zu satteln befohlen. Ihr mu?t gleich fort.

     Maria. Bruder! Bruder!

     Elisabeth (zu Sickingen). Gebt ihm nach! Geht!

     Sickingen. Liebe Marie, la?t uns gehen.

     Maria. Du auch? Mein Herz wird brechen.

     Gotz. So bleib denn. In wenigen Stunden wird meine Burg umringt sein.

     Maria. Weh! Weh!

     Gotz. Wir werden uns verteidigen, so gut wir konnen.

     Maria. Mutter Gottes, hab Erbarmen mit uns!

     Gotz.  Und am  Ende werden wir sterben, oder  uns ergeben.  -  Du wirst
deinen edeln Mann mit mir in ein Schicksal geweint haben.

     Maria. Du marterst mich.

     Gotz. Bleib! Bleib!  Wir werden zusammen gefangen werden. Sickingen, du
wirst mit mir in die Grube fallen! Ich hoffte, du solltest mir heraushelfen.

     Maria. Wir wollen fort. Schwester, Schwester!

     Gotz. Bringt sie in Sicherheit, und dann erinnert Euch meiner.

     Sickingen.  Ich  will  ihr  Bette  nicht besteigen, bis ich  Euch au?er
Gefahr wei?.

     Gotz. Schwester - liebe Schwester! (Ku?t sie.)

     Sickingen. Fort, fort!

     Gotz.  Noch  einen Augenblick - Ich seh Euch wieder. Trostet Euch.  Wir
sehn uns wieder.

     (Sickingen, Maria ab.)

     Gotz. Ich trieb sie, und da sie geht, mocht ich sie  halten. Elisabeth,
du bleibst bei mir!

     Elisabeth. Bis in den Tod. (Ab.)

     Gotz. Wen Gott lieb hat, dem geb er so eine Frau!

     (Georg kommt.)

     Georg.  Sie sind in der Nahe, ich habe sie  vom Turn gesehen. Die Sonne
ging auf, und ich sah ihre Piken blinken. Wie ich sie sah, wollt mir's nicht
banger werden,  als einer Katze vor einer Armee  Mause. Zwar wir spielen die
Ratten.

     Gotz. Seht nach  den  Torriegeln. Verrammelt's  inwendig mit Balken und
Steinen. (Georg ab.) Wir  wollen  ihre  Geduld fur'n Narren halten, und ihre
Tapferkeit sollen  sie  mir an ihren eigenen Nageln verkauen. (Trompeter von
au?en.) Aha! ein  rotrockiger Schurke, der  uns die Frage  vorlegen wird, ob
wir Hundsfotter sein wollen. (Er geht ans Fenster.) Was soll's?

     (Man hort in der Ferne reden.)

     Gotz (in seinen Bart). Einen Strick um deinen Hals.

     (Trompeter redet fort.)

     Gotz.  >Beleidiger  der Majestat!<  - Die  Aufforderung hat  ein  Pfaff
gemacht.

     (Trompeter endet.)

     Gotz (antwortet). Mich ergeben! Auf Gnad und Ungnad! Mit wem redet Ihr!
Bin ich ein Rauber! Sag  deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche Majestat hab
ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag's  ihm, er kann mich - -  -
(Schmei?t das Fenster zu.)


     Belagerung. Kuche
     Elisabeth. Gotz zu ihr.

     Gotz. Du hast viel Arbeit, arme Frau.

     Elisabeth.  Ich  wollt, ich hatte sie  lang. Wir werden schwerlich lang
aushalten konnen.

     Gotz. Wir hatten nicht Zeit, uns zu versehen.

     Elisabeth. Und die vielen Leute, die Ihr zeither gespeist habt. Mit dem
Wein sind wir auch schon auf der Neige.

     Gotz.  Wenn  wir   nur   auf  einen  gewissen  Punkt  halten,  da?  sie
Kapitulation  vorschlagen.  Wir tun  ihnen brav  Abbruch.  Sie  schie?en den
ganzen Tag und verwunden unsere Mauern  und  knicken unsere  Scheiben. Lerse
ist ein braver Kerl; er schleicht mit seiner Buchse  herum; wo sich einer zu
nahe wagt, blaff, liegt er.

     Knecht. Kohlen, gnadige Frau.

     Gotz. Was gibt's?

     Knecht. Die Kugeln sind alle, wir wollen neue gie?en.

     Gotz. Wie steht's Pulver?

     Knecht. So ziemlich. Wir sparen unsere Schusse wohl aus.


     Saal
     Lerse mit einer Kugelform. Knecht mit Kohlen.

     Lerse.  Stell  sie  daher, und seht,  wo  ihr  im  Hause  Blei  kriegt.
Inzwischen  will ich hier  zugreifen. (Hebt ein  Fenster aus und schlagt die
Scheiben  ein.) Alle  Vorteile gelten. - So  geht's in  der Welt, wei?  kein
Mensch,  was aus den Dingen werden kann. Der Glaser, der die Scheiben fa?te,
dachte  gewi? nicht,  da? das  Blei einem  seiner  Urenkel garstiges Kopfweh
machen konnte! und da mich mein Vater zeugte, dachte er nicht, welcher Vogel
unter dem Himmel, welcher Wurm auf der Erde mich fressen mochte.

     (Georg kommt mit einer Dachrinne.)

     Georg.  Da hast du Blei. Wenn du nur mit der Halfte triffst, so entgeht
keiner,  der  Ihro  Majestat  ansagen  kann:   >Herr,   wir  haben  schlecht
bestanden.<

     Lerse (haut davon). Ein brav Stuck.

     Georg. Der Regen mag sich  einen andern Weg suchen! ich bin nicht  bang
davor; ein braver Reiter und ein rechter Regen kommen uberall durch.

     Lerse. (Er gie?t.) Halt den Loffel. (Geht ans Fenster.) Da zieht so ein
Reichsknappe mit der Buchse herum; sie denken, wir haben uns verschossen. Er
soll die Kugel versuchen, warm wie sie aus der Pfanne kommt. (Ladt.)

     Georg (lehnt den Loffel an). La? mich sehn.

     Lerse (schie?t). Da liegt der Spatz.

     Georg. Der scho? vorhin nach mir (sie  gie?en), wie ich zum Dachfenster
hinausstieg und die Rinne holen wollte. Er traf eine Taube,  die  nicht weit
von mir sa?,  sie  sturzt' in  die Rinne;  ich dankt ihm  fur den Braten und
stieg mit der doppelten Beute wieder herein.

     Lerse. Nun wollen wir wohl laden und im ganzen Schlo? herumgehen, unser
Mittagessen verdienen.

     (Gotz kommt.)

     Gotz.  Bleib, Lerse! Ich habe mit dir zu reden! Dich,  Georg,  will ich
nicht von der Jagd abhalten.

     (Georg ab.)

     Gotz. Sie entbieten mir einen Vertrag.

     Lerse. Ich will zu ihnen hinaus und horen, was es soll.

     Gotz.  Es  wird  sein: ich  soll  mich  auf  Bedingungen in  ritterlich
Gefangnis stellen.

     Lerse.  Das  ist   nichts.  Wie  war's,  wenn  sie   uns  freien  Abzug
eingestunden,  da  Ihr  doch  von  Sickingen  keinen Entsatz  erwartet?  Wir
vergruben Geld und Silber, wo sie's mit keiner  Wunschelrute finden sollten,
uberlie?en ihnen das Schlo?, und kamen mit Manier davon.

     Gotz. Sie lassen uns nicht.

     Lerse. Es kommt auf eine Prob an.  Wir wollen um  sicher  Geleit rufen,
und ich will hinaus. (Ab.)


     Saal
     Gotz, Elisabeth, Georg, Knechte bei Tische.

     Gotz.  So bringt uns die Gefahr zusammen. La?t's euch schmecken,  meine
Freunde!  Verge?t das Trinken nicht. Die Flasche ist leer. Noch  eine, liebe
Frau. (Elisabeth zuckt die Achsel.) Ist keine mehr da?

     Elisabeth (leise). Noch eine; ich hab sie fur dich beiseite gesetzt.

     Gotz. Nicht  doch, Liebe!  Gib sie heraus. Sie brauchen Starkung, nicht
ich; es ist ja meine Sache.

     Elisabeth. Holt sie drau?en im Schrank!

     Gotz. Es ist  die letzte. Und  mir ist's,  als  ob  wir nicht zu sparen
Ursach  hatten. Ich bin lange nicht so  vergnugt gewesen. (Schenkt  ein.) Es
lebe der Kaiser!

     Alle. Er lebe!

     Gotz. Das soll unser  vorletztes Wort sein,  wenn wir sterben! Ich lieb
ihn, denn wir haben einerlei Schicksal. Und ich bin noch glucklicher als er.
Er  mu? den Reichsstanden die  Mause  fangen,  inzwischen  die  Ratten seine
Besitztumer annagen. Ich  wei?, er  wunscht  sich manchmal  lieber  tot, als
langer die Seele eines so kruppligen Korpers zu sein. (Schenkt ein.) Es geht
just noch  ein  mal herum. Und  wenn unser Blut anfangt,  auf  die  Neige zu
gehen,  wie der Wein in dieser Flasche erst schwach, dann tropfenweise rinnt
(tropfelt das Letzte in sein Glas), was soll unser letztes Wort sein?

     Georg. Es lebe die Freiheit!

     Gotz. Es lebe die Freiheit!

     Alle. Es lebe die Freiheit!

     Gotz. Und wenn die uns  uberlebt, konnen  wir ruhig  sterben. Denn  wir
sehen im Geist unsere Enkel glucklich und die Kaiser unsrer Enkel glucklich.
Wenn die  Diener der Fursten so edel und frei  dienen wie  ihr mir, wenn die
Fursten dem Kaiser dienen, wie ich ihm dienen mochte -

     Georg. Da mu?t's viel anders werden.

     Gotz. So viel nicht, als es  scheinen  mochte. Hab ich nicht unter  den
Fursten treffliche Menschen gekannt, und sollte das Geschlecht  ausgestorben
sein? Gute  Menschen, die in sich und  ihren Untertanen glucklich waren; die
einen  edeln  freien  Nachbar  neben  sich  leiden  konnten  und  ihn  weder
furchteten  noch  beneideten;  denen  das  Herz   aufging,  wenn  sie   viel
ihresgleichen  bei  sich  zu  Tisch  sahen und  nicht  erst  die  Ritter  zu
Hofschranzen umzuschaffen brauchten, um mit ihnen zu leben.

     Georg. Habt Ihr solche Herrn gekannt?,

     Gotz. Wohl. Ich  erinnere mich  zeitlebens,  wie der Landgraf von Hanau
eine Jagd  gab  und die Fursten und  Herrn, die zugegen  waren, unter freiem
Himmel speisten und das Landvolk all herbeilief, sie zu sehen. Das war keine
Maskerade, die er  sich selbst  zu Ehren  angestellt  hatte. Aber die vollen
runden  Kopfe  der  Bursche  und  Madel, die  roten  Backen  alle,  und  die
wohlhabigen Manner  und  stattlichen Greise, und  alles frohliche Gesichter,
und wie sie teilnahmen an der Herrlichkeit ihres Herrn, der auf Gottes Boden
unter ihnen sich ergetzte!

     Georg. Das war ein Herr, vollkommen wie Ihr.

