Das Doktor Valentin Pillman anlaesslich
Auszuege aus einem Interview, das Doktor Valentin Pillman anlaesslich
seiner Auszeichnung mit dem Nobelpreis fuer Physik im Jahre 19.. dem
Sonderkorrespondenten von Radio Harmont gewaehrte
"Ist es richtig, Doktor Pillman, vom sogenannten Pillman-Radianten als
Ihrer ersten bedeutsamen Entdeckung zu sprechen?"
"Das glaube ich nicht. Der Pillman-Radiant ist weder die erste noch
eine bedeutsame, noch ueberhaupt eine richtige Entdeckung. Und schon gar
nicht meine."
"Das ist gewiss ein Scherz, Herr Doktor. Der Pillman-Radiant ist
heutzutage ein jedem Schueler gelaeufiger Begriff!"
"Das kann nicht verwundern. Schliesslich hat ein Schueler diesen
Radianten entdeckt. Leider kann ich mich nicht mehr an seinen Namen
erinnern. Aber schlagen Sie in Statsons >Geschichte des Besuchs< nach - dort
ist alles ausfuehrlich beschrieben. Entdeckt wurde der Radiant von einem
Schueler, veroeffentlicht wurden die Koordinaten von einem Studenten, nur
benannt wurde er sonderbarerweise nach mir."
"Nun ja, es ist wahr... mit Entdeckungen geschehen mitunter die
merkwuerdigsten Dinge. Koennten Sie, Doktor Pillman, unseren Hoerern
vielleicht dennoch erklaeren..."
"Aber gewiss doch. Beim Pillman-Radianten handelt es sich um ein
ueberaus einfaches Phaenomen. Stellen Sie sich vor. Sie braechten einen
grossen Globus zum Drehen und feuerten aus einem Revolver Schuesse auf ihn
ab. Die Loecher auf dem Globus werden eine Art fliessende Kurve bilden. Das
Wesen dessen nun, was Sie als meine erste bedeutende Entdeckung bezeichnen,
ist durch diesen simplen Vergleich erklaerbar. Alle sechs Besuchszonen auf
unserem Planeten naemlich sind so angeordnet, als haette jemand sechs
Pistolenschuesse auf die Erde abgegeben, und zwar von einem beliebigen
Standort auf der Linie Erde - Deneb aus. Deneb, das wissen Sie, ist der
Hauptstern des Sternbildes Schwan. Jener Punkt am Firmament nun, von dem aus
sozusagen geschossen wurde, wird als Pillman-Radiant bezeichnet."
"Ich danke Ihnen, Herr Doktor. Liebe Hoerer, Sie haben jetzt knapp und
verstaendlich erklaert bekommen, was es mit dem Pillman-Radianten auf sich
hat. Bei dieser Gelegenheit moechte ich daran erinnern, dass genau
vorgestern vor dreizehn Jahren der Besuch stattgefunden hat. Duerfte ich Sie
bitten, Doktor Pillman, Ihren Landsleuten ein paar Worte zu diesem Ereignis
zu sagen?"
"In welcher Hinsicht? Sie muessen bedenken, dass ich mich damals nicht
in Harmont aufhielt..."
"Um so interessanter waere es, zu erfahren, welche Gedanken Sie
bewegten, als Ihre Heimatstadt Besuchsziel einer ausserirdischen
Superzivilisation wurde."
"Ehrlich gesagt, hielt ich diese Meldung zunaechst fuer eine Ente. Es
war schlecht vorstellbar, dass sich in unserem alten, kleinen Harmont etwas
Derartiges zutragen koennte. Die Wueste Gobi oder Neufundland - das waere
noch angegangen, aber Harmont..."
"Schliesslich mussten Sie es aber doch als tatsaechlichen Vorgang zur
Kenntnis nehmen."
"Ja, das musste ich."
"Und was geschah weiter?"
"Ich stellte ueberrascht fest, dass Harmont und die uebrigen fuenf
Besuchszonen - Pardon, zu diesem Zeitpunkt waren nur vier bekannt -, dass
sie jedenfalls alle eine sehr gleichmaessige Kurve bildeten. Ich errechnete
die Koordinaten des Radianten und schickte sie an die >Nature<."
"Und das Schicksal Ihrer Heimatstadt hat Sie nicht beunruhigt?"
"Sehen Sie, obwohl ich inzwischen wusste, dass der Besuch eine Tatsache
war, konnte ich mich nicht ueberwinden, den von Panik erfuellten Berichten
Glauben zu schenken. Zu sensationell wurde ueber brennende Stadtviertel
berichtet, ueber Ungeheuer, die sich Greise und Kinder zum Frass aussuchten,
ueber die blutigen Kaempfe zwischen den unverwundbaren Gaesten aus dem All
und den im Gegensatz dazu hoechst anfaelligen Panzereinheiten der Regierung,
die sich nichtsdestoweniger sehr wacker schlugen..."