     Gotz.  Sollten  wir  nicht hoffen, da? mehr  solcher Fursten auf einmal
herrschen  konnen? da?  Verehrung  des Kaisers,  Fried und Freundschaft  der
Nachbarn und  Lieb  der Untertanen  der kostbarste Familienschatz sein wird,
der auf Enkel und Urenkel erbt? Jeder wurde das Seinige erhalten und in sich
selbst  vermehren, statt da? sie  jetzo nicht zuzunehmen  glauben,  wenn sie
nicht andere verderben.

     Georg. Wurden wir hernach auch reiten?

     Gotz. Wollte Gott, es gabe  keine unruhige Kopfe  in ganz  Deutschland!
wir  wurden  noch immer  zu  tun  genug finden. Wir  wollten die Gebirge von
Wolfen  saubern, wollten unserm ruhig ackernden Nachbar einen Braten aus dem
Wald  holen und dafur die  Suppe mit ihm essen. War uns das nicht genug, wir
wollten uns mit unsern Brudern, wie Cherubim mit  flammenden Schwertern, vor
die Grenzen  des  Reichs  gegen die Wolfe die Turken,  gegen die  Fuchse die
Franzosen lagern und zugleich unsers teuern Kaisers sehr  ausgesetzte Lander
und die Ruhe  des  Reichs  beschutzen. Das ware ein Leben!  Georg! wenn  man
seine  Haut fur  die  allgemeine  Gluckseligkeit  dransetzte. (Georg springt
auf.) Wo willst du hin?

     Georg. Ach ich verga?,  da? wir eingesperrt sind  - und der  Kaiser hat
uns eingesperrt  - und  unsere Haut davonzubringen,  setzen wir  unsere Haut
dran?

     Gotz. Sei gutes Muts.

     (Lerse kommt.)

     Lerse. Freiheit!  Freiheit! Das  sind schlechte  Menschen, unschlussige
bedachtige Esel.  Ihr  sollt  abziehen  mit  Gewehr,  Pferden  und  Rustung.
Proviant sollt Ihr dahintenlassen.

     Gotz. Sie werden sich kein Zahnweh dran kauen.

     Lerse (heimlich). Habt Ihr das Silber versteckt?

     Gotz. Nein! Frau, geh mit Franzen, er hat dir was zu sagen.

     (Alle ab.)


     Schlo?hof
     Georg (im Stall, singt).
     Es fing ein Knab ein Vogelein,
     Hm! Hm!
     Da lacht' er in den Kafig 'nein,
     Hm! Hm!
     So! So!
     Hm! Hm!
     Der freut' sich traun so lappisch,
     Hm! Hm!
     Und griff hinein so tappisch,
     Hm! Hm!
     So! So!
     Hm! Hm!

     Da flog das Meislein auf ein Haus,
     Hm! Hm!
     Und lacht' den dummen Buben aus,
     Hm! Hm!
     So! So!
     Hm! Hm!



     Gotz. Wie steht's?

     Georg (fuhrt sein Pferd heraus). Sie sind gesattelt.

     Gotz. Du bist fix.

     Georg. Wie der Vogel aus dem Kafig.

     (Alle die Belagerten.)

     Gotz. Ihr  habt eure Buchsen? Nicht  doch!  Geht  hinauf und nehmt  die
besten aus dem Rustschrank, es geht in einem hin. Wir wollen vorausreiten.

     Georg.
     Hm! Hm!
     So! So!
     Hm! Hm! (Ab.)



     Saal
     Zwei Knechte am Rustschrank.

     Erster Knecht. Ich nehm die.

     Zweiter Knecht. Ich die. Da ist noch eine schonere.

     Erster Knecht. Nicht doch! Mach, da? du fortkommst.

     Zweiter Knecht. Horch!

     Erster Knecht (springt ans  Fenster). Hilf, heiliger Gott! sie ermorden
unsern Herrn. Er liegt vom Pferd! Georg sturzt!

     Zweiter  Knecht. Wo retten wir uns! An der Mauer  den Nu?baum  hinunter
ins Feld. (Ab.)

     Erster Knecht. Franz halt sich noch, ich will zu ihm. Wenn sie sterben,
mag ich nicht leben. (Ab.)

     Vierter Akt
     Wirtshaus zu Heilbronn
     Gotz.

     Gotz. Ich komme  mir vor wie der bose Geist, den der Kapuziner in einen
Sack beschwur. Ich arbeite mich ab und fruchte mir nichts. Die Meineidigen!

     (Elisabeth kommt.)

     Gotz. Was fur Nachrichten, Elisabeth, von meinen lieben Getreuen?

     Elisabeth.  Nichts Gewisses. Einige  sind  erstochen, einige  liegen im
Turn. Es konnte oder wollte niemand mir sie naher bezeichnen.

     Gotz. Ist das Belohnung der  Treue? des kindlichen Gehorsams? - Auf da?
dir's wohl gehe und du lange lebest auf Erden!

     Elisabeth.  Lieber Mann,  schilt unsern himmlischen  Vater  nicht.  Sie
haben ihren Lohn, er ward mit ihnen geboren, ein freies edles Herz. La?  sie
gefangen sein, sie sind frei! Gib  auf die deputierten Rate acht, die gro?en
goldnen Ketten stehen ihnen zu Gesicht -

     Gotz. Wie  dem  Schwein  das Halsband. Ich  mochte  Georgen und Franzen
geschlossen sehn!

     Elisabeth. Es ware ein Anblick, um Engel weinen zu machen.

     Gotz.  Ich wollt nicht weinen.  Ich wollte die Zahne zusammenbei?en und
an meinem Grimm kauen. In Ketten  meine Augapfel! Ihr lieben Jungen,  hattet
ihr mich nicht geliebt! - Ich wurde mich nicht satt an ihnen sehen konnen. -
Im Namen des Kaisers ihr Wort nicht zu halten!

     Elisabeth. Entschlagt Euch dieser Gedanken.  Bedenkt, da?  Ihr  vor den
Raten erscheinen sollt. Ihr seid nicht gestellt, ihnen wohl zu begegnen, und
ich furchte alles.

     Gotz. Was wollen sie mir anhaben?

     Elisabeth. Der Gerichtsbote!

     Gotz. Esel  der Gerechtigkeit! Schleppt ihre Sacke zur Muhle, und ihren
Kehrig aufs Feld. Was gibt's?

     (Gerichtsdiener kommt.)

     Gerichtsdiener. Die Herren Kommissarii sind auf dem Rathause versammelt
und schicken nach Euch.

     Gotz. Ich komme.

     Gerichtsdiener. Ich werde Euch begleiten.

     Gotz. Viel Ehre.

     Elisabeth. Ma?igt Euch.

     Gotz. Sei au?er Sorgen. (Ab.)


     Rathaus
     Kaiserliche Rate. Hauptmann. Ratsherren von Heilbronn.

     Ratsherr.  Wir  haben  auf Euern Befehl die  starksten  und  tapfersten
Burger  versammelt;  sie warten hier  in  der Nahe auf  Euern  Wink, um sich
Berlichingens zu bemeistern.

     Erster   Rat.   Wir   werden    Ihro    Kaiserlichen   Majestat    Eure
Bereitwilligkeit, Ihrem  hochsten Befehl zu gehorchen,  mit vielem Vergnugen
zu ruhmen wissen. - Es sind Handwerker?

     Ratsherr.  Schmiede,  Weinschroter,  Zimmerleute,  Manner  mit  geubten
Fausten und hier wohl beschlagen (auf die Brust deutend).

     Rat. Wohl.

     (Gerichtsdiener kommt.)

     Gerichtsdiener. Gotz von Berlichingen wartet vor der Tur.

     Rat. La?t ihn herein.

     (Gotz kommt.)

     Gotz. Gott gru? euch, ihr Herrn, was wollt ihr mit mir?

     Rat. Zuerst, da? Ihr bedenkt: wo Ihr seid? und vor wem?

     Gotz. Bei meinem Eid, ich verkenn euch nicht, meine Herrn.

     Rat. Ihr tut Eure Schuldigkeit.

     Gotz. Von ganzem Herzen.

     Rat. Setzt Euch.

     Gotz. Da unten hin? Ich kann stehn. Das Stuhlchen  riecht so nach armen
Sundern, wie uberhaupt die ganze Stube.

     Rat. So steht!

     Gotz. Zur Sache, wenn's gefallig ist.

     Rat. Wir werden in der Ordnung verfahren.

     Gotz. Bin's wohl zufrieden, wollt, es war von jeher geschehen.

     Rat. Ihr wi?t, wie Ihr auf Gnad und Ungnad in unsere Hande kamt.

     Gotz. Was gebt Ihr mir, wenn ich's vergesse?

     Rat. Wenn ich Euch Bescheidenheit geben konnte, wurd ich Eure Sache gut
machen.

     Gotz. Gut machen! Wenn Ihr das konntet! Dazu  gehort freilich mehr  als
zum Verderben.

     Schreiber. Soll ich das alles protokollieren?

     Rat. Was zur Handlung gehort.

     Gotz. Meinetwegen durft Ihr's drucken lassen.

     Rat. Ihr wart in der Gewalt des Kaisers, dessen vaterliche Gnade an den
Platz der  majestatischen  Gerechtigkeit  trat, Euch  anstatt eines  Kerkers
Heilbronn,  eine  seiner   geliebten  Stadte,  zum  Aufenthalt  anwies.  Ihr
verspracht mit einem Eid, Euch, wie es  einem Ritter geziemt, zu stellen und
das Weitere demutig zu erwarten.

     Gotz. Wohl, und ich bin hier und warte.

     Rat. Und  wir sind hier, Euch Ihro Kaiserlichen Majestat Gnade und Huld
zu  verkundigen. Sie verzeiht  Euch Eure Ubertretungen, spricht Euch von der
Acht und aller wohlverdienten Strafe los, welches Ihr mit  untertanigem Dank
erkennen und dagegen  die  Urfehde  abschworen  werdet, welche  Euch hiermit
vorgelesen werden soll.

     Gotz. Ich bin Ihro Majestat treuer Knecht wie  immer. Noch ein Wort, eh
Ihr weitergeht: Meine Leute, wo sind die? Was soll mit ihnen werden?

     Rat. Das geht Euch nichts an.

     Gotz.  So wende der Kaiser  sein  Angesicht von Euch, wenn  Ihr in  Not
steckt! Sie waren meine Gesellen, und sind's. Wo habt Ihr sie hingebracht?

     Rat. Wir sind Euch davon keine Rechnung schuldig.

     Gotz. Ah! Ich dachte nicht, da? Ihr nicht einmal zu dem verbunden seid,
was Ihr versprecht, geschweige -

     Rat.  Unsere Kommission ist, Euch die  Urfehde  vorzulegen.  Unterwerft
Euch dem  Kaiser, und Ihr werdet  einen Weg finden,  um Eurer Gesellen Leben
und Freiheit zu flehen.

     Gotz. Euern Zettel.

     Rat. Schreiber, leset!

     Schreiber. >Ich Gotz  von Berlichingen bekenne offentlich durch  diesen
Brief:  Da?, da  ich mich neulich  gegen  Kaiser und Reich rebellischerweise
aufgelehnt< -

     Gotz.  Das ist  nicht  wahr.  Ich  bin kein  Rebell,  habe  gegen  Ihro
Kaiserliche Majestat nichts verbrochen, und das Reich geht mich nichts an.