"Sie haben recht. Unsere Kollegen uebertrieben damals... Aber zurueck
zur Wissenschaft. Die Entdeckung des Pillman-Radianten war Ihr erster, doch
gewiss nicht letzter Beitrag zur Erforschung des Besuchs?".
"Mein erster und letzter."
"Zweifelsohne aber haben Sie seither die internationalen Forschungen in
den Besuchszonen aufmerksam verfolgt?"
"Nun ja. Hin und wieder sehe ich die >Mitteilungen< durch."
"Sie sprechen von den >Mitteilungen des Internationalen Instituts fuer
ausserirdische Kulturen"
"So ist es."
"Und was war nach Ihrer Meinung in diesen dreizehn Jahren die
wichtigste Entdeckung?"
"Die Tatsache des Besuchs selbst."
"Wie darf ich das verstehen?"
"Die Tatsache, dass ein Besuch stattgefunden hat, ist fuer uns die
bedeutendste Entdeckung nicht nur der vergangenen dreizehn Jahre, sondern
der Menschheitsgeschichte ueberhaupt. Es ist nicht gar so wichtig, was das
fuer Wesen waren, woher sie kamen und aus welchem Grund. Vergleichsweise
unwichtig ist auch, warum sie sich nur so kurze Zeit bei uns aufhielten und
wohin sie verschwanden. Wichtig dagegen ist: Die Menschheit weiss jetzt mit
Sicherheit, dass sie nicht allein im Universum ist. Ich fuerchte, es wird
dem Internationalen Institut fuer ausserirdische Kulturen nie vergoennt
sein, eine fundamentalere Entdeckung zu machen."
"Was Sie uns da sagen, Doktor Pillman, ist wirklich sehr interessant.
Freilich zielte meine Frage mehr auf Entdeckungen technischer Natur. Auf
Entdeckungen, die unserer irdischen Wissenschaft und Technik zugute kommen.
Immerhin ist eine Reihe angesehener Gelehrter der Meinung, die in den
Besuchszonen gemachten Funde koennten den Lauf der gesamten Geschichte
veraendern."
"Nun, was mich betrifft, ich gehoere nicht zu den Anhaengern dieser
Theorie. In bezug auf die Funde bin ich allerdings kein Spezialist."
"Aber Sie stellen sich der UNO-Kommission zu Fragen des Besuchs seit
zwei Jahren als Konsultant zur Verfuegung."
"Das stimmt. Dennoch stehe ich in keinerlei Beziehung zur Erforschung
ausserirdischer Kulturen. In der von Ihnen genannten Kommission vertrete ich
gemeinsam mit einigen Kollegen die internationale wissenschaftliche
OEffentlichkeit. Zum Beispiel kontrollieren wir die Einhaltung von
UNO-Beschluessen zu den Besuchszonen. Oder anders gesagt, wir wachen
darueber, dass einzig das Internationale Institut ueber die ausserirdischen
Wunderdinge verfuegt, die in den Zonen zutage gefoerdert werden."
"Gibt es denn jemand anderen, der diese Dinge fuer sich in Anspruch
nehmen will?"
"Ja."
"Sie sprechen von den >Schatzgraebern"
"Ich weiss nicht, wen Sie damit meinen."
"So nennen wir hier in Harmont jene tollkuehnen Maenner, die auf
eigenes Risiko in die Zone eindringen und herausschleppen, was sie nur
auftreiben koennen. Direkt ein neuer Beruf ist das!"
"Aha, ich verstehe. Nein, das liegt ausserhalb unserer Kompetenzen."
"Verstaendlich! Mit dieser Angelegenheit befasst sich die Polizei. Aber
wir wuerden gern erfahren, Doktor Pillman, was dann in Ihren
Kompetenzbereich faellt."
"Nun, es ist eine Tatsache, dass in den Besuchszonen staendig wichtige
Materialien verschwinden. Sie gelangen in die Haende gewissenloser Leute und
ganzer Organisationen. Wir befassen uns mit den hieraus entstehenden
Folgen."
"Koennten Sie das ein bisschen genauer erklaeren, Herr Doktor?"
"Lassen Sie uns lieber ueber die Kunst sprechen. Oder sollte die Hoerer
nicht interessieren, wie sehr ich die unnachahmliche Gwady Miller
bewundere?"
"Doch, natuerlich! Allerdings moechte ich zunaechst noch das Thema der
Wissenschaft zu einem Abschluss bringen. Reizt es Sie als Wissenschaftler
nicht, sich selbst mit den ausserirdischen Wunderdingen in den Zonen zu
befassen?"
"Ja, was soll ich da sagen... gewiss."
"Dann koennen die Einwohner von Harmont also hoffen, eines schoenen
Tages auf heimischen Strassen ihrem beruehmten Landsmann wieder zu
begegnen?"
"Das ist nicht ausgeschlossen."
Last-modified: Mon, 24 Apr 2000 17:31:28 GMT