     Rat. Ma?igt Euch und hort weiter.

     Gotz. Ich will nichts weiter  horen. Tret einer auf und zeuge! Hab  ich
wider den Kaiser, wider das Haus Osterreich nur einen Schritt getan? Hab ich
nicht von  jeher  durch  alle Handlungen bewiesen,  da? ich besser als einer
fuhle, was Deutschland seinen Regenten schuldig  ist? und  besonders was die
Kleinen, die Ritter  und Freien, ihrem Kaiser schuldig  sind? Ich mu?te  ein
Schurke sein, wenn ich mich konnte bereden lassen, das zu unterschreiben.

     Rat. Und doch haben wir gemessene Ordre, Euch in der Gute zu uberreden,
oder im Entstehungsfall Euch in den Turn zu werfen.

     Gotz. In Turn? mich?

     Rat.  Und  daselbst  konnt  Ihr  Euer Schicksal von  der  Gerechtigkeit
erwarten, wenn Ihr es nicht aus den Handen der Gnade empfangen wollt.

     Gotz. In  Turn! Ihr mi?braucht die Kaiserliche Gewalt. In Turn! Das ist
sein Befehl nicht. Was! mir erst,  die  Verrater! eine Falle zu stellen, und
ihren  Eid,  ihr ritterlich  Wort  zum  Speck  drin  aufzuhangen!  Mir  dann
ritterlich Gefangnis zusagen, und die Zusage wieder brechen.

     Rat. Einem Rauber sind wir keine Treue schuldig.

     Gotz.  Trugst  du  nicht  das  Ebenbild  des Kaisers, das  ich  in  dem
gesudeltsten Konterfei verehre, du solltest mir den Rauber fressen oder dran
erwurgen! Ich bin in einer ehrlichen Fehd begriffen. Du konntest Gott danken
und dich vor der Welt gro? machen, wenn du in deinem Leben eine so  edle Tat
getan hattest, wie die ist, um welcher willen ich gefangen sitze.

     Rat (winkt dem Ratsherrn, der zieht die Schelle).

     Gotz. Nicht um des  leidigen  Gewinsts willen, nicht um Land und  Leute
unbewehrten Kleinen  wegzukapern,  bin  ich  ausgezogen.  Meinen  Jungen  zu
befreien, und mich meiner Haut zu wehren! Seht Ihr was Unrechts dran? Kaiser
und Reich hatten unsere Not nicht in ihrem Kopfkissen gefuhlt. Ich habe Gott
sei Dank noch eine Hand, und habe wohl getan, sie zu brauchen.

     (Burger treten herein, Stangen in der Hand, Wehren an der Seite.)

     Gotz. Was soll das?

     Rat. Ihr wollt nicht horen. Fangt ihn!

     Gotz. Ist das die Meinung? Wer kein ungrischer Ochs ist, komm mir nicht
zu nah! Er soll von dieser meiner rechten eisernen Hand eine solche Ohrfeige
kriegen, die  ihm Kopfweh,  Zahnweh und alles  Weh der  Erden aus dem  Grund
kurieren soll. (Sie machen sich an ihn,  er schlagt den einen  zu Boden, und
rei?t einem andern die Wehre von  der Seite,  sie weichen.) Kommt! Kommt! Es
ware mir angenehm, den Tapfersten unter euch kennenzulernen.

     Rat. Gebt Euch.

     Gotz. Mit dem  Schwert in  der Hand! Wi?t Ihr,  da? es jetzt nur an mir
lage, mich durch alle diese Hasenjager durchzuschlagen und das weite Feld zu
gewinnen? Aber  ich  will  Euch  lehren, wie  man Wort halt. Versprecht  mir
ritterlich Gefangnis, und ich  gebe mein Schwert weg und bin wie vorher Euer
Gefangener.

     Rat. Mit dem Schwert in der Hand wollt Ihr mit dem Kaiser rechten?

     Gotz. Behute Gott! Nur mit  Euch und Eurer edlen Kompanie.  - Ihr konnt
nach Hause gehn, gute Leute. Fur die  Versaumnis  kriegt ihr nichts, und  zu
holen ist hier nichts als Beulen.

     Rat. Greift ihn. Gibt euch eure Liebe zu euerm Kaiser nicht mehr Mut?

     Gotz.  Nicht mehr, als ihnen der  Kaiser  Pflaster gibt, die Wunden  zu
heilen, die sich ihr Mut holen konnte.

     (Gerichtsdiener kommt.)

     Gerichtsdiener. Eben ruft der Turner:  es zieht ein Trupp  von mehr als
zweihunderten nach  der  Stadt zu.  Unversehens sind sie hinter der Weinhohe
hervorgedrungen und drohen unsern Mauern.

     Ratsherr. Weh uns! was ist das?

     (Wache kommt.)

     Wache. Franz von Sickingen halt vor dem  Schlag und la?t euch sagen: Er
habe gehort,  wie  unwurdig man an seinem Schwager bundbruchig geworden sei,
wie die Herrn von Heilbronn allen Vorschub taten. Er  verlange Rechenschaft,
sonst wolle er binnen  einer Stunde die Stadt an vier Ecken anzunden und sie
der Plunderung preisgeben.

     Gotz. Braver Schwager!

     Rat. Tretet ab, Gotz! - Was ist zu tun?

     Ratsherr.  Habt Mitleiden  mit uns und unserer  Burgerschaft! Sickingen
ist unbandig in seinem Zorn, er ist Mann, es zu halten.

     Rat. Sollen wir uns und dem Kaiser die Gerechtsame vergeben?

     Hauptmann. Wenn wir nur Leute hatten, sie zu behaupten. So aber konnten
wir umkommen,  und die Sache ware  nur  desto  schlimmer.  Wir  gewinnen  im
Nachgeben.

     Ratsherr.  Wir   wollen  Gotzen  ansprechen,   fur  uns  ein  gut  Wort
einzulegen. Mir ist's, als wenn ich die Stadt schon in Flammen sahe.

     Rat. La?t Gotzen herein.

     Gotz. Was soll's?

     Rat. Du  wurdest  wohl  tun,  deinen  Schwager von seinem  rebellischen
Vorhaben  abzumahnen. Anstatt  dich vom Verderben zu retten, sturzt  er dich
tiefer hinein, indem er sich zu deinem Falle gesellt.

     Gotz (sieht Elisabeth an der Tur, heimlich zu ihr). Geh hin!  Sag  ihm:
er soll unverzuglich  hereinbrechen, soll hieher kommen, nur der Stadt  kein
Leids tun. Wenn sich die Schurken hier widersetzen, soll er Gewalt brauchen.
Es liegt mir nichts dran umzukommen, wenn sie nur alle mit erstochen werden.


     Ein gro?er Saal auf dem Rathaus
     Sickingen. Gotz.
     Das ganze Rathaus ist mit Sickingens Reitern besetzt.

     Gotz.  Das  war  Hulfe  vom Himmel! Wie  kommst  du  so  erwunscht  und
unvermutet, Schwager?

     Sickingen. Ohne Zauberei. Ich hatte  zwei, drei Boten ausgeschickt,  zu
horen,  wie dir's ginge? Auf die Nachricht von ihrem Meineid macht ich  mich
auf den Weg. Nun haben wir sie.

     Gotz. Ich verlange nichts als ritterliche Haft.

     Sickingen. Du  bist  zu  ehrlich.  Dich nicht  einmal des  Vorteils  zu
bedienen, den  der Rechtschaffene uber  den  Meineidigen hat! Sie sitzen  im
Unrecht, wir wollen ihnen keine Kissen unterlegen. Sie haben die Befehle des
Kaisers schandlich mi?braucht.  Und wie ich Ihro Majestat kenne,  darfst  du
sicher auf mehr dringen. Es ist zu wenig.

     Gotz. Ich bin von jeher mit wenigem zufrieden gewesen.

     Sickingen. Und bist von jeher zu kurz gekommen. Meine  Meinung ist: sie
sollen deine Knechte  aus dem Gefangnis und dich zusamt ihnen auf deinen Eid
nach  deiner Burg  ziehen lassen. Du magst  versprechen,  nicht  aus  deiner
Terminei zu gehen, und wirst immer besser sein als hier.

     Gotz. Sie werden sagen: Meine Guter seien dem Kaiser heimgefallen.

     Sickingen. So sagen wir: Du wolltest zur Miete drin wohnen, bis sie dir
der  Kaiser wieder zu  Lehn gabe. La? sie sich wenden wie Aale in der Reuse,
sie  sollen uns  nicht entschlupfen. Sie werden  von  Kaiserlicher  Majestat
reden, von ihrem Auftrag.  Das kann uns  einerlei sein. Ich kenne den Kaiser
auch und gelte was bei ihm. Er hat immer gewunscht, dich  unter seinem  Heer
zu haben.  Du wirst  nicht  lang  auf deinem  Schlosse sitzen, so  wirst  du
aufgerufen werden.

     Gotz. Wollte Gott bald, eh ich 's Fechten verlerne.

     Sickingen. Der Mut verlernt sich nicht, wie er  sich nicht lernt. Sorge
fur nichts! Wenn deine Sachen  in  der Ordnung sind, geh ich nach  Hof, denn
meine  Unternehmung  fangt an reif zu werden. Gunstige Aspekten  deuten mir:
>Brich auf!<  Es  ist  mir  nichts ubrig,  als die Gesinnung des Kaisers  zu
sondieren. Trier  und Pfalz vermuten eher  des  Himmels Einfall, als da? ich
ihnen ubern Kopf kommen werde. Und ich will kommen wie  ein Hagelwetter! Und
wenn wir unser Schicksal machen konnen, so sollst du bald der Schwager eines
Kurfursten sein. Ich hoffte auf deine Faust bei dieser Unternehmung.

     Gotz (besieht  seine Hand).  Oh! das deutete der Traum,  den ich hatte,
als  ich  tags darauf Marien an Weislingen versprach. Er sagte  mir Treu zu,
und hielt  meine rechte Hand so fest, da? sie aus den Armschienen  ging, wie
abgebrochen. Ach!  Ich bin in diesem Augenblick wehrloser, als  ich  war, da
sie mir abgeschossen wurde. Weislingen! Weislingen!

     Sickingen.   Vergi?   einen   Verrater.  Wir  wollen  seine   Anschlage
vernichten,  sein Ansehn untergraben, und Gewissen und Schande sollen ihn zu
Tode  fressen.  Ich  seh,  ich  seh im  Geist  meine  Feinde,  deine  Feinde
niedergesturzt. Gotz, nur noch ein halb Jahr!

     Gotz. Deine Seele fliegt hoch. Ich wei? nicht; seit einiger Zeit wollen
sich in der meinigen keine frohlichen  Aussichten eroffnen.  - Ich war schon
mehr im  Ungluck, schon einmal  gefangen, und so,  wie mir's jetzt  ist, war
mir's niemals.

     Sickingen. Gluck macht Mut. Kommt zu den Perucken! Sie haben lang genug
den Vortrag gehabt, la? uns einmal die Muh ubernehmen. (Ab.)


     Adelheidens Schlo?
     Adelheid. Weislingen.

     Adelheid. Das ist verha?t!

     Weislingen.   Ich  hab  die  Zahne  zusammengebissen.  Ein  so  schoner
Anschlag, so glucklich vollfuhrt, und am Ende ihn auf sein Schlo? zu lassen!
Der verdammte Sickingen!

     Adelheid. Sie hatten's nicht tun sollen.

     Weislingen. Sie sa?en  fest. Was  konnten sie machen? Sickingen  drohte
mit  Feuer und Schwert, der hochmutige  jahzornige Mann!  Ich ha?  ihn. Sein
Ansehn nimmt zu wie ein Strom, der nur einmal ein  paar Bache gefressen hat,
die ubrigen folgen von selbst.

     Adelheid. Hatten sie keinen Kaiser?

     Weislingen. Liebe Frau! Er ist nur  der Schatten davon, er wird alt und
mi?mutig.  Wie  er  horte,  was geschehen war,  und  ich  nebst den  ubrigen
Regimentsraten  eiferte, sagte er: >La?t ihnen Ruh! Ich kann dem alten  Gotz
wohl  das Platzchen gonnen,  und wenn er da still ist, was habt ihr uber ihn
zu klagen?< Wir redeten vom Wohl des Staats. >Oh!< sagt'  er, >hatt' ich von
jeher Rate  gehabt, die meinen unruhigen Geist mehr auf das  Gluck einzelner
Menschen gewiesen hatten!<

     Adelheid. Er verliert den Geist eines Regenten.

     Weislingen. Wir zogen auf Sickingen los. - >Er ist mein treuer Diener<,
sagt' er; >hat er's nicht  auf meinen  Befehl getan,  so  tat er doch besser
meinen Willen als meine Bevollmachtigten, und ich kann's guthei?en, vor oder
nach.<

     Adelheid. Man mochte sich zerrei?en.

     Weislingen. Ich habe  deswegen noch nicht alle  Hoffnung aufgegeben. Er
ist  auf  sein  ritterlich Wort auf sein  Schlo? gelassen,  sich da still zu
halten. Das ist ihm unmoglich; wir wollen bald eine Ursach wider ihn haben.

     Adelheid. Und desto eher, da wir  hoffen konnen, der Kaiser  werde bald
aus der Welt  gehn, und  Karl, sein trefflicher  Nachfolger, majestatischere
Gesinnungen verspricht.

     Weislingen. Karl? Er ist noch weder gewahlt noch gekront.

     Adelheid. Wer wunscht und hofft es nicht?

     Weislingen. Du hast einen gro?en Begriff von seinen Eigenschaften; fast
sollte man denken, du sahest sie mit andern Augen.

     Adelheid. Du beleidigst mich, Weislingen. Kennst du mich fur das?

     Weislingen.  Ich sagte nichts dich  zu beleidigen.  Aber schweigen kann
ich nicht dazu. Karls ungewohnliche Aufmerksamkeit fur dich beunruhigt mich.

     Adelheid. Und mein Betragen?

     Weislingen. Du bist ein Weib. Ihr ha?t keinen, der euch hofiert.

     Adelheid. Aber ihr?

     Weislingen.  Er  fri?t  mir  am  Herzen,  der  furchterliche   Gedanke!
Adelheid!

     Adelheid. Kann ich deine Torheit kurieren?

     Weislingen. Wenn du wolltest! Du konntest dich vom Hof entfernen.

     Adelheid. Sage Mittel und Art. Bist du  nicht bei  Hofe? Soll  ich dich
lassen  und meine  Freunde,  um  auf  meinem  Schlo? mich  mit den  Uhus  zu
unterhalten? Nein, Weislingen, daraus wird nichts.  Beruhige dich, du wei?t,
wie ich dich liebe.

     Weislingen. Der heilige Anker in diesem Sturm, solang  der Strick nicht
rei?t. (Ab.)

     Adelheid. Fangst du's so an! Das fehlte noch. Die Unternehmungen meines
Busens sind zu gro?, als da? du ihnen im Wege stehen solltest.  Karl! Gro?er
trefflicher Mann, und Kaiser dereinst! und  sollte er der einzige sein unter
den Mannern, dem der  Besitz  meiner Gunst nicht  schmeichelte?  Weislingen,
denke nicht mich zu hindern, sonst mu?t  du in den Boden, mein Weg geht uber
dich hin.

     (Franz kommt mit einem Brief.)

     Franz. Hier, gnadige Frau.

     Adelheid. Gab dir Karl ihn selbst?

     Franz. Ja.

     Adelheid. Was hast du? Du siehst so kummervoll.

     Franz.  Es  ist  Euer  Wille, da?  ich mich totschmachten  soll; in den
Jahren der Hoffnung macht Ihr mich verzweifeln.

     Adelheid. Er dauert  mich - und wie  wenig kostet's mich, ihn glucklich
zu  machen! Sei gutes Muts,  Junge. Ich fuhle deine Lieb und Treu, und werde
nie unerkenntlich sein.

     Franz  (beklemmt). Wenn Ihr das fahig  wart,  ich mu?te  vergehn.  Mein
Gott, ich habe keinen Blutstropfen in mir, der nicht Euer ware, keinen Sinn,
als Euch zu lieben und zu tun, was Euch gefallt!

     Adelheid. Lieber Junge!

     Franz.  Ihr  schmeichelt  mir.  (In  Tranen  ausbrechend.)  Wenn  diese
Ergebenheit  nichts mehr  verdient, als andere sich  vorgezogen zu sehn, als
Eure Gedanken alle nach dem Karl gerichtet zu sehn -

     Adelheid. Du wei?t nicht, was du willst, noch weniger, was du redst.

     Franz (vor Verdru? und Zorn mit dem Fu? stampfend). Ich will auch nicht
mehr. Will nicht mehr den Unterhandler abgeben.

     Adelheid. Franz! Du vergi?t dich.

     Franz. Mich aufzuopfern! Meinen lieben Herrn!

     Adelheid. Geh mir aus dem Gesicht.

     Franz. Gnadige Frau!

     Adelheid. Geh, entdecke deinem lieben Herrn mein Geheimnis. Ich war die
Narrin, dich fur was zu halten, das du nicht bist.

     Franz. Liebe gnadige Frau, Ihr wi?t, da? ich Euch liebe.

     Adelheid. Und du warst mein Freund, meinem Herzen so  nahe. Geh, verrat
mich.

     Franz. Eher wollt ich mir das Herz aus dem Leibe rei?en!  Verzeiht mir,
gnadige Frau. Mein Herz ist zu voll, meine Sinnen halten's nicht aus.

     Adelheid. Lieber warmer Junge! (Fa?t ihn  bei den Handen, zieht ihn  zu
sich, und ihre Kusse begegnen einander; er fallt ihr weinend um den Hals.)

     Adelheid. La? mich!

     Franz (erstickend in Tranen an ihrem Hals). Gott! Gott!

     Adelheid. La?  mich, die Mauern sind  Verrater. La?  mich.  (Macht sich
los.) Wanke nicht von deiner Lieb und Treu,  und  der schonste Lohn soll dir
werden. (Ab.)

     Franz.  Der  schonste Lohn! Nur  bis dahin la? mich  leben! Ich  wollte
meinen Vater ermorden, der mir diesen Platz streitig machte.


     Jagsthausen
     Gotz  an einem Tisch. Elisabeth bei  ihm mit der Arbeit;  es steht  ein
Licht auf dem Tisch und Schreibzeug.

     Gotz.  Der  Mu?iggang  will   mir  gar   nicht  schmecken,   und  meine
Beschrankung  wird mir von Tag zu Tag  enger; ich wollt, ich konnt schlafen,
oder mir nur einbilden, die Ruhe sei was Angenehmes.

     Elisabeth.  So schreib  doch deine  Geschichte aus,  die  du angefangen
hast.  Gib  deinen  Freunden  ein  Zeugnis  in die  Hand,  deine  Feinde  zu
beschamen; verschaff einer edlen Nachkommenschaft die  Freude, dich nicht zu
verkennen.

     Gotz. Ach! Schreiben ist geschaftiger Mu?iggang, es kommt mir sauer an.
Indem ich schreibe, was ich getan, arger ich mich uber den Verlust der Zeit,
in der ich etwas tun konnte.

     Elisabeth  (nimmt die  Schrift). Sei nicht wunderlich. Du bist  eben an
deiner ersten Gefangenschaft in Heilbronn.

     Gotz. Das war mir von jeher ein fataler Ort.

     Elisabeth  (liest).  >Da waren selbst einige von den Bundischen, die zu
mir sagten: ich habe torig getan, mich meinen argsten Feinden zu stellen, da
ich doch  vermuten  konnte, sie wurden nicht glimpflich mit  mir umgehn;  da
antwortet ich:< Nun, was antwortetest du? Schreibe weiter.

     Gotz. Ich sagte: >Setz  ich so oft  meine Haut an anderer Gut und Geld,
sollt ich sie nicht an mein Wort setzen?<

     Elisabeth. Diesen Ruf hast, du.

     Gotz. Den  sollen  sie mir nicht nehmen! Sie haben mir alles  genommen,
Gut, Freiheit -

     Elisabeth.  Es  fallt in die  Zeiten,  wie ich  die  von Miltenberg und
Singlingen in der Wirtsstube fand, die mich nicht kannten. Da hatt' ich eine
Freude,  als  wenn  ich  einen   Sohn  geboren  hatte.  Sie   ruhmten   dich
untereinander und sagten: >Er ist das Muster eines Ritters, tapfer  und edel
in seiner Freiheit< und gelassen und treu im Ungluck.<

     Gotz. Sie sollen mir einen  stellen, dem ich mein  Wort gebrochen!  Und
Gott wei?, da? ich mehr geschwitzt hab, meinem Nachsten  zu dienen, als mir,
da? ich um den Namen eines tapfern und treuen Ritters gearbeitet habe, nicht
um hohe Reichtumer und Rang zu gewinnen. Und Gott sei Dank, worum  ich warb,
ist mir worden.

     (Lerse. Georg mit Wildbret.)

     Gotz. Gluck zu, brave Jager!

     Georg. Das sind  wir aus braven Reitern  geworden.  Aus Stiefeln machen
sich leicht Pantoffeln.

     Lerse. Die Jagd ist doch immer was, und eine Art von Krieg.

     Georg.  Wenn man nur  hierzulande nicht immer mit Reichsknechten zu tun
hatte. Wi?t Ihr, gnadiger Herr, wie Ihr uns prophezeitet: wenn sich die Welt
umkehrte, wurden wir Jager werden. Da sind wir's ohne das.

     Gotz. Es kommt auf eins hinaus, wir sind aus unserm Kreise geruckt.

     Georg. Es sind bedenkliche Zeiten.  Schon seit acht Tagen la?t sich ein
furchterlicher Komet  sehen,  und ganz  Deutschland ist in Angst, es bedeute
den Tod des Kaisers, der sehr krank ist.

     Gotz. Sehr krank! Unsere Bahn geht zu Ende.

     Lerse. Und  hier in der Nahe gibt's noch schrecklichere  Veranderungen.
Die Bauern haben einen entsetzlichen Aufstand erregt.

     Gotz. Wo?

     Lerse. Im Herzen von  Schwaben.  Sie  sengen, brennen  und morden.  Ich
furchte, sie verheeren das ganze Land.

     Georg. Einen furchterlichen Krieg gibt's. Es sind schon an  die hundert
Ortschaften  aufgestanden, und taglich mehr. Der Sturmwind neulich hat ganze
Walder ausgerissen, und kurz darauf  hat man in der Gegend,  wo der Aufstand
begonnen, zwei feurige Schwerter kreuzweis in der Luft gesehn.

     Gotz. Da leiden  von meinen  guten Herrn und Freunden gewi?  unschuldig
mit!

     Georg. Schade, da? wir nicht reiten durfen!

     Funfter Akt
     Bauernkrieg. Tumult in einem Dorf und Plunderung
     Weiber und Alte mit Kindern und Gepacke. Flucht.

     Alter. Fort! Fort! da? wir den Mordhunden entgehen.

     Weib. Heiliger Gott, wie blutrot der Himmel ist, die untergehende Sonne
blutrot!

     Mutter. Das bedeut Feuer.

     Weib. Mein Mann! Mein Mann!

     Alter. Fort! Fort! In Wald!

     (Ziehen vorbei. - Link.)

     Link. Was sich widersetzt, niedergestochen! Das Dorf ist unser. Da? von
Fruchten nichts umkommt, nichts zuruckbleibt. Plundert rein aus und schnell!
Wir zunden gleich an.

     (Metzler vom Hugel heruntergelaufen.)

     Metzler. Wie geht's Euch, Link?

     Link. Drunter und druber, siehst du, du kommst zum Kehraus. Woher?

     Metzler. Von Weinsberg. Da war ein Fest.

     Link. Wie?

     Metzler. Wir haben sie zusammengestochen, da? eine Lust war.

     Link. Wen alles?

     Metzler. Dietrich  von  Weiler tanzte  vor. Der Fratz!  Wir  waren  mit
hellem wutigem Hauf herum, und er oben auf'm Kirchturn wollt gutlich mit uns
handeln. Paff! Scho? ihn einer vorn Kopf.  Wir  hinauf  wie  Wetter, und zum
Fenster herunter mit dem Kerl.

     Link. Ah!

     Metzler (zu den Bauern). Ihr Hund', soll ich euch Bein' machen! Wie sie
zaudern und trenteln, die Esel.

     Link. Brennt an! sie mogen drin braten! Fort! Fahrt zu, ihr Schlingel!

     Metzler. Darnach  fuhrten wir heraus den  Helfenstein, den Eltershofen,
an die dreizehn  von Adel,  zusammen auf achtzig. Herausgefuhrt auf die Ebne
gegen  Heilbronn.  Das  war  ein  Jubilieren  und  ein  Tumultuieren von den
Unsrigen,  wie  die  lange  Reih  arme  reiche   Sunder  daherzog,  einander
anstarrten, und Erd und Himmel! Umringt waren sie,  ehe sie sich's versahen,
und alle mit Spie?en niedergestochen.

     Link. Da? ich nicht dabei war!

     Metzler. Hab mein Tag so kein Gaudium gehabt.

     Link. Fahrt zu! Heraus!

     Bauer. Alles ist leer.

     Link. So brennt an allen Ecken.

     Metzler. Wird ein  hubsch  Feuerchen geben. Siehst du,  wie  die  Kerls
ubereinanderpurzelten und quiekten  wie die  Frosche!  Es  lief mir so  warm
ubers Herz wie ein Glas Branntwein! Da war ein Rixinger, wenn der Kerl sonst
auf die Jagd ritt,  mit  dem Federbusch und weiten  Naslochern, und  uns vor
sich hertrieb mit den Hunden und wie die Hunde. Ich hatt' ihn die Zeit nicht
gesehen,  sein Fratzengesicht fiel  mir  recht  auf.  Hasch!  den Spie?  ihm
zwischen die Rippen, da lag er, streckt' alle vier  uber seine Gesellen. Wie
die Hasen beim Treibjagen zuckten die Kerls ubereinander.

     Link. Raucht schon brav.

     Metzler. Dort hinten brennt's.  La? uns mit der Beute  gelassen zu  dem
gro?en Haufen ziehen.

     Link. Wo halt er?

     Metzler. Von Heilbronn hieher zu. Sie sind um einen Hauptmann verlegen,
vor dem alles Volk Respekt hatt'. Denn wir sind  doch nur ihresgleichen, das
fuhlen sie und werden schwurig.

     Link. Wen meinen sie?

     Metzler. Max Stumpf oder Gotz von Berlichingen.

     Link. Das war  gut,  gab auch der Sache einen  Schein, wenn's  der Gotz
tat; er hat  immer fur einen rechtschaffnen Ritter gegolten.  Auf! Auf!  wir
ziehen nach Heilbronn zu! Ruft's herum.

     Metzler. Das  Feuer leucht uns  noch eine  gute Strecke.  Hast  du  den
gro?en Kometen gesehen?

     Link. Ja. Das ist ein grausam erschrecklich Zeichen! Wenn wir die Nacht
durch ziehen, konnen wir ihn recht sehen. Er geht gegen eins auf.

     Metzler.  Und bleibt nur funf Viertelstunden. Wie  ein gebogner Arm mit
einem Schwert sieht er aus, so blutgelbrot.

     Link. Hast du die drei Stern gesehen an des Schwerts Spitze und Seite?

     Metzler. Und der breite wolkenfarbige Streif,  mit tausend  und tausend
Striemen wie Spie?', und dazwischen wie kleine Schwerter.

     Link. Mir hat's gegraust. Wie das alles so bleichrot, und darunter viel
feurige helle Flamme, und  dazwischen die  grausamen Gesichter  mit  rauchen
Hauptern und Barten!

     Metzler.  Hast  du  die  auch  gesehen?  Und  das  zwitzert   alles  so
durcheinander,  als   lag's   in  einem   blutigen   Meere,   und   arbeitet
durcheinander, da? einem die Sinne vergehn!

     Link. Auf! Auf! (Ab.)


     Feld
     Man sieht in der Ferne zwei Dorfer brennen und ein Kloster.

     Kohl. Wild. Max Stumpf. Haufen.

     Max Stumpf.  Ihr  konnt  nicht verlangen, da? ich euer  Hauptmann  sein
soll. Fur mich und euch war's nichts nutze. Ich  bin Pfalzgrafischer Diener;
wie  sollt ich gegen meinen Herrn  fuhren?  Ihr wurdet immer wahnen, ich rat
nicht von Herzen.

     Kohl. Wu?ten wohl, du wurdest Entschuldigung finden.

     (Gotz, Lerse, Georg kommen.)

     Gotz. Was wollt ihr mit mir?

     Kohl. Ihr sollt unser Hauptmann sein.

     Gotz. Soll ich  mein ritterlich Wort  dem Kaiser brechen und aus meinem
Bann gehen?

     Wild. Das ist keine Entschuldigung.

     Gotz.  Und  wenn  ich  ganz frei ware,  und  ihr wollt  handeln wie bei
Weinsberg an den  Edeln und Herrn,  und so forthausen,  wie rings  herum das
Land  brennt  und  blutet,  und  ich  sollt  euch behulflich  sein zu  euerm
schandlichen  rasenden  Wesen  - eher sollt  ihr  mich totschlagen wie einen
wutigen Hund, als da? ich euer Haupt wurde!

     Kohl. Ware das nicht geschehen, es geschahe vielleicht nimmermehr.

     Stumpf. Das war eben das Ungluck, da? sie keinen Fuhrer hatten, den sie
geehrt, und der ihrer  Wut Einhalt  tun konnen. Nimm die Hauptmannschaft an,
ich bitte dich, Gotz.  Die Fursten werden dir Dank wissen, ganz Deutschland.
Es  wird  zum Besten und  Frommen  aller sein.  Menschen und  Lander  werden
geschont werden.

     Gotz. Warum ubernimmst du's nicht?

     Stumpf. Ich hab mich von ihnen losgesagt.

     Kohl.   Wir  haben  nicht  Sattelhenkens  Zeit,  und  langer  unnotiger
Diskurse.  Kurz und gut.  Gotz, sei unser  Hauptmann,  oder  sieh zu  deinem
Schlo? und deiner Haut. Und hiermit zwei Stunden Bedenkzeit. Bewacht ihn.

     Gotz.  Was  braucht's  das! Ich  bin so gut  entschlossen -  jetzt  als
darnach.   Warum  seid   ihr   ausgezogen?   Eure   Rechte   und  Freiheiten
wiederzuerlangen? Was wutet  ihr und verderbt das Land!  Wollt ihr  abstehen
von allen  Ubeltaten und  handeln  als  wackre Leute, die  wissen,  was  sie
wollen, so will ich euch  behulflich sein  zu euern Forderungen und auf acht
Tag euer Hauptmann sein.

     Wild.  Was  geschehen  ist,  ist  in  der  ersten  Hitz geschehen,  und
braucht's deiner nicht, uns kunftig zu hindern.

     Kohl. Auf ein Vierteljahr wenigstens mu?t du uns zusagen.

     Stumpf. Macht vier Wochen, damit konnt ihr beide zufrieden sein.

     Gotz. Meinetwegen.

     Kohl. Eure Hand!

     Gotz. Und gelobt mir, den Vertrag, den ihr mit mir gemacht, schriftlich
an alle Haufen zu senden, ihm bei Strafe streng nachzukommen.

     Wild. Nun ja! Soll geschehen.

     Gotz. So verbind ich mich euch auf vier Wochen.

     Stumpf.  Gluck  zu!  Was  du  tust,  schon  unsern  gnadigen  Herrn den
Pfalzgrafen.

     Kohl  (leise). Bewacht  ihn.  Da? niemand  mit  ihm  rede  au?er  eurer
Gegenwart.

     Gotz. Lerse! Kehr zu meiner Frau. Steh ihr bei. Sie soll bald Nachricht
von mir haben.

     (Gotz, Stumpf, Georg, Lerse, einige Bauern ab. - Metzler, Link kommen.)

     Metzler. Was horen wir von einem Vertrag? Was soll der Vertrag?

     Link. Es ist schandlich, so einen Vertrag einzugehen.

     Kohl. Wir wissen so gut,  was wir wollen, als ihr, und haben zu tun und
zu lassen.

     Wild. Das Rasen und Brennen und Morden mu?te doch einmal aufhoren, heut
oder morgen! so haben wir noch einen braven Hauptmann dazu gewonnen.

     Metzler. Was aufhoren! Du  Verrater! Warum sind wir  da? Uns  an unsern
Feinden  zu rachen, uns  emporzuhelfen! - Das  hat  euch  ein  Furstenknecht
geraten.

     Kohl. Komm, Wild, er ist wie ein Vieh. (Ab.)

     Metzler. Geht  nur! Wird euch  kein Haufen zustehn. Die Schurken! Link,
wir wollen die andern aufhetzen, Miltenberg dort druben anzunden, und wenn's
Handel  setzt wegen des Vertrags, schlagen wir den  Vertragern zusammen  die
Kopf ab.

     Link. Wir haben doch den gro?en Haufen auf unsrer Seite.


     Berg und Tal. Eine Muhle in der Tiefe
     Ein  Trupp Reiter. Weislingen kommt aus der Muhle mit Franzen und einem
Boten.

     Weislingen. Mein Pferd! - Ihr habt's den andern Herrn auch angesagt?

     Bote.  Wenigstens sieben  Fahnlein werden mit Euch eintreffen,  im Wald
hinter  Miltenberg.  Die Bauern  ziehen  unten  herum.  Uberall  sind  Boten
ausgeschickt, der  ganze  Bund wird in kurzem zusammen  sein.  Fehlen kann's
nicht; man sagt, es sei Zwist unter ihnen.

     Weislingen. Desto besser! - Franz!

     Franz. Gnadiger Herr?

     Weislingen. Richt  es punktlich aus. Ich bind es  dir auf  deine Seele.
Gib ihr den Brief. Sie soll vom Hof auf mein Schlo?! Sogleich! Du sollst sie
abreisen sehn, und mir's dann melden.

     Franz. Soll geschehen, wie Ihr befehlt.

     Weislingen. Sag  ihr, sie soll  wollen. (Zum Boten.) Fuhrt  uns nun den
nachsten und besten Weg.

     Bote. Wir mussen umziehen. Die Wasser sind von den entsetzlichen  Regen
alle ausgetreten.


     Jagsthausen
     Elisabeth. Lerse.

     Lerse. Trostet Euch, gnadige Frau!

     Elisabeth.  Ach,  Lerse, die Tranen stunden ihm in den  Augen,  wie  er
Abschied von mir nahm. Es ist grausam, grausam!

     Lerse. Er wird zuruckkehren.

     Elisabeth.  Es  ist  nicht  das.  Wenn  er auszog, ruhmlichen  Sieg  zu
erwerben,  da war  mir's nicht  weh ums  Herz.  Ich  freute  mich auf  seine
Ruckkunft, vor der mir jetzt bang ist.

     Lerse. Ein so edler Mann -

     Elisabeth. Nenn ihn nicht so, das macht neu Elend. Die Bosewichter! Sie
drohten, ihn zu ermorden, und sein Schlo? anzuzunden. - Wenn er wiederkommen
wird  -  ich  seh  ihn  finster,  finster.  Seine  Feinde  werden lugenhafte
Klagartikel schmieden, und er wird nicht sagen konnen: Nein!

     Lerse. Er wird und kann.

     Elisabeth. Er hat seinen Bann gebrochen. Sag Nein!

     Lerse. Nein! Er ward gezwungen; wo ist der Grund, ihn zu verdammen?

     Elisabeth. Die Bosheit sucht keine Grunde, nur Ursachen. Er hat sich zu
Rebellen,  Missetatern, Mordern gesellt, ist an ihrer  Spitze  gezogen. Sage
Nein!

     Lerse. La?t ab, Euch zu qualen und mich. Haben  sie ihm nicht feierlich
zugesagt,  keine Tathandlungen mehr zu  unternehmen,  wie die bei Weinsberg?
Hort  ich  sie nicht  selbst  halbreuig sagen: Wenn's  nicht  geschehen war,
geschah's vielleicht nie? Mu?ten nicht  Fursten und  Herrn  ihm Dank wissen,
wenn  er freiwillig  Fuhrer eines  unbandigen  Volks geworden ware, um ihrer
Raserei Einhalt zu tun und so viel Menschen und Besitztumer zu schonen?

     Elisabeth.   Du   bist   ein  liebevoller  Advokat.  -   Wenn  sie  ihn
gefangennahmen, als Rebell  behandelten, und sein  graues Haupt - Lerse, ich
mochte von Sinnen kommen.

     Lerse.  Sende ihrem  Korper Schlaf, lieber Vater der  Menschen, wenn du
ihrer Seele keinen Trost geben willst!

     Elisabeth.  Georg  hat versprochen, Nachricht zu  bringen. Er wird auch
nicht  durfen,  wie  er  will.  Sie sind arger  als gefangen. Ich wei?,  man
bewacht sie wie  Feinde. Der  gute  Georg! Er wollte nicht  von seinem Herrn
weichen.

     Lerse.  Das Herz blutete mir,  wie er  mich von sich schickte. Wenn Ihr
nicht meiner Hulfe bedurftet, alle Gefahren des schmahlichsten Todes sollten
mich nicht von ihm getrennt haben.

     Elisabeth. Ich  wei? nicht, wo Sickingen ist. Wenn ich nur Marien einen
Boten schicken konnte.

     Lerse. Schreibt nur, ich will dafur sorgen. (Ab.)


     Bei einem Dorf
     Gotz. Georg.

     Gotz. Geschwind zu Pferde, Georg! ich sehe Miltenberg  brennen.  Halten
sie so  den Vertrag? Reit hin,  sag ihnen  die Meinung. Die Mordbrenner! Ich
sage  mich von  ihnen los. Sie  sollen einen  Zigeuner zum Hauptmann machen,
nicht mich.  Geschwind, Georg. (Georg  ab.) Wollt,  ich  ware tausend Meilen
davon, und lag im  tiefsten Turn, der  in  der Turkei steht.  Konnt  ich mit
Ehren von ihnen kommen!  Ich fahr  ihnen alle Tag  durch den Sinn, sag ihnen
die  bittersten  Wahrheiten,  da?  sie  mein  mude werden und mich  erlassen
sollen.

     (Ein Unbekannter.)

     Unbekannter. Gott gru? Euch, sehr edler Herr.

     Gotz. Gott dank Euch. Was bringt Ihr? Euern Namen?

     Unbekannter. Der tut nichts  zur  Sache. Ich komme,  Euch zu sagen, da?
Euer  Kopf in Gefahr  ist.  Die Anfuhrer sind  mude, sich von  Euch so harte
Worte geben zu lassen, haben beschlossen, Euch aus dem Weg zu raumen. Ma?igt
Euch oder seht zu entwischen, und Gott geleit Euch. (Ab.)

     Gotz. Auf diese Art dein Leben zu lassen, Gotz, und so zu enden! Es sei
drum! So  ist  mein Tod  der  Welt das  sicherste  Zeichen, da?  ich  nichts
Gemeines mit den Hunden gehabt habe.

     (Einige Bauern.)

     Erster Bauer. Herr, Herr! Sie sind geschlagen, sie sind gefangen.

     Gotz. Wer?

     Zweiter  Bauer.  Die  Miltenberg  verbrannt  haben.  Es  zog  sich  ein
Bundischer Trupp hinter dem Berg hervor und uberfiel sie auf einmal.

     Gotz. Sie erwartet ihr Lohn.  - O Georg! Georg! - Sie haben ihn mit den
Bosewichtern gefangen - Mein Georg! Mein Georg! -

     (Anfuhrer kommen.)

     Link. Auf, Herr Hauptmann, auf! Es  ist nicht  Saumens  Zeit. Der Feind
ist in der Nahe und machtig.

     Gotz. Wer verbrannte Miltenberg?

     Metzler. Wenn Ihr Umstande machen wollt, so wird man  Euch weisen,  wie
man keine macht.

     Kohl. Sorgt fur unsere Haut und Eure. Auf! Auf!

     Gotz (zu Metzler). Drohst du mir! Du Nichtswurdiger! Glaubst du, da? du
mir furchterlicher  bist, weil  des Grafen  von  Helfenstein Blut  an deinen
Kleidern klebt?

     Metzler. Berlichingen!

     Gotz.  Du  darfst meinen  Namen nennen,  und meine  Kinder werden  sich
dessen nicht schamen.

     Metzler. Mit dir feigem Kerl! Furstendiener!

     Gotz  (haut  ihn  uber  den  Kopf, da?  er  sturzt. Die  andern  treten
dazwischen).

     Kohl. Ihr seid rasend. Der Feind bricht auf allen Seiten 'rein, und ihr
hadert!

     Link. Auf! Auf!

     (Tumult und Schlacht. - Weislingen. Reiter.)

     Weislingen.  Nach! Nach! Sie fliehen. La?t  euch Regen und  Nacht nicht
abhalten. Gotz  ist  unter  ihnen, hor ich.  Wendet  Flei? an, da?  ihr  ihn
erwischt. Er ist schwer verwundet, sagen die Unsrigen. (Die Reiter ab.)  Und
wenn ich dich habe! - Es ist noch Gnade, wenn wir heimlich im Gefangnis dein
Todesurteil  vollstrecken.  - So verlischt er vor dem Andenken der Menschen,
und du kannst freier atmen, torichtes Herz. (Ab.)


     Nacht, im wilden Wald. Zigeunerlager
     Zigeunermutter am Feuer.

     Mutter.  Flick das Strohdach  uber der Grube, Tochter, gibt  hint nacht
noch Regen genug.

     (Knab kommt.)

     Knab. Ein Hamster, Mutter. Da! Zwei Feldmaus.

     Mutter. Will sie dir abziehen  und braten,  und sollst  eine Kapp haben
von den Fellchen. - Du blutst?

     Knab. Hamster hat mich bissen.

     Mutter. Hol  mir durr Holz, da?  das  Feuer  loh brennt wenn dein Vater
kommt, wird na? sein durch und durch.

     (Andre Zigeunerin, ein Kind auf dem Rucken.)

     Erste Zigeunerin. Hast du brav geheischen?

     Zweite Zigeunerin. Wenig genug. Das Land ist voll Tumult herum, da? man
seins Lebens nicht sicher ist. Brennen zwei Dorfer lichterloh.

     Erste Zigeunerin. Ist das dort drunten Brand, der Schein? Seh ihm schon
lang zu. Man ist die Feuerzeichen am Himmel zeither so gewohnt worden.

     (Zigeunerhauptmann, drei Gesellen kommen.)

     Hauptmann. Hort ihr den wilden Jager?

     Erster Zigeuner. Er zieht grad uber uns hin.

     Hauptmann. Wie die Hunde bellen! Wau! Wau!

     Zweiter Zigeuner. Die Peitschen knallen.

     Dritter Zigeuner. Die Jager jauchzen holla ho!

     Mutter. Bringt ja des Teufels sein Gepack!

     Hauptmann. Haben im Truben  gefischt. Die Bauern  rauben  selbst, ist's
uns wohl vergonnt.

     Zweite Zigeunerin. Was hast du, Wolf?

     Wolf.  Einen  Hasen, da,  und einen  Hahn;  ein  Bratspie?;  ein Bundel
Leinwand; drei Kochloffel und ein Pferdzaum.

     Sticks.  Ein wullen  Deck hab  ich, ein Paar Stiefeln,  und  Zunder und
Schwefel.

     Mutter. Ist alles pudelna?, wollen's trocknen, gebt her.

     Hauptmann. Horch, ein Pferd! Geht! Seht, was ist. (Gotz zu Pferd.)

     Gotz.  Gott sei Dank! Dort  seh ich Feuer, sind  Zigeuner. Meine Wunden
verbluten, die Feinde hinterher. Heiliger Gott, du endigst gra?lich mit mir!

     Hauptmann. Ist's Friede da? du kommst?

     Gotz. Ich  flehe Hulfe von euch. Meine Wunden  ermatten mich. Helft mir
vom Pferd!

     Hauptmann. Helf ihm! Ein edler Mann, an Gestalt und Wort.

     Wolf (leise). Es ist Gotz von Berlichingen.

     Hauptmann. Seid willkommen! Alles ist Euer, was wir haben.

     Gotz. Dank Euch.

     Hauptmann. Kommt in mein Zelt.

     Hauptmanns Zelt
     Hauptmann. Gotz.

     Hauptmann. Ruft der Mutter, sie soll Blutwurzel bringen und Pflaster.

     Gotz (legt den Harnisch ab).

     Hauptmann. Hier ist mein Feiertagswams.

     Gotz. Gott lohn's.

     (Mutter verbindt ihn.)

     Hauptmann. Ist mir herzlich lieb, Euch zu haben.

     Gotz. Kennt Ihr mich?

     Hauptmann.  Wer sollte Euch nicht  kennen!  Gotz, unser  Leben und Blut
lassen wir fur Euch.

     (Schricks.)

     Schricks. Kommen durch den Wald Reiter. Sind Bundische.

     Hauptmann.  Eure Verfolger! Sie sollen  nit  bis  zu Euch kommen!  Auf,
Schricks!  Biete den  andern!  Wir kennen die Schliche  besser als  sie, wir
schie?en sie nieder, eh sie uns gewahr werden.

     Gotz (allein). O Kaiser! Kaiser!  Rauber beschutzen  deine Kinder. (Man
hort scharf schie?en.) Die wilden Kerls, starr und treu!

     (Zigeunerin.)

     Zigeunerin. Rettet Euch! Die Feinde uberwaltigen.

     Gotz. Wo ist mein Pferd?

     Zigeunerin. Hierbei.

     Gotz (gurtet sich und sitzt auf ohne Harnisch).  Zum  letztenmal sollen
sie meinen Arm fuhlen. Ich bin so schwach noch nicht. (Ab.)

     Zigeunerin. Er sprengt zu den Unsrigen.

     (Flucht.)

     Wolf. Fort,  fort!  Alles  verloren. Unser Hauptmann  erschossen.  Gotz
gefangen.

     (Geheul der Weiber und Flucht.)


     Adelheidens Schlafzimmer
     Adelheid mit einem Brief.

     Adelheid.  Er,  oder ich! Der Ubermutige! Mir drohen! - Wir  wollen dir
zuvorkommen. Was schleicht durch den Saal? (Es klopft.) Wer ist drau?en?

     (Franz leise.)

     Franz. Macht mir auf, gnadige Frau.

     Adelheid. Franz! Er verdient  wohl,  da? ich  ihm aufmache.  (La?t  ihn
ein.)

     Franz (fallt ihr um den Hals). Liebe gnadige Frau.

     Adelheid. Unverschamter! Wenn dich jemand gehort hatte.

     Franz. O es schlaft alles, alles!

     Adelheid. Was willst du?

     Franz.  Mich  la?t's  nicht  ruhen.  Die  Drohungen  meines Herrn, Euer
Schicksal, mein Herz.

     Adelheid. Er war sehr zornig, als du Abschied nahmst?

     Franz. Als ich ihn nie gesehen. Auf  ihre Guter soll sie, sagt' er, sie
soll wollen.

     Adelheid. Und wir folgen?

     Franz. Ich wei? nichts, gnadige Frau.

     Adelheid.  Betrogener  torichter Junge, du siehst nicht, wo  das hinaus
will.  Hier  wei? er mich in Sicherheit. Denn lange steht's  ihm  schon nach
meiner Freiheit. Er will mich auf  seine Guter. Dort  hat er Gewalt, mich zu
behandeln, wie sein Ha? ihm eingibt.

     Franz. Er soll nicht!

     Adelheid. Wirst du ihn hindern?

     Franz. Er soll nicht!

     Adelheid. Ich seh  mein ganzes Elend voraus. Von seinem Schlo? wird  er
mich mit Gewalt rei?en, wird mich in ein Kloster sperren.

     Franz. Holle und Tod!

     Adelheid. Wirst du mich retten?

     Franz. Eh alles! alles!

     Adelheid (die weinend ihn umhalst). Franz, ach uns zu retten!

     Franz. Er soll nieder, ich will ihm den Fu? auf den Nacken setzen.

     Adelheid. Keine Wut!  Du sollst einen Brief  an ihn haben,  voll Demut,
da? ich gehorche. Und dieses Flaschchen gie? ihm unter das Getrank.

     Franz. Gebt. Ihr sollt frei sein!

     Adelheid.  Frei!  Wenn du nicht mehr  zitternd  auf deinen Zehen zu mir
schleichen wirst - nicht mehr ich angstlich zu dir  sage: >Brich auf, Franz,
der Morgen kommt.<


     Heilbronn, vorm Turn
     Elisabeth. Lerse.

     Lerse. Gott nehm das Elend von Euch, gnadige Frau. Marie ist hier.

     Elisabeth.  Gott  sei  Dank!  Lerse,  wir sind  in entsetzliches  Elend
versunken.  Da  ist's nun,  wie  mir  alles  ahnete! Gefangen,  als  Meuter,
Missetater in den tiefsten Turn geworfen

     Lerse. Ich wei? alles.

     Elisabeth. Nichts, nichts wei?t du, der Jammer ist zu gro?! Sein Alter,
seine Wunden, ein schleichend Fieber und, mehr als alles das, die Finsternis
seiner Seele, da? es so mit ihm enden soll.

     Lerse. Auch, und da? der Weislingen Kommissar ist.

     Elisabeth. Weislingen?

     Lerse.  Man  hat mit  unerhorten  Exekutionen  verfahren.  Metzler  ist
lebendig verbrannt, zu  Hunderten geradert, gespie?t,  gekopft,  geviertelt.
Das Land umher gleicht einer Metzge, wo Menschenfleisch wohlfeil ist.

     Elisabeth. Weislingen Kommissar! O Gott! Ein Strahl von Hoffnung. Marie
soll mir  zu ihm, er kann ihr nichts abschlagen. Er hatte  immer ein weiches
Herz, und  wenn er sie  sehen wird, die er so liebte, die so elend durch ihn
ist - Wo ist sie?

     Lerse. Noch im Wirtshaus.

     Elisabeth. Fuhre mich zu ihr. Sie mu? gleich fort. Ich furchte alles.


     Weislingens Schlo?
     Weislingen.

     Weislingen. Ich bin so krank, so schwach. Alle meine Gebeine sind hohl.
Ein elendes Fieber hat das Mark  ausgefressen. Keine Ruh und Rast, weder Tag
noch  Nacht.  Im halben Schlummer giftige Traume. Die vorige Nacht begegnete
ich Gotzen im Wald. Er zog sein Schwert und forderte  mich heraus. Ich fa?te
nach meinem, die  Hand versagte mir. Da stie? er's in die Scheide,  sah mich
verachtlich an und ging  hinter mich. -  Er ist gefangen, und ich zittre vor
ihm. Elender Mensch! Dein Wort hat ihn zum Tode verurteilt, und du bebst vor
seiner Traumgestalt wie ein Missetater! - Und soll er sterben? - Gotz! Gotz!
- Wir  Menschen fuhren uns nicht selbst; bosen  Geistern  ist Macht uber uns
gelassen,  da?  sie  ihren  hollischen Mutwillen  an  unserm Verderben uben.
(Setzt sich.)  -  Matt! Matt! Wie sind meine  Nagel so  blau!  - Ein kalter,
kalter,  verzehrender Schwei? lahmt mir jedes Glied. Es dreht mir alles vorm
Gesicht. Konnt ich schlafen. Ach -

     (Maria tritt auf.)

     Weislingen. Jesus  Marie!  - La?  mir Ruh! La? mir Ruh! -  Die  Gestalt
fehlte noch! Sie stirbt, Marie stirbt, und zeigt sich mir an. - Verla? mich,
seliger Geist, ich bin elend genug.

     Maria. Weislingen, ich bin kein Geist. Ich bin Marie.

     Weislingen. Das ist ihre Stimme.

     Maria.  Ich  komme,  meines Bruders  Leben von dir zu erflehen.  Er ist
unschuldig, so strafbar er scheint.

     Weisling.  Still, Marie! Du Engel  des Himmels bringst  die Qualen  der
Holle mit dir. Rede nicht fort.

     Maria.  Und  mein Bruder soll  sterben? Weislingen, es ist entsetzlich,
da? ich dir zu sagen  brauche: er ist unschuldig; da? ich jammern mu?,  dich
von dem abscheulichsten Morde zuruckzuhalten.  Deine  Seele  ist bis in ihre
innersten Tiefen von feindseligen Machten besessen. Das ist Adelbert!

     Weislingen.  Du  siehst,  der  verzehrende  Atem  des  Todes  hat  mich
angehaucht,  meine Kraft sinkt  nach dem Grabe. Ich  sturbe als ein Elender,
und du kommst, mich in Verzweiflung zu sturzen. Wenn ich reden  konnte, dein
hochster Ha? wurde in Mitleid und Jammer zerschmelzen. O Marie! Marie!

     Maria. Weislingen, mein Bruder verkranket im Gefangnis.  Seine schweren
Wunden, sein Alter. Und wenn du fahig warst, sein graues Haupt - Weislingen,
wir wurden verzweifeln.

     Weislingen. Genug. (Zieht die Schelle.)

     (Franz in au?erster Bewegung.)

     Franz. Gnadiger Herr.

     Weislingen. Die Papiere dort, Franz!

     Franz (bringt sie).

     Weislingen (rei?t ein Paket auf und zeigt  Marien ein Papier). Hier ist
deines Bruders Todesurteil unterschrieben.

     Maria. Gott im Himmel!

     Weislingen.  Und  so  zerrei?  ich's!  Er  lebt. Aber kann  ich  wieder
schaffen, was  ich  zerstort  habe? Weine nicht so,  Franz! Guter Junge, dir
geht mein Elend tief zu Herzen.

     Franz (wirft sich vor ihm nieder und fa?t seine Knie).

     Maria (vor  sich). Er  ist sehr krank.  Sein  Anblick zerrei?t  mir das
Herz. Wie liebt ich ihn! und nun ich ihm nahe, fuhl ich, wie lebhaft.

     Weislingen.  Franz, steh  auf  und la?  das  Weinen!  Ich  kann  wieder
aufkommen. Hoffnung ist bei den Lebenden.

     Franz. Ihr werdet nicht. Ihr mu?t sterben.

     Weislingen. Ich mu??

     Franz  (au?er sich). Gift!  Gift!  Von Euerm Weibe! -  Ich! Ich! (Rennt
davon.)

     Weislingen. Marie, geh  ihm nach. Er verzweifelt. (Maria ab.) Gift  von
meinem Weibe! Weh! Weh! Ich fuhl's. Marter und Tod!

     Maria (inwendig). Hulfe! Hulfe!

     Weislingen (will aufstehn). Gott, vermag ich das nicht!

     Maria (kommt). Er ist hin.  Zum Saalfenster hinaus sturzt' er wutend in
den Main hinunter.

     Weislingen. Ihm ist  wohl. - Dein Bruder ist au?er Gefahr.  Die ubrigen
Kommissarien, Seckendorf besonders, sind seine Freunde. Ritterlich Gefangnis
werden sie ihm auf sein Wort gleich gewahren. Leb wohl, Maria, und geh.

     Maria. Ich will bei dir bleiben, armer Verla?ner.

     Weislingen.  Wohl  verlassen  und arm! Du bist ein  furchtbarer Racher,
Gott! - Mein Weib -

     Maria.  Entschlage  dich  dieser  Gedanken.  Kehre  dein  Herz  zu  dem
Barmherzigen.

     Weislingen. Geh, liebe Seele, uberla? mich meinem Elend. - Entsetzlich!
Auch deine Gegenwart, Marie, der letzte Trost, ist Qual.

     Maria (vor  sich). Starke mich,  o Gott!  Meine Seele erliegt  mit  der
seinigen.

     Weislingen.  Weh! Weh! Gift  von meinem Weibe!  -  Mein  Franz verfuhrt
durch die Abscheuliche! Wie sie  wartet, horcht auf den Boten,  der  ihr die
Nachricht bringe: er  ist tot. Und du, Marie! Marie, warum bist du gekommen,
da?  du  jede  schlafende Erinnerung  meiner  Sunden wecktest!  Verla? mich!
Verla? mich, da? ich sterbe.

     Maria. La? mich bleiben. Du bist  allein. Denk, ich sei deine Warterin.
Vergi? alles. Vergesse dir Gott so alles, wie ich dir alles vergesse.

     Weislingen. Du  Seele  voll  Liebe, bete fur  mich, bete fur mich! Mein
Herz ist verschlossen.

     Maria. Er wird sich deiner erbarmen. - Du bist matt.

     Weislingen. Ich  sterbe, sterbe und kann  nicht ersterben.  Und in  dem
furchterlichen Streit des Lebens und Todes sind die Qualen der Holle.

     Maria.  Erbarmer, erbarme dich seiner! Nur einen  Blick deiner Liebe an
sein  Herz,  da?  es  sich  zum  Trost   offne,  und  sein  Geist  Hoffnung,
Lebenshoffnung in den Tod hinuberbringe!


     In einem finstern engen Gewolbe
     Die Richter des heimlichen Gerichts. Alle vermummt.

     Altester. Richter  des  heimlichen  Gerichts,  schwurt  auf  Strang und
Schwert,  unstraflich  zu  sein,  zu  richten  im Verborgnen,  zu strafen im
Verborgnen Gott gleich! Sind eure  Herzen rein und eure Hande, hebt die Arme
empor, ruft uber die Missetater: >Wehe! Wehe!<

     Alle. Wehe! Wehe!

     Altester. Rufer, beginne das Gericht!

     Rufer.  Ich, Rufer, rufe die  Klag gegen den Missetater.  Des Herz rein
ist, dessen Hand rein sind zu schworen auf Strang und Schwert, der klage bei
Strang und Schwert! klage! klage!

     Klager (tritt vor). Mein  Herz ist rein von  Missetat, meine  Hande von
unschuldigem Blut. Verzeih  mir  Gott bose Gedanken und  hemme  den Weg  zum
Willen! Ich hebe meine Hand auf und klage! klage! klage!

     Altester. Wen klagst du an?

     Klager. Klage an auf Strang und Schwert Adelheiden von Weislingen.  Sie
hat  Ehebruchs  sich  schuldig gemacht,  ihren  Mann  vergiftet  durch ihren
Knaben. Der Knab hat sich selbst gerichtet, der Mann ist tot.

     Altester. Schworst du zu dem Gott der Wahrheit, da? du Wahrheit klagst?

     Klager. Ich schwore.

     Altester. Wurd es falsch befunden, beutst du deinen Hals der Strafe des
Mords und des Ehebruchs?

     Klager. Ich biete.

     Altester. Eure Stimmen.

     (Sie reden heimlich zu ihm.)

     Klager.  Richter  des heimlichen  Gerichts, was ist  euer  Urteil  uber
Adelheiden von Weislingen, bezuchtigt des Ehebruchs und Mords?

     Altester. Sterben soll  sie! sterben  des bittern  doppelten Todes; mit
Strang und Dolch bu?en doppelt doppelte Missetat. Streckt  eure Hande empor,
und rufet Weh uber sie! Weh! Weh! In die Hande des Rachers.

     Alle. Weh! Weh! Weh!

     Altester. Racher! Racher, tritt auf.

     Racher (tritt vor).

     Altester. Fa? hier Strang und Schwert, sie zu tilgen von dem  Angesicht
des Himmels, binnen acht Tage  Zeit. Wo du sie  findest, nieder  mit ihr  in
Staub! - Richter,  die ihr richtet im Verborgenen und strafet im Verborgenen
Gott gleich, bewahrt euer Herz vor Missetat und eure  Hande vor unschuldigem
Blut.


     Hof einer Herberge
     Maria. Lerse.

     Maria. Die Pferde haben genug gerastet. Wir wollen fort, Lerse.

     Lerse. Ruht doch bis an Morgen. Die Nacht ist gar zu unfreundlich.

     Maria. Lerse, ich habe keine Ruhe,  bis ich meinen Bruder gesehen habe.
La? uns  fort. Das Wetter hellt sich  aus,  wir haben einen schonen  Tag  zu
gewarten.

     Lerse. Wie Ihr befehlt.


     Heilbronn, im Turn
     Gotz. Elisabeth.

     Elisabeth.  Ich  bitte  dich,  lieber  Mann,   rede   mit   mir.   Dein
Stillschweigen angstet mich. Du vergluhst in dir  selbst. Komm, la? uns nach
deinen Wunden  sehen; sie bessern sich um vieles. In der mutlosen Finsternis
erkenn ich dich nicht mehr.

     Gotz. Suchtest du den Gotz? Der ist lang  hin. Sie haben mich nach  und
nach  verstummelt, meine Hand, meine Freiheit, Guter und  guten  Namen. Mein
Kopf, was ist an dem? - Was hort Ihr von Georgen? Ist Lerse nach Georgen?

     Elisabeth. Ja, Lieber! Richtet Euch auf, es kann sich vieles wenden.

     Gotz. Wen  Gott  niederschlagt, der richtet  sich selbst nicht auf. Ich
wei? am besten, was auf meinen Schultern liegt.  Ungluck bin ich gewohnt  zu
dulden. Und jetzt ist's nicht Weislingen  allein, nicht  die Bauern  allein,
nicht der Tod  des Kaisers und meine Wunden -  Es ist alles zusammen.  Meine
Stunde ist kommen. Ich hoffte, sie  sollte sein wie mein  Leben. Sein  Wille
geschehe.

     Elisabeth. Willt du nicht was essen?

     Gotz. Nichts, meine Frau. Sieh, wie die Sonne drau?en scheint.

     Elisabeth. Ein schoner Fruhlingstag.

     Gotz.  Meine Liebe, wenn du den Wachter  bereden konntest, mich in sein
klein  Gartchen  zu  lassen auf eine halbe Stunde, da? ich  der lieben Sonne
genosse, des heitern Himmels und der reinen Luft.

     Elisabeth. Gleich! und er wird's wohl tun.


     Gartchen am Turn
     Maria. Lerse.

     Maria. Geh hinein und sieh, wie's steht.

     (Lerse ab. - Elisabeth. Wachter.)

     Elisabeth.  Gott  vergelt  Euch  die Lieb  und Treu  an  meinem  Herrn.
(Wachter ab.) Maria, was bringst du?

     Maria. Meines Bruders Sicherheit.  Ach,  aber mein  Herz ist zerrissen.
Weislingen ist tot, vergiftet von seinem Weibe. Mein Mann ist in Gefahr. Die
Fursten werden ihm zu machtig, man sagt, er sei eingeschlossen und belagert.

     Elisabeth. Glaubt dem Geruchte nicht. Und la?t Gotzen nichts merken.

     Maria. Wie steht's um ihn?

     Elisabeth. Ich  furchtete, er wurde  deine Ruckkunft nicht erleben. Die
Hand des Herrn liegt schwer auf ihm. Und Georg ist tot.

     Maria. Georg! der goldne Junge!

     Elisabeth. Als die  Nichtswurdigen Miltenberg  verbrannten,  sandte ihn
sein Herr, ihnen Einhalt zu tun. Da fiel ein Trupp Bundischer auf sie los. -
Georg! hatten  sie  sich alle  gehalten wie  er,  sie  hatten alle das  gute
Gewissen haben mussen. Viel wurden erstochen, und Georg  mit: er starb einen
Reiterstod.

     Maria. Wei? es Gotz?

     Elisabeth. Wir verbergen's vor ihm. Er fragt mich zehnmal des Tags, und
schickt  mich zehnmal des Tags zu  forschen, was  Georg  macht.  Ich furchte
seinem Herzen diesen letzten Sto? zu geben.

     Maria. O Gott, was sind die Hoffnungen dieser Erden!

     (Gotz. Lerse. Wachter.)

     Gotz. Allmachtiger Gott! Wie wohl ist's einem unter deinem Himmel!  Wie
frei!  -  Die Baume treiben Knospen,  und  alle Welt hofft. Lebt wohl, meine
Lieben; meine Wurzeln sind abgehauen, meine Kraft sinkt nach dem Grabe.

     Elisabeth. Darf ich Lersen nach deinem Sohn ins  Kloster schicken,  da?
du ihn noch einmal siehst und segnest?

     Gotz. La? ihn, er ist heiliger als ich, er  braucht meinen Segen nicht.
-  An  unsrem Hochzeittag, Elisabeth, ahnte  mir's nicht, da? ich so sterben
wurde. - Mein alter  Vater segnete uns,  und eine Nachkommenschaft von edeln
tapfern  Sohnen  quoll aus seinem Gebet. - Du hast ihn nicht erhort, und ich
bin der Letzte. - Lerse, dein Angesicht freut mich  in der Stunde des  Todes
mehr als im mutigsten Gefecht.  Damals fuhrte mein Geist den  eurigen; jetzt
haltst  du mich aufrecht. Ach  da?  ich Georgen  noch  einmal  sahe, mich an
seinem Blick warmte! - Ihr seht zur Erden und weint - Er ist tot - Georg ist
tot. - Stirb, Gotz - Du hast dich selbst uberlebt, die Edeln uberlebt. - Wie
starb  er?  -  Ach  fingen sie  ihn  unter  den  Mordbrennern,  und  er  ist
hingerichtet?

     Elisabeth. Nein,  er wurde bei Miltenberg erstochen. Er wehrte sich wie
ein Low um seine Freiheit.

     Gotz.  Gott  sei Dank! - Er  war  der beste  Junge unter der Sonne  und
tapfer.  -  Lose meine  Seele  nun! - Arme  Frau! Ich  lasse  dich  in einer
verderbten   Welt.  Lerse,  verla?  sie  nicht.   -  Schlie?t  eure   Herzen
sorgfaltiger als eure Tore. Es kommen die  Zeiten  des Betrugs, es  ist  ihm
Freiheit gegeben. Die Nichtswurdigen werden regieren  mit List, und der Edle
wird in ihre Netze  fallen. Maria, gebe dir Gott deinen Mann wieder. Moge er
nicht so tief fallen, als er hoch gestiegen ist! Selbitz starb, und der gute
Kaiser, und mein  Georg. - Gebt mir einen Trunk  Wasser. - Himmlische Luft -
Freiheit! Freiheit! (Er stirbt.)

     Elisabeth. Nur droben, droben bei dir. Die Welt ist ein Gefangnis.

     Maria. Edler  Mann! Edler Mann! Wehe dem Jahrhundert, das dich von sich
stie?!

     Lerse. Wehe der Nachkommenschaft, die dich verkennt!



Last-modified: Thu, 23 Jan 2003 20:38:54 GMT
